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RauschgiftWie ein brasilianisches Kartell an Macht im Kokainhandel gewinnt – bis nach Luxemburg

Rauschgift / Wie ein brasilianisches Kartell an Macht im Kokainhandel gewinnt – bis nach Luxemburg
Findel, Februar 2025: Päckchen von Speisestärke liegen nach dem Fund von mehr als 500 Kilogramm Kokain in aufgereihten Paketen Foto: Zoll

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Der jüngste Rekord-Kokainfund im Frachtbereich des Findel stammte aus Brasilien. Die 508 Kilogramm im Wert von rund 100 Millionen Euro waren zwischen 3,6 Tonnen Tapioka, Speisestärke aus Maniok, versteckt. Zu den Hintergründen eines Milliardengeschäfts.

Es war der bisher größte Drogenfund hierzulande im Bereich der Luftfracht. Der Stoff war auf fünf Paletten verteilt. Die Zollbeamten hatten wegen des „ungewöhnlichen“ Transportweges Verdacht geschöpft. Was „ungewöhnlich“ war, wurde nicht beantwortet. Auch nicht, ob ein Zusammenhang zwischen dem Fund und jenem anderen im vergangenen Monat auf einem Bauernhof bei Bilsdorf im Ösling bestand: Dort waren in einer Straßenbaumaschine etwa 900 Kilogramm Kokain entdeckt worden. Sicher ist, dass nach dem Weltdrogenbericht der Vereinten Nationen der Kokain-Konsum stark zugenommen hat und auch Luxemburg betroffen ist.

Brasilien gehört nicht nur zu den Staaten, in denen am meisten Kokain konsumiert wird, von reinem Stoff bis hin zu den Kokainderivaten wie Crack, sondern ist auch einer der Haupttransitstaaten für das Rauschgift. Im vergangenen Jahr haben Meeresforscher sogar in Haien Kokain festgestellt. Mittels Studien wurde die Substanz im Wasser und anderen Meereslebewesen, etwa in Muscheln, gefunden. Mit Abstand am höchsten war die Konzentration des Stoffs jedoch bei Haien. Experten gehen davon aus, dass das Kokain aus illegalen Laboren ins Meer gespült wird oder über die Ausscheidung von Konsumenten ins Wasser gelangt, oder dass es aus Drogenpaketen stammt, die auf See verloren gingen.

Kokain im Abwasser

Der Nachweis des Konsums von Drogen mithilfe von Abwasseranalysen hat sich bewährt. Bereits vor einigen Jahren führten das „Laboratoire national de santé“ (LNS) und das Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) ein Forschungsprojekt in dieser Hinsicht durch und stellten Rückstände von Arzneimitteln und Rauschgift im Abwasser fest. So verwiesen die Forscher etwa auf Werte von Kokain bei der Kläranlage von Petingen, die deutlich über den Werten von Metropolen wie Paris oder München lagen.

Doch am spektakulärsten sind nach wie vor Beschlagnahmungen durch Zoll und Polizei. Den größten Fang des vergangenen Jahres in dieser Hinsicht machten die brasilianischen Drogenfahnder, als sie mehr als 1,3 Tonnen Kokain in Kisten mit gekühltem Rindfleisch entdeckten. Bei einer Routinekontrolle der Polizei war im Bundesstaat Mato Grosso do Sul ein Kühllastwagen auf dem Weg nach São Paulo aufgefallen. Die weltgrößten Produzenten von aus der Kokapflanze hergestelltem Kokain sind Kolumbien, Peru und Bolivien. Laut Statista hat sich die Produktion in den drei Ländern seit 2010 mehr als verdoppelt. Sowohl den Schmuggel durch Brasilien als auch den Drogenmarkt im größten Land Südamerikas kontrolliert eines der bestorganisierten Kartelle der Welt: das „Primeiro Comando da Capital“ (PCC).

Bisher habe ich nur einmal Bekanntschaft mit dem PCC gemacht. Es war im Frühjahr 2001, als ich für einige Monate Gastredakteur der Folha de São Paulo war. Ein brasilianischer Kollege und ein Fotograf hatten mich zu einem Interview mit einem Ex-Insassen von Carandiru gebracht, dem damals größten Gefängnis Südamerikas. Er hatte eine Gefangenenhilfsorganisation gegründet und war in Konflikt mit dem PCC geraten. Als wir bei seinem Büro ankamen, war die Polizei bereits vor Ort: Die Leiche des Mannes lag unter seinem Schreibtisch. An der Wand standen die Initialen des Kommandos geschrieben – mit dem Blut des Ermordeten.

Einst dominierte der Weg des Kokains von Kolumbien über Mittelamerika in die USA oder über Ecuador nach Europa. Mittlerweile hat nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) die Route über Paraguay, Argentinien oder Brasilien nach Westafrika und weiter nach Europa an Bedeutung gewonnen. Aus den USA kommen viele Waffen nach Brasilien – und in Europa kooperieren kriminelle Organisationen wie zum Beispiel die italienische ’Ndrangheta, aber auch albanische, serbische und nordafrikanische Netzwerke mit dem PCC. In den Produktionsländern beläuft sich der Verkaufspreis auf einen US-Dollar pro Gramm, in Brasilien kostet ein Gramm fünf Dollar, in den USA zwischen 30 und 50 Dollar. In Westeuropa liegt der Preis laut World Drug Report 2023 zwischen 52 (Niederlande) und 94 Euro (Vereinigtes Königreich), in Frankreich bei 66 und in Deutschland bei 75 Euro.

Werden kriminelle Gruppen oder Netzwerke intensiv überwacht, zersplittern sie und zerstreuen sich innerhalb einzelner Länder

Günther Maihold, Experte für Organisierte Kriminalität

„Cockroach“-Effekt

Für die Kokainlieferungen aus Lateinamerika sind die großen Containerhäfen von Rotterdam und Antwerpen die wichtigsten Ziele. In Belgien etwa hat dies eine Spirale der Gewalt zwischen den Banden ausgelöst, die um die Kontrolle des Marktes kämpfen. Außerdem wird von einem sogenannten Cockroach-Effekt gesprochen: „Werden kriminelle Gruppen oder Netzwerke intensiv überwacht, zersplittern sie und zerstreuen sich innerhalb einzelner Länder und über Subregionen hinweg, weil die Akteure nach Zufluchtsorten suchen, an denen sie vor dem Zugriff staatlicher Behörden sicherer sind“, stellt Günther Maihold fest, Experte für Organisierte Kriminalität bei der deutschen Stiftung für Wissenschaft und Politik. Auch Hamburg habe an Bedeutung gewonnen, weiß er und erklärt: „Bei den Hamburger Behörden gibt es begründete Annahmen, dass die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen im Rotterdamer Hafen zu einem Verlagerungseffekt führen.“

Dieser führt auch nach Frankreich. So wurden jüngst zehn Tonnen Kokain im Hafen von Dunkerque beschlagnahmt. Der Gesamtwert wird auf 320 Millionen Euro geschätzt. Die Staatsanwaltschaft in Paris habe „die Verbreitung dieser Information in der Presse“ bedauert, meldete Libération am Mittwoch. Sie erfolge angesichts des zeitlichen Ablaufs der Ermittlungen zu früh, was angesichts der beschlagnahmten Menge umso bedauerlicher ist. Im vergangenen Jahr wurden 53,5 Tonnen Kokain von den französischen Behörden beschlagnahmt, was einem Anstieg von 130 Prozent im Vergleich zu 2023 (23 Tonnen) entspricht. Innenminister Bruno Retailleau gab zu, dass Frankreich mit einer „Überschwemmung“ durch Drogen, einem „weißen Tsunami“, konfrontiert sei.

Derweil wurden im vergangenen Jahr auch deutlich mehr synthetische Drogen beschlagnahmt: mehr als neun Millionen Ecstasy- und MDMA-Tabletten (plus 123 Prozent im Vergleich zu 2023) sowie 618 Kilogramm Amphetamine und Methamphetamine (plus 133 Prozent). Bei Cannabis sind die Zahlen um 19 Prozent rückläufig. Die Beschlagnahmungen hätten nur geringe Auswirkungen auf den Drogenhandel, stellen Experten fest. Sie sind nur ein winziger Teil dessen, was tatsächlich nach Frankreich gelangt und dort im Umlauf ist. Wenn die Polizei in diesem Jahr „sehr gut war, mussten sie 20 Prozent“ der Drogen sichern, „fünf Prozent, wenn sie nicht gut waren, und, wenn sie wie üblich waren, zehn Prozent“, erklärte ein Drogenexperte im Januar gegenüber der AFP.

Unterdessen ist das Risiko des Kokainhandels für das PCC minimal, die Kosten-Nutzen-Rechnung einfach, die Gewinnspanne dementsprechend hoch. Zur Finanzierung des Kokain-Kaufs werden etwa Autos gestohlen, die auf dem Schwarzmarkt in Paraguay landen. Für das Geld wird in Kolumbien, Peru oder Bolivien Kokain gekauft und dann in Brasilien deutlich gewinnbringend weiterverkauft. Seine Ursprünge hat das PCC in São Paulo, wo es von Gefängnisinsassen gegründet wurde, die gegen ihre Haftbedingungen protestierten. Den Kern der Gruppe bildete ein Gefängnis-Fußballteam. Manche Schätzungen gehen von 20.000 Mitgliedern aus, andere von 40.000 oder gar noch mehr.

Geldwäsche im Regenwald

Die Polizei hat zwar aufgerüstet und geht mit Spezialeinheiten gegen die Drogenbanden vor. Aber diese sind oft mindestens einen Schritt voraus und schmieren die korrupten Behörden. Vor allem die Flüsse im Amazonasgebiet dienen als Schmuggelrouten. In einem Kapitel des World Drug Report 2023 geht es um den Zusammenhang von organisierter Kriminalität und Regenwaldzerstörung. Fazit: Erstere wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Denn oft wäscht sie ihr Drogengeld, indem sie Sägewerke, Rinderfarmen oder Goldminen finanziert. Die brasilianische Politikwissenschaftlerin Ilona Szabó de Carvalho vom Instituto Igarapé spricht von einem „narco-desmatamento“, einer Regenwaldzerstörung durch die Drogenmafia.

Ein kleines Waffenarsenal von Drogenhändlern aus Bahia
Ein kleines Waffenarsenal von Drogenhändlern aus Bahia Foto: AFP

Zum Repertoire des PCC gehören neben dem Drogenhandel Banküberfälle, Entführungen, Auftragsmorde, Straßenraub und Einbrüche. Im Mai 2006 inszenierte die Organisation als konzertierte Aktion landesweit Gefängnisrevolten und versetzte São Paulo mit Krawallen tagelang in einen Ausnahmezustand. Einen erfolgreichen Schub brachte dem PCC aber vor allem der Drogenhandel. Merkmale sind die strenge Hierarchie der Organisation und die nicht minder strengen Regeln. Eingeteilt in Sektionen, hat das PCC ein soziales System entwickelt, das für Mieterlass, ärztliche Versorgung, Schulbücher für Kinder und – im Gefängnis – für bessere Haftbedingungen sorgt. Als Gegenleistungen muss man die Aufträge des PCC ausführen und seine Regeln befolgen, die in einem Statut festgelegt sind. Wer die Regeln missachtet, dem drohen harte Sanktionen bis hin zur Todesstrafe.

Neumann Steve
6. März 2025 - 10.33

Irgendwei komesch.Vun do wou den Trump Grenzen zou gemach huet. Fannen mir opeemol esouviel Drogen an esou heicher Quantiteit