Donnerstag18. Dezember 2025

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EditorialDie „frëndlech Bréiwer“ sind da – auch die anderen Medien sollen in der Nickts-Affäre schweigen

Editorial / Die „frëndlech Bréiwer“ sind da – auch die anderen Medien sollen in der Nickts-Affäre schweigen
Verschämt, Lauschend, Ermahnend und Auf der Hut heißen die Figuren in der „Cité judiciaire“: Jos Nickts will nach RTL auch den anderen Medien des Landes die Nennung seines Namens untersagen  Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

Die „frëndlech Bréiwer“, die Jos Nickts über seinen Anwalt ankündigen ließ, sind da. Das Tageblatt bekam sein Schreiben am Montag. Nachdem Nickts vor Gericht RTL einen Maulkorb aufzwingen konnte, wünscht er sich dasselbe nun von jenen Medien des Landes, die seinen Namen weiter nennen. Die „Nickts-Affär“ bekommt so ihr nächstes Kapitel – und der Mann, der nicht genannt werden will, bekommt noch mehr Öffentlichkeit.

Am 27. November bestätigte das Kassationsgericht ein Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2024. Seitdem darf RTL weder den Namen noch ein Bild von Jos Nickts (immerhin von 1985 bis 2002 Präsident der Briefträgergewerkschaft FSFL) mit seinen gewerkschaftlichen Aktivitäten in Verbindung bringen.

Und das, obwohl Nickts am Ursprung eines der größten Betrugs- und Unterschlagungsfälle der jüngeren Geschichte Luxemburgs steht. Nickts hatte Hunderte Briefträger um mehrere Millionen Euro gebracht. Er wurde verurteilt. Seine Strafe hat er abgesessen. Nickts hat später sogar ein Buch über die Affäre geschrieben, die bis heute seinen Namen trägt und es am Ende des Jahres in die engere Auswahl um das Wort des Jahres schaffen könnte: die „Nickts-Affär“. Nennt RTL aber seinen Namen oder zeigt es ein nicht verpixeltes Bild des Mannes, kostet das seit Ende November jeweils 7.000 Euro.

Das Urteil des Kassationsgerichts ist eine Jurisprudenz, kein Gesetz, und bezieht sich allein auf RTL. So haben Radio 100,7, Le QuotidienJournalLandReporter.lu und auch wir beim Tageblatt den Namen Nickts in unserer Berichterstattung weiter benutzt (nur das Wort tat dies nicht).

Das geht. Noch. Über seinen Anwalt ließ Nickts am 3. Dezember im Radio 100,7 ausrichten, dass genannte Medien auch „frëndlech Bréiwer“ erhalten könnten. Den Vorwurf, die Presse einschüchtern zu wollen, wies Nickts’ Anwalt zurück. In diesem Fall würde das Grundrecht auf Privatleben jenes der Ausdrucks- und Pressefreiheit überwiegen. Sein Mandant wolle nur seine wohlverdiente Ruhe haben. Die Richter folgten dieser Sichtweise.

Die freundlichen Briefe sind nun eingegangen. Kopien desselben Schreibens wurden an genannte Medien, darunter eben das Tageblatt, verschickt. Erster Satz: „Je ne peux que vous demander de respecter cette décision également dans vos émissions et publications, même si au stade actuel, la décision judiciaire rendue ne s’applique au sens strict qu’à RTL.“

So wird die ganze Sache noch bizarrer: Erstens fühlen wir uns nicht angesprochen. Und verstehen zweitens sehr wohl, was hier geschehen soll und teils bereits geschehen ist. Erst das eine, dann das andere.

Erstens: RTL wollte 15 Jahre nach der Nickts-Affäre auf den Fall zurückkommen und kontaktierte dessen Anwalt für eine Stellungnahme von Nickts selbst. Das war im Jahr 2016. Nickts lehnte ab. Der Rechtsstreit begann – und endete jetzt im November mit dem erwähnten Urteil des Kassationsgerichts. CLT-UFA (also RTL) bleibt nur der Weg nach Straßburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. All das passiert jetzt und hier. Warum sollten wir nicht mit voller Namensnennung darüber berichten? Warum richtet sich dieser Brief an uns?

Damit sind wir beim Zweitens: Die Antwort liegt auf der Hand, auch wir sollen eingeschüchtert werden. Egal, wie „léif“ der Brief sein mag, es ist der Brief eines Anwalts an vier Redaktionen des Landes, der den „guten Rat“ enthält, in dieser Sache doch bitte den Mund zu halten. Andernfalls könnte es in Zukunft Geldstrafen setzen.

Das Urteil der Luxemburger Justiz ist ein Präzedenzfall, der die Pressefreiheit bedroht. Dass nun auch auf andere Medien Druck ausgeübt wird, ist ein Beleg dafür. Eben darum schreiben wir auch über den „léiwe Bréif“, den wir von Jos Nickts’ Anwalt bekommen haben. Einschüchterungsversuche müssen öffentlich gemacht werden. Egal in welch „léiwem“ Gewand sie daherkommen. Am liebsten hätten wir alles direkt mit Jos Nickts besprochen. Unsere Interview-Anfrage ist längst raus, wurde jedoch bislang nicht angenommen.

HeWhoCannotBeNamed
18. Dezember 2025 - 8.08

Verdammt, jetzt muss ich mir ein neues Pseudonym zulegen... ich sollte diesen Nickts verklagen!