Im Juli 2024 entzündeten Studenten aus Bangladesch einen Funken, der auf das ganze Land übersprang. Sie erhoben sich gegen eine autoritäre Regierungschefin, die es, obwohl ihre Amtszeit durch ein starkes BIP-Wachstum gekennzeichnet war, versäumt hatte, die tief verwurzelte Ungleichheit, die Korruption und den Mangel an angemessenen Arbeitsplätzen zu bekämpfen. Es war nicht bloß ein Protest, es war eine Forderung nach Würde und eine Erinnerung daran, dass die Zukunft eines Landes seinen Menschen gehört.
Daran erinnerte ich, als ich auf der Ersten Internationalen Konferenz über die Julirevolution an der Universität von Dhaka sprach. Der Geist, der sich dort zeigte, war auch in Malaysia zu sehen gewesen, als dort 1974 Studenten gegen den Hungertod von Bauern in Baling protestierten und als im Jahr 1998 junge Aktivisten – darunter auch ich – gegen politische Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen auf die Straße gingen.
Wenn junge Menschen ungerechte Systeme stürzen, machen sie damit eine einfache Wahrheit deutlich: Eine auf Angst aufgebaute politische Ordnung kann durch Mut zerschlagen werden, während ein auf Gerechtigkeit aufgebautes System unzerstörbar ist. Doch reicht Mut allein nicht aus, um Missstände zu beseitigen. Auf den Protest müssen greifbare soziale und wirtschaftliche Reformen folgen, die die Parolen überdauern und die Ursachen der Unzufriedenheit bekämpfen – die Ungleichheit, Korruption und Arbeitslosigkeit, die die Menschen überhaupt erst auf die Straße gebracht haben.
Zwischen Hoffnung und Stillstand
Dies ist die Herausforderung, vor der Bangladesch steht. Ein Jahr nach den berauschenden Tagen der Revolution steht die mit einem reibungslosen Übergang betraute Übergangsregierung vor einer ungewissen Zukunft. Während viele Menschen ihre Bemühungen zum besseren Schutz der bangladeschischen Arbeiter – eines der Hauptexportgüter des Landes – gutheißen, gibt es bei der Umsetzung der Strukturreformen, die die Sorgen der Demonstranten ansprechen würden, nach wie vor Hürden.
Die Bangladesh Nationalist Party (BNP), der wichtigste Widersacher der Awami-Liga der ehemaligen Premierministerin Sheikh Hasina, geht davon aus, dass sie die nach den Studentenunruhen gegründeten neuen Parteien – Jamaat-e-Islami (Jamaat) und die Nationale Bürgerpartei (NCP) – bei den Wahlen in diesem Jahr besiegen wird. Wenn es Jamaat und NCP nicht gelingt, eine Einheitsfront zu bilden, um die Wähler zu mobilisieren, ist ein Sieg der BNP das wahrscheinlichste Ergebnis.
Eine neue Regierungspartei mag wie ein demokratischer Neustart erscheinen, doch die tiefere Frage ist, ob damit echte politische Stabilität erreicht oder lediglich ein lähmender Kreislauf fortgesetzt wird. Ohne grundlegenden Bruch mit den Patronage-Netzwerken und der spaltenden Regierungsführung des vorherigen Regimes und ohne das Bemühen um eine Übergangsjustiz könnte ein Sieg der BNP eine Rückkehr zum zerstörerischen Muster der abwechselnden Herrschaft rivalisierender Parteien bedeuten, die die strukturellen Ursachen der Instabilität niemals angehen. Ein wirklich gerechtes System hängt nicht von Wahlergebnissen ab, sondern von Reformen, die die Maschinerie der Ausgrenzung abbauen und Institutionen schaffen, die den Launen einer beliebigen einzelnen Partei standhalten.
Doch der Weg dorthin ist steil, und es gibt sowohl nationale als auch globale Hindernisse. Bangladesch, Südasiens zweitgrößte Volkswirtschaft, exportiert hauptsächlich Arbeitskräfte, Textilien und Bekleidung, wobei ein großer Teil davon in die USA geht. Doch US-Präsident Donald Trump hat Bangladesch, das immer noch als eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt eingestuft wird, kürzlich mit einem 20%igen Zoll belegt. Während Trumps Handelskrieg eskaliert, zersplittert die Weltwirtschaft in rivalisierende Blöcke, sodass derartige Länder kaum noch Einflussmöglichkeiten haben.
Solidarität statt Misstrauen
Die Lektion für den globalen Süden ist klar: Wenn wir unser wirtschaftliches Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen, werden andere es für uns entscheiden. Um jedoch zu Architekten unserer eigenen Zukunft zu werden, muss Solidarität an die Stelle von Misstrauen treten. Das bedeutet, dass wir die Ungleichheit im eigenen Land bekämpfen und gleichzeitig echte Allianzen im Ausland schmieden müssen. Die Regierungen müssen den nationalen Reichtum strategisch so verwalten, dass er dem Gemeinwohl und nicht nur einigen wenigen Privilegierten zugutekommt. Malaysias öffentliche Investitionsfonds, wie der Employees Provident Fund und Permodalan Nasional Berhad, haben gezeigt, wie man die Auslandsverschuldung reduzieren und den Reichtum an natürlichen Ressourcen für öffentliche Zwecke nutzen kann.
Die Idee von Sozialunternehmen, die gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel und Unterernährung lösen und sich dabei finanziell selbst tragen sollen, hat sich auch im globalen Süden durchgesetzt. In Malaysia unterstützt die Stiftung Yayasan Hasanah des malaysischen Staatsfonds Unternehmen, die in Sektoren von der Landwirtschaft bis zur Bildung einen messbaren sozialen und ökologischen Nutzen erbringen.
Die Industriepolitik muss auch die breite Masse stärken und darf nicht nur einige wenige begünstigen. Dies erfordert ständige Überprüfung, Transparenz und Innovation.
Die Krisen, mit denen wir heute von Gaza bis Myanmar konfrontiert sind, zeigen, dass Souveränität und Solidarität untrennbar miteinander verbunden sind. Gerechtigkeit muss Vorrang vor Profit haben. Indigene Weisheit, nicht importierte Dogmen, müssen die Regierungen leiten. Und alle sollten an den Vorteilen des Wirtschaftswachstums teilhaben.
Die Julirevolution in Bangladesch hat gezeigt, wie ein politisches System zerbrechen kann, wenn Reichtum gehortet wird. Auf seinem Weg voran täte Bangladesch gut daran, sich an die Bedeutung einer inklusiven Entwicklung zu erinnern. Wenn die führenden Politiker des Landes ihre Forderungen nach Veränderungen nicht in konkrete, gerechte Fortschritte umsetzen, werden sich die gesellschaftlichen Verwerfungen vertiefen, echte politische Stabilität wird kaum zu erreichen sein, und der Kreislauf unerfüllter Versprechen wird sich fortsetzen.
Manchmal kann ein kleiner Funke – ein Studentenmarsch oder ein grundsätzlicher politischer Kurswechsel – zu einem radikalen Wandel führen. Doch dazu muss er mit einem kollektiven Ziel verbunden sein. Die Aufgabe des globalen Südens besteht darin, dafür zu sorgen, dass dieses Ziel eindeutig als Gerechtigkeit und gemeinsamer Wohlstand definiert wird.
In diesem Sinne begrüße ich den Vorschlag des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, wonach sich die Staats- und Regierungschefs der BRICS+-Staaten verpflichten sollten, globale Konflikte zu beenden und eine gerechte Entwicklung voranzutreiben. Ein derartiges Unterfangen, aufrichtig verfolgt, könnte die Gerechtigkeit, die Solidarität und den gegenseitigen Respekt verkörpern, derer der globale Süden so dringend bedarf.
(Aus dem Englischen von Jan Doolan)
* Nurul Izzah Anwar ist Mitbegründerin und stellvertretende Vorsitzende der malaysischen People’s Justice Party. Sie ist sozialpolitische Aktivistin, in der öffentlichen Verwaltung tätig und ehemaliges Mitglied des malaysischen Parlaments.
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De Maart
Niemand hat in so kurzer Zeit mehr fuer die Solidarisierung des globalen Suedens getan , wenn auch ungewollt als Donald Trump .