Dienstag21. Oktober 2025

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ForumDer Streisand-Effekt: Yves Breistroff über Trump und die Epstein-Affäre

Forum / Der Streisand-Effekt: Yves Breistroff über Trump und die Epstein-Affäre
 Foto: Adam Gray/Getty Images via AFP

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Das Ehepaar Adelman – er ist Fotograf, sie ist Helikopterpilotin – hat 2002 ein Projekt ins Leben gerufen, das die Erosion der Küste Kaliforniens in über 12.000 Fotos dokumentieren soll. Eines der Fotos, Nr. 3850, zeigte das üppige Anwesen der weltbekannten Sängerin, Schauspielerin, Philanthropin und Umweltaktivistin Barbra Streisand. Die beträchtliche Immobilie in Malibu mit ausufernden Dimensionen ist eine Hommage an eine überaus erfolgreiche Karriere. Es geht nicht darum, zu kritisieren, wofür jemand sein wohlverdientes Geld ausgibt, aber dieses imposante Herrenhaus passt nicht zu jemandem, der sich seit Jahren für die Notwendigkeit einsetzt, dass andere ihren Kohlendioxid-Fußabdruck reduzieren. Frau Streisand verklagte das Ehepaar Adelman im Jahr 2003 auf Schadensersatz in Höhe von 50 Millionen US-Dollar, um besagtes Foto aus der Kartei zu löschen. Bis dahin wurde es insgesamt sechsmal heruntergeladen, davon zweimal von ihren Anwälten. Das Foto, das bis dahin niemanden interessierte, zog von einem Moment zum anderen alle Blicke auf sich. Die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der internationalen Presse, weckte großes Interesse und verbreitete sich viral in den Medien. Sie wurde millionenfach geklickt. Fortan war der Streisand-Effekt geboren.

Als Streisand-Effekt wird das soziologische Phänomen bezeichnet, bei dem der Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken, das Gegenteil bewirkt, indem ein ungeschicktes Vorgehen öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt und das Interesse an der Verbreitung der Information deutlich steigert. (Wikipedia) (Soweit ich weiß, ist der Titel des 2010er-Ohrwurms von Duck Sauce rein zufällig gewählt.)

Nichts zugeben, alles abstreiten

Etwa 22 Jahre später erlebt Donald Trump mit seinem Epstein-Skandal den gleichen Effekt. Seit Jahren glaubt man, Teflon-Don entkäme jedem Skandal. Von den Hollywood Tapes, seinen sechs Pleiten, dem Fremdgehen bis zu den endlosen Lügen, immer handelt er stets nach gleichem Schema: Nichts zugeben, alles abstreiten, Gegenvorwürfe erheben, mit Klagen drohen, Erpressung derer, die ihn schützen. Alles ist Schwindel, alles ist ein Hoax. Die Fake-News, die bösen Medien und die Demokraten, die grundlos hinter ihm her sind, die ihn völlig zu Unrecht schlechtmachen, weil sie ihn fürchten, weil er sich für den kleinen Mann einsetzt, der von den Demokraten verraten wurde. Und leider kam er immer damit durch. Dass ein zweifach impeachter Präsident, der wegen Steuerhinterziehung und mehrfacher Vergewaltigung verurteilt wurde, überhaupt noch einmal zurückgewählt wurde, zeugt von seiner scheinbar unerschöpflichen Überzeugungskraft, die Leute von seiner Mission, Amerika wieder „great“ zu machen, am Ball zu halten. Er, der gescheiterte Businessmann aus Queens, der sich weigert, Rechnungen zu zahlen, und bereits in den 90ern bekannt dafür war, seine Unternehmungen zugrunde zu richten, sollte plötzlich dem kleinen Amerikaner Hoffnung auf ein besseres Leben geben. Die Diskrepanz zwischen der Realität und dem in elf Staffeln von „The Apprentice“ verbreiteten Image des erfolgreichen Milliardärs, reicht vom Marianengraben bis zur Spitze des Mount Everest.

Ehrlich, vertrauenswürdig, glaubhaft und rechtschaffen – das sind Attribute, die Donald Trump nie besaß. Er kann seine Impulse nicht kontrollieren, was dazu führt, dass er meist end- und zusammenhanglose Tiraden auf „Truth social“ postet und auch sonst öffentlich erratisch agiert. Ein Beispiel ist die Ankündigung stumpfsinniger Einfuhrzölle, die den amerikanischen Verbraucher strafen. Innerhalb einer Woche traf er 165 neue Zollregelungen, weshalb er den Spitznamen „Taco-Trump“ erhielt.

Trump ist ein Psychopath. Und zwar ein narzisstischer. Außerdem ist er paranoid. Das ist meine Meinung. Rache und Hass sind die Triebfedern. Er hat kein Gewissen. In seiner Wahrnehmung ist nichts, was er tut, schlecht, was dazu führt, dass er nicht aus seinen Fehlern lernen kann. Er leidet unter Verfolgungswahn und ist überzeugt, dass die Demokraten sein Land verraten und verkauft haben. Seine Basis kauft ihm das ab, glaubt ihm und sieht ihn im religiösen Sinn als Messias, Retter und Erbringer des amerikanischen Traums.

„Hört auf, davon zu reden“

Doch nicht dieses Mal. Dieses Mal wendet sich das Blatt – und seine Basis ab. Was Epstein gemacht hat, weshalb Ghislaine Maxwell im Gefängnis sitzt, das wird nicht von ihm abprallen. Das Teflon bröckelt ab und Trump merkt, dass er seiner Partei und seiner Basis ausgeliefert ist, um wegzusehen. „Hört auf, davon zu reden“, befahl er ihnen. Er, der jahrelang nach Barack Obamas Geburtsurkunde gefragt hat und bei jeder Gelegenheit Hillary Clintons E-Mails und Hunter Bidens Laptop ins Gespräch brachte, beordert plötzlich seine Basis zum Schweigen und Vergessen wegen Verjährung und ignoriert dabei den Streisand-Effekt.

Je mehr er darum bettelt, nicht hinzusehen, umso interessanter wird es. Was hat er zu verheimlichen? Was steckt in den 1.000en Seiten, Tonaufnahmen und Fotos der Epstein-Akten? Was kann so belastend für Trump sein, dass er seiner Basis, die ihn vergöttert, die ihm bisher jedes Mal den Kopf aus der Schlinge gezogen haben, nicht vertraut? Was kann so schlimm sein? Diesmal ist es ernster. Es geht um hunderte Mädchen, die in teils minderjährigem Alter, von älteren, machtsüchtigen Kerlen zu Dingen gezwungen wurden, die niemand vergessen kann. Auf Netflix läuft eine Doku-Serie über Jeffrey Epstein: Stinkreich. Der Inhalt ist hart und für Zartbeseelte ungeeignet. Die Mädchen haben Gerechtigkeit verdient – vor allem, weil sie ihr Trauma ein Leben lang begleiten wird. Der amerikanische Präsident hat mitgemacht und versucht, die Tat zu vertuschen. Das war der eigentliche Grund, weshalb er sich noch einmal zum Präsidenten wählen lassen musste. Es ging um Immunität. Alle, die ihm dabei geholfen haben, hätten wissen müssen, wer er ist und was seine Agenda ist. Elon Musk hat 150 Millionen Dollar für Trumps Wahlpropaganda gespendet und es später bereut – zu spät. Das Rampenlicht reicht nicht für zwei Narzissten. Herr Musk rächt den Verlust der CO₂-Kredite für Elektroautos mit einem Tweet über Trumps Vergangenheit mit seinem pädophilen Kumpel Epstein.

Diese Affäre wird Folgen haben. Und zwar lange. Wenn alles ans Tageslicht kommt, wird es hoffentlich das Ende der chaotischen Ära Trump bedeuten. Er kann den Iran angreifen und Jerome Powell entlassen. Er kann abstreiten, mit Jeffrey Epstein befreundet gewesen zu sein, von einer Hexenjagd sprechen und die rachsüchtigen, korrupten Demokraten angreifen. Aber seine Glaubwürdigkeit bei seiner Basis erodiert. Dieses Monster, das er jahrelang ernährt und geheim gehalten hat, wächst und ist selbst für Teflon-Don unbesiegbar.

Barbra Streisand kann sich entspannt an ihrem Pool zurücklehnen und den Rest ihres hoffentlich langen Lebens genießen.

Yves Breistroff ist im Versicherungswesen tätig und leidenschaftlicher Beobachter der US-Politik und globalen Finanzwelt
Yves Breistroff ist im Versicherungswesen tätig und leidenschaftlicher Beobachter der US-Politik und globalen Finanzwelt Foto: privat
John G.
26. Juli 2025 - 19.01

Man kann nur hoffen, daß Herrn Breistroffs Erwartungen erfüllt, und diesem jegliche Unflätigen aller Länder vereinigenden Psychopathen die Thronbeine endgültig abgesägt werden, bevor er seine Macht im Familienklan verewigt.

JJ
26. Juli 2025 - 16.54

Die Akte JFK kam für 75 Jahre unter Verschluss. Warum wohl!?
Die "Bommeleeër -Affäre" ist nicht aufgedeckt. Warum wohl?

Hottua Robert
25. Juli 2025 - 17.05

Die Gründung der im Dezember 1944 aus dem Kreis der mächtigen Evangelisten des (dekalogfreien, traumaerzeugenden) Tatkatholizismus hervorgegangenen CSV ist wohl auch auf ein dringendes und mächtiges Immunitätsbedürfnis zurückzuführen. Das soziologische Phänomen des "CSV-Effektes" muß wissenschaftlich aufgeklärt werden. MfG, Robert Hottua, Opfer dieses Effektes