Mittwoch5. November 2025

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NATO-TruppenVerteidigungsministerin Backes besucht luxemburgische Soldaten in Litauen

NATO-Truppen / Verteidigungsministerin Backes besucht luxemburgische Soldaten in Litauen
Ministerin Yuriko Backes und General Steve Thull (Mitte, links) besuchen die luxemburgische Einheit in Litauen (vier links, drei rechts) Foto: Armée luxembourgeoise

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Sieben Soldatinnen und Soldaten der luxemburgischen Armee sind im litauischen Rukla stationiert. Ihre Mission: Stärke zeigen, aber auch den Ernstfall vorbereiten. Ein Truppenbesuch im Baltikum, wo die russische Grenze nie fern ist.

Eine Landstraße, 30 Kilometer gezogen wie mit dem Lineal, führt von Kaunas nach Nordosten, in Richtung Rukla. Vorbei an baltischen Birkenwäldern und struppigen Feldern. Kaunas, das ist die zweitgrößte Stadt Litauens, die viertgrößte Stadt des Baltikums – und: Sie liegt in dem Landstreifen, der Belarus von der russischen Enklave Kaliningrad trennt. Eine knappe Autostunde nur ist die Grenze entfernt. Hier ist die EU am dünnsten. 200 Kilometer Demokratie zwischen zwei Autokraten. Wenn der russische Präsident Putin die EU angreifen sollte, dann wohl hier. Das zu verhindern, ist die Aufgabe der Männer und Frauen von Rukla.

Man muss die linealgerade Straße irgendwann verlassen und in ein Nadelwäldchen einbiegen. Dann steht man vor dem Wachposten der „Forward Land Forces“ (FLF) der NATO. Die FLF Litauen ist eine von acht multinationalen „Battlegroups“ des Bündnisses, sie reichen von Bulgarien bis ins Baltikum. Angeführt werden diese Gruppen von einer „Rahmennation“. Im litauischen Rukla sind das die Deutschen. Sie stellen den Großteil der aktuell etwa 1.800 Personen. Mit dabei sind auch fünf weitere Nationen: Belgier, Niederländer, Tschechen, Norweger und Luxemburger.

Ein deutscher Soldat erklärt Verteidigungsministerin Backes den Aufbau der „Temporary Logistics and Support Area“
Ein deutscher Soldat erklärt Verteidigungsministerin Backes den Aufbau der „Temporary Logistics and Support Area“ Foto: Editpress/Julian Dörr

Hinter dem Wachposten im Nadelwäldchen steigt Verteidigungsministerin Yuriko Backes (DP) aus der Limousine. Sie besucht an diesem Mittwoch im Dezember die Truppe in der Fremde. Begleitet wird sie dabei von Steve Thull, Generalstabschef der luxemburgischen Streitkräfte, und einer Pressedelegation. „Wir haben mehr Presse dabei als ‚boots on the ground‘ hier, selbst wenn man jeden Schuh einzeln zählt“, scherzt ein mitgereister luxemburgischer Militär mit seinem niederländischen Kollegen. In der Tat. Aufgereiht am Straßenrand steht die gesamte luxemburgische Einheit: sechs Männer und eine Frau. Von Verteidigungsministerin Backes und General Thull gibt es einen Handschlag und Weihnachtsgeschenke aus der Heimat. Ein Foto, dann beginnt die Führung.

Der Sinn und Zweck dieser Einheit ist es, zu trainieren, bereit zu sein für die NATO-Übungen, aber auch für den Ernstfall

Steve Thull, Generalstabschef der luxemburgischen Streitkräfte

Luxemburg als Mittler

Die sogenannte „Enhanced Forward Presence“ der NATO wurde 2016 beim Gipfel in Warschau beschlossen, ein Jahr später wurden vier Kampfgruppen in Bataillonsgröße geschaffen: in Estland, Lettland, Litauen und Polen. Als Grund für den Ausbau ihrer Präsenz nennt die NATO Russlands aggressives Verhalten. Im Kreml sieht man wiederum die verstärkten NATO-Truppen an der Grenze der russischen Einflusssphäre als Provokation. Steve Thull erklärt die NATO-Präsenz in Litauen so: „Der Sinn und Zweck dieser Einheit ist es, zu trainieren, bereit zu sein für die NATO-Übungen, aber auch für den Ernstfall.“ Es gehe um „Abschreckung“, darum „zu vermeiden, dass die baltischen Länder angegriffen werden“. Nur so könne Frieden garantiert werden, so der General. Luxemburg ist eines von 32 NATO-Ländern, wenn auch eines der kleinsten. „Wir müssen unserer Größe entsprechend, aber auch verhältnismäßig zu den anderen unseren Beitrag leisten. Deshalb sind wir hier“, sagt der oberste Befehlshaber der luxemburgischen Streitkräfte.

Luxemburgischer Lkw, bereit zum Transport
Luxemburgischer Lkw, bereit zum Transport Foto: Editpress/Julian Dörr

Luxemburgs Rolle in Rukla ist vor allem eine logistische. Man unterstützt das Kampfbataillon, indem man Material wie Munition oder Sprit an die Front transportiert. Die Herausforderung: In multinationalen Kampfgruppen müssen Nationen zusammen funktionieren. Das klingt einfacher, als es in Realität ist. Die Probleme beginnen bei der Sprache und gehen bis zur Kompatibilität des Materials. Auch militärisch beweisen die Luxemburger einmal mehr ihre Qualitäten als Mittler.

Verteidigungsministerin Backes steht vor einem luxemburgischen Lkw in der sogenannten „Temporary Logistics and Support Area“. Hier lagert das Material von Rukla. Tiefe Reifenspuren haben sich in den Erdboden gefressen. Bei um die null Grad Höchsttemperatur sind sie an diesem Tag festgefroren. Es sei ja noch litauischer Sommer, scherzt ein Soldat. Man nimmt Land und Klima hier, wie es ist. Der Atem bildet kleine Wölkchen vor dem grauen Himmel und trotzdem liegen zwei Soldaten auf dem Dach ihres Panzers und rauchen Zigaretten, als ob sie sich in der nicht vorhandenen Sonne räkeln würden. Neben der Ministerin steht einer der sieben Soldaten des Großherzogtums und erklärt die Vorzüge der luxemburgischen Gefährte. Denn diese können – anders als die Fahrzeuge anderer Nationen – nicht nur ihre eigenen Container transportieren, sondern auch die der anderen.

Russland ist ein Imperium, das seit 300 Jahren versucht, seine Nachbarn zu vernichten und zu besetzen

Dovilė Šakalienė, litauische Verteidigungsministerin

Kooperation, ein Wort, das hier über allem steht. Um Backes zu treffen, ist an diesem Tag auch die neue litauische Verteidigungsministerin nach Rukla gereist. Ihr erster offizieller Termin, vereidigt wird sie erst am darauffolgenden Tag. „Kleine Länder in der NATO-Allianz können eine lautere Stimme haben und einen größeren Beitrag leisten, Prozesse zu erleichtern, in denen es nicht vorangeht – vor allem in der Rüstungsindustrie“, sagt die Sozialdemokratin Dovilė Šakalienė. Dort müsse man „gemeinsame Projekte“ vorantreiben. Backes freut sich indes, eine weitere Frau in der Runde der europäischen Verteidigungsminister zu begrüßen. Backes, die auch Diversitätsministerin ist, macht sich in Rukla für mehr Frauen in der Armee stark: „Es ist gut, wenn Frauen auf allen Entscheidungsniveaus eingebunden sind. Ob in der Wirtschaft, der Verwaltung oder der Armee.“ Den höchsten Rang der luxemburgischen Truppen in Litauen bekleidet eine Frau: Sie ist Kommunikationsoffizierin im Stab und verantwortlich für die Kommunikationspläne bei Übungen der gesamten Battlegroup.

Freuen sich auf Kooperation: die beiden Verteidigungsministerinnen Yuriko Backes (r.) und Dovilė Šakalienė
Freuen sich auf Kooperation: die beiden Verteidigungsministerinnen Yuriko Backes (r.) und Dovilė Šakalienė Foto: Armée luxembourgeoise

Wenn es um die Bedrohungslage durch Russland geht, findet dieser Tage kaum jemand so klare und harte Worte wie die Balten. So ist es auch bei Verteidigungsministerin Šakalienė: „Russland ist ein Imperium, das seit 300 Jahren versucht, seine Nachbarn zu vernichten und zu besetzen. Jede Erklärung, dass Russland sich ändern könnte, jede Hoffnung auf ein dauerhaftes Abkommen mit Russland, ist naiv, eine Illusion.“ Wenn der Krieg in der Ukraine jetzt eingefroren würde, so die Litauerin, gäbe man Russland nur die Chance, sich auf den dritten Angriff vorzubereiten, „um die Ukraine zu vernichten – und dann noch weiterzugehen“.

Die Möglichkeit eines russischen Angriffs auf einen NATO-Staat, sie liegt in der Luft von Rukla. Natürlich geht es bei den FLF in erster Linie um Abschreckung. Aber spätestens seit Beginn des vollumfänglichen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine ist auch die Verteidigung in den Fokus gerückt. Was macht das mit den hier stationierten Männern und Frauen? „Angst ist nicht das richtige Wort“, sagt ein deutscher Soldat. Man übe realitätsnah, deshalb sei man hier in Rukla. Selbstverständlich verfolge er die Nachrichten, sagt der junge Mann. Die entfalten hier, in der Nähe der russischen Grenze, noch einmal eine ganz andere Wirkung. Ein anderer deutscher Soldat, Kommandeur eines Leopard-Panzers, lobt die Qualität und die Fähigkeit seines Materials im Vergleich zu dem der „Roten“, wie russische Truppen im Übungssprech der NATO heißen. Er fühlt sich sicher in seinem Panzer.

Zeitenwende in Rukla

Jede Rotation hat ihr eigenes Wappen. Hier: die aktuelle Nr. 15
Jede Rotation hat ihr eigenes Wappen. Hier: die aktuelle Nr. 15 Foto: Editpress/Julian Dörr

Zwischen grauem Himmel, gefrorenem Boden und Kriegsgerät ist die Stimmung ernst. Und doch bereitet man sich auch in Rukla auf die Weihnachtsfeiertage vor. „Der Dienstherr bemüht sich“. Diesen Satz hört man oft an diesem Tag in den Kasernen von Rukla. Wobei Container das passende Wort wäre. Zwei aufblasbare Weihnachtsmänner flankieren den Eingang zum Cafeteria-Container der Battlegroup-Truppen. Drinnen läuft Phil Collins und Meat Loaf, ein Beamer projiziert die letzten Minuten von „Gremlins“ an die Wand, dann beginnt „Versprochen ist versprochen“ mit Arnold Schwarzenegger. Es scheint, als sei die Popkultur zwischen 1985 und 1995 der kleinste gemeinsame Nenner der internationalen Truppe. Auch ein Bücherregal gibt es, große deutsche Klassiker wie Manns „Buddenbrooks“, aber auch Frank Herberts „Dune“ und „Robinson Crusoe“. Ein unwirtlicher, fremder Planet und ein Gestrandeter. „Zu Hause dreht sich die Welt weiter, hier steht alles still“, sagt einer der deutschen Soldaten über seinen Einsatz in Litauen. Um die psychische Belastung so gering wie möglich zu halten, wird deshalb regelmäßig rotiert. Aber auch, weil die 1997 in Paris unterzeichnete NATO-Russland-Grundakte die dauerhafte Stationierung von Truppen an der NATO-Außengrenze verbietet. Die Rotation ist ein juristisches Schlupfloch.

Doch die Zeitenwende, sie ist auch in Rukla angekommen. Die deutsche Bundeswehr ist dabei, ihre Präsenz vor Ort auszubauen. Schon 2027 sollen 5.000 Soldaten in Litauen stationiert sein. Viele davon dauerhaft – mit Infrastruktur für Familien, wie beispielsweise internationale Schulen. Moskau wird das sicherlich nicht gefallen, eine Truppenaufstockung ist in den NATO-Verträgen jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Luxemburg werde in naher Zukunft keine Soldaten dauerhaft in den Einsatz nach Litauen schicken, sagt General Steve Thull. Man habe aber bereits die Rotationszeit auf das Niveau der Deutschen angehoben, von vier auf insgesamt sechs Monate.

Präsenz zeigen: Bundeswehrpanzer auf dem Gelände der „Enhanced Forward Presence“-Battlegroup in Litauen
Präsenz zeigen: Bundeswehrpanzer auf dem Gelände der „Enhanced Forward Presence“-Battlegroup in Litauen Foto: Editpress/Julian Dörr

Die NATO wird stärker. Die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten steigen. Auch Luxemburg will 2030 das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Doch NATO-Generalsekretär Mark Rutte fordert bereits einen noch höheren Beitrag. Früher, so Thull, war die NATO bereit, etwa 40.000 Soldaten umgehend in den Einsatz zu schicken. „Mit dem neuen strategischen Konzept sind wir in der Lage, 300.000 Soldaten direkt einsetzen zu können.“ Eine Verachtfachung. Für den Kriegsfall reiche das trotzdem nicht, sagt der General. In der Ukraine kämpfen auf russischer Seite etwa 600.000 Mann. „Wir brauchen eine entsprechende Zahl auf der anderen Seite.“

Luxmann
13. Dezember 2024 - 18.04

Mit general Thull an der spitze von 7 personen wird das schon klappen...da kommt der feind nicht durch.