Samstag1. November 2025

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ÖsterreichDie FPÖ ist zurück auf der Überholspur – dank Kriegswinter, Sozialdemokraten und Konservativen

Österreich / Die FPÖ ist zurück auf der Überholspur – dank Kriegswinter, Sozialdemokraten und Konservativen
FPÖ-Chef Herbert Kickl erhebt längst offen Anspruch auf das Kanzleramt Foto: dpa/Georg Hochmuth

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Was haben Wladimir Putin, ÖVP und SPÖ gemeinsam? Ihnen verdanken Österreichs Rechtspopulisten die Rückkehr auf die Überholspur.

Ibizagate ist – zumindest für die FPÖ – abgehakt. Dreieinhalb Jahre danach laboriert nur noch die ÖVP weiter an den Folgen des vom damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ausgelösten Jahrhundert-Skandals. Die im Zuge der Ibiza-Ermittlungen sichergestellten Chats von ÖVP-Granden werden die Kanzlerpartei wohl noch länger im Bann halten.

Und es mangelt nicht an brisantem Nachschub an der Nachrichten-Front. Nachdem vor wenigen Wochen schon die Chefredakteure von ORF und Presse zurücktreten mussten, weil deren Chats mit Strache beziehungsweise dem Kurz-Vertrauten Thomas Schmid ein unangemessenes Naheverhältnis zur Macht offenbart hatten, erschüttert nun eine ähnliche Affäre das ORF-Landesstudio Niederösterreich, also in dem Bundesland, wo in einem Monat eine der letzten ÖVP-Hochburgen auf dem Spiel steht. Laut geleakten Chats und E-Mails soll ORF-Landessdirektor Robert Ziegler in der Redaktionen massiv die TV-Präsenz von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner forciert und Zitate der ÖVP-Politikerin in Beiträge hineinreklamiert haben. Während der ORF-Redaktionsrat von Generaldirektor Roland Weißmann die sofortige Suspendierung Zieglers fordert, setzt der ebenfalls von der ÖVP installierte ORF-Chef auf Zeitgewinn ganz im Sinne der türkisen Wahlkämpfer: Er installiert eine Untersuchungskommission, die kaum vor dem Wahltag am 25. Januar ein Ergebnis vorlegen können wird.

Eigentlich nichts Neues

Im Grunde geht es wieder nur um einen Zustand, der allgemein bekannt, aber nicht durch überprüfbare Daten belegt war. Auch andere ORF-Landesstudios fallen durch Hofberichterstattung auf, was nicht verwundert angesichts der Tatsache, dass die jeweiligen Chefs diesen Job nur mit dem Sanktus der Landeshauptleute bekommen. Freundliche, höchstens sanft kritische Berichterstattung ist die Folge.

So wie durch den Ibiza-Skandal nur die allseits vermutete Hinterzimmerpolitik erstmals auf einem heimlich aufgezeichneten Video sichtbar und durch die beschlagnahmten Chats nachlesbar wurde, wird nun auch das gar nicht so unabhängige Agieren mancher schon im Verdacht mangelnder Unabhängigkeit stehender Journalisten schonungslos aufgedeckt.

Kurz-Trick wirkt nicht

Genützt hat die Message Control der ÖVP freilich nichts. In Niederösterreich droht ihr ein Absturz um zehn Prozentpunkte unter 40 Prozent. Auf Bundesebene schaut es noch viel schlechter aus: In allen Umfragen dümpeln die Türkisen, die bei der letzten Nationalratswahl 2019 mit Sebastian Kurz noch über 37 Prozent geholt hatten, um die 20-Prozent-Marke. Kanzler Karl Nehammer setzt deshalb auf das von seinem Vorgänger so erfolgreich angewendete Werkzeug: Härte in der Asylpolitik. Doch das Veto gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien hat außer viel Ärger mit den betroffenen Ländern und mit EU-Partnern keine Trendwende gebracht. Im Gegenteil: Der asylpolitische Holzhammer nützt vor allem der FPÖ. Wem ein restriktiver Kurs wichtig ist, der geht eben zum Schmied und nicht zum Schmiedl, wie man in Österreich sagt. FPÖ-Chef Herbert Kickl kann immer noch einen Tick härter agieren als der vom christlichen ÖVP-Flügel gebremste Nehammer. Wenn die ÖVP also – wie gerade geschehen – laut Asylkrise ruft, freut das die FPÖ.

In mehreren Umfragen hat sie es bereits klar auf Platz eins geschafft – in einer Bandbreite von 26 bis 30 Prozent. Hilfreich ist auch Putins Angriffskrieg in der Ukraine, dessen ökonomische Folgen viel Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten leiten. Zwar hat die türkis-grüne Regierung großzügigste Anti-Teuerungspakete geschnürt, die manche Experten schon als überkompensierend einstufen, doch die FPÖ erzählt den Leuten, dass es mit ihr an der Regierung diese Probleme überhaupt nicht gäbe, weil man sich gar nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligt hätte. Das kommt gut an bei Putin-Verstehern und Pazifisten.

SPÖ-Machtkampf

Der neuerliche Höhenflug der FPÖ wäre zumindest gebremst, würden die Sozialdemokraten sich mehr auf ihre Oppositionsrolle konzentrieren und weniger mit sich selbst beschäftigen. Doch schon wieder tobt der eigentlich beim letzten Parteitag für beendet erklärte Machtkampf zwischen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil. Dieser hat selbst eine Umfrage in Auftrag gegeben, der zufolge die SPÖ mit ihm als Spitzenkandidat um fünf Prozentpunkte besser abschneiden würde als mit Rendi-Wagner.

Mit Doskozil, der in der Asylpolitik eher auf ÖVP-Linie liegt und sozialpolitisch linke Akzente setzt, kämen die Sozialdemokraten locker über 30 Prozent. Eine Umfrage für den TV-Sender ATV bestätigte den in der bestellten Erhebung ausgewiesenen Trend. Die Genossen haben also wieder einmal das Problem der Spitzenkandidatur: Offiziell steht Rendi-Wagner außer Streit, viele fürchten aber, dass nur Doskozil die Chance auf eine Wende bietet. Denn der könnte frustrierte, zur FPÖ oder ÖVP übergelaufene SPÖ-Wähler heimholen. Solange dieser Machtkampf als endlose Geschichte inszeniert wird, können die Rechtspopulisten auch davon profitieren.

Herbert Kickl erhebt längst offen Anspruch auf das Kanzleramt. Das mag abgehoben klingen, hat doch Bundespräsident Alexander van der Bellen klargestellt, ihn nicht einmal als Innenminister erneut (wie 2017) angeloben zu wollen. Doch wenn die FPÖ ihre Poleposition bei der nächsten Wahl über die Ziellinie retten und wieder mit der ÖVP zusammenfinden sollte, könnte Van der Bellen zwar wie Thomas Klestil im Jahr 2000 ein finsteres Gesicht machen, aber eine solche Koalition nicht gegen eine Mehrheit im Parlament verhindern.

Phil
25. Dezember 2022 - 9.44

Seltsam, dass Politgenosse Asselborn sich noch nicht getraut hat gegen die Österreicher zu pöbeln. Macht er sonst doch bei jeder Gelegenheit.