DeutschlandDer SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei „Brigitte Live“

Deutschland / Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei „Brigitte Live“
Olaf Scholz spricht bei der Gesprächsreihe „Brigitte Live“ Foto: dpa/Christophe Gateau

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Seine persönlichen Umfragewerte sind auf Augenhöhe mit der Konkurrenz, die der SPD hingegen nicht. Dennoch zeigte sich ein gut gelaunter Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Mittwochabend optimistisch, die Nachfolge Angela Merkels antreten zu können. Eine stichhaltige Begründung für die Zuversicht blieb Scholz schuldig. Dafür bot er seltene emotionale Einblicke – und kündigte kostenpflichtige Tests für Ungeimpfte an.

Immer wieder dieses verschmitzte Lächeln. Die Augen zusammengekniffen, eingerahmt von Lachfalten und ernsten Augenbrauen, der Mund ein freundlicher Strich. Scholzig? Schlumpfig? Na und? Olaf Scholz ruht in sich selbst. Sagt er mehrfach. Er will menscheln an diesem Abend, das ist dem sonst so ernsten und kühlen Mann anzumerken. Und die Gesprächsreihe „Brigitte Live“ ist dafür die richtige Bühne.

Die Chefredakteurin der Zeitschrift, Brigitte Huber, und Meike Dinklage, Ressortleiterin Zeitgeschehen, fragen Scholz nicht danach, mit welcher Bündniskonstellation er überhaupt gedenkt, Kanzler werden zu können. Keine Frage danach, wie er es endlich schaffen will, die wie mit Blei beschwerte SPD aus dem Umfragekeller zu hieven. Scholz sagt nur, dass es ihn berühre und mit Demut erfülle, dass ihm viele Menschen die Kanzlerschaft zutrauen würden.

In der aktuellsten Umfrage sieht Forsa ihn bei der Wählerpräferenz im direkten Vergleich mit Unionskandidat Armin Laschet und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nahezu gleichauf (18, 17 und 19 Prozent), 45 Prozent der Befragten wollen aber lieber keine der genannten Personen im Kanzleramt. In anderen Umfragen sind Scholz’ Beliebtheitswerte wesentlich höher. Doch die miesen 15 bis 17 Prozent für seine Partei erwähnt er nicht. Warum auch, wenn er nicht damit genervt wird? Stattdessen führt Scholz lieber aus, welchen Plan er für Deutschland hat. Gerechter soll es zugehen, insbesondere für die arbeitende Mitte, mehr Klimaschutz und – da wird Scholz richtig leidenschaftlich – viel mehr Stromtrassen und grüne Energie, als es nach seiner Darstellung mit der Union möglich war. Auch bewertet Scholz das Urteil zum „Cum-Ex“-Skandal, von dem er als einstiger Erster Bürgermeister Hamburgs wegen Geschäften mit der Warburg Bank betroffen war, als „großartigen Tag für Deutschland“. Der Staat hole sich das Geld jetzt wieder, es gebe jetzt eine harte Grundlage, um gegen den Steuerbetrug vorzugehen.

Seine Frau brachte ihn zum Laufen

Doch eigentlich geht es an diesem Abend um ihn als Person. Und eigentlich ist es ja das, was vielen Wählerinnen und Wählern bislang ein Rätsel ist. Was für ein Typ ist dieser Olaf Scholz eigentlich? Er joggt am liebsten ohne Musik und würde gern länger schlafen, als der Job das zulässt, sagt er. Scholz zeigt häufiger als sonst Selbstironie, als er davon berichtet, dass er vor etwa 20 Jahren kaum zwei Runden in einem kleinen Hamburger Park rennen konnte. Als die „Brigitte“-Redakteurinnen ihm später ein Bild von sich aus dieser Zeit zeigen – deutlich mehr Haare auf dem Kopf und erkennbar mehr Pfunde am Körper –, wird er jedoch etwas schmallippiger. Er habe sich die Haare schon früher abschneiden sollen, sagt Scholz. Doch er gibt preis, dass es seine Ehefrau, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), gewesen sei, die ihn zum Laufen gebracht habe. Früher sei er unsportlich gewesen, heute mache es ihm Spaß, sagt Scholz. „Und ich denke eigentlich auch nicht viel über irgendwelche Sachen nach.“ Er ruhe ja ohnehin ziemlich in sich und müsse das Laufen nicht nutzen, um zur Ruhe zu kommen. Ihm tue es körperlich gut.

Mein Leben ist anders verlaufen als meine innere Uhr

Olaf Scholz

Britta Ernst sei auch die Frau, die ihn am meisten geprägt hätte, sagt Scholz. „Ich glaube, dass ich ein ganz anderer Mensch wäre, wenn ich nicht mit Britta Ernst verheiratet wäre“, so der Vizekanzler. Seine Frau sei eine großartige Politikerin. Ungemütlich wird die Plauderrunde kurz, als ihn Meike Dinklage danach fragt, ob seine Frau weiterarbeiten würde, wenn er Kanzler würde. Die Frage empöre ihn, sagt Scholz und schaltet blitzschnell um auf harte Front. Es sei wichtig, dass beide Partner eine eigene Laufbahn hätten, nicht abhängig voneinander seien. Es müsse sich bei der Gleichstellung noch viel tun, wenn solche Fragen überhaupt erörtert werden, mahnt Scholz. Ganz am Ende der Veranstaltung wird sich Meike Dinklage für die „dusseligste Frage“ entschuldigen und Scholz für seine Antwort loben. Doch bis dahin darf er noch viele weitere Einblicke ins Private loswerden. Langschläfer sei er, sagt Scholz. Schlafen könne er gut und fest – aber häufig nicht genügend. „Mein Leben ist anders verlaufen als meine innere Uhr.“ Seine Frau dagegen sei Frühaufsteherin – als Rentner werde er wahrscheinlich zum Frühstück kommen, wenn seine Frau zu Mittag esse, sagt Scholz.

Und auch seine schmerzhafteste Niederlage gibt er preis. Es sei die Gewalt beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg gewesen, die ihn bis heute nicht loslasse. Er habe damals als Bürgermeister die Bürger der Stadt nicht so schützen können, wie er es sich vorgestellt habe. Auch mit viel Erfahrung sei man nicht fehlerfrei, so Scholz. An anderer Stelle sagt er, er sei selbstkritischer als manche denken würden. Und er habe Emotionen. „Aber ich bewerbe mich als Kanzler, nicht als Zirkusdirektor“, so Scholz.

Schnelltests sollen kostenpflichtig werden

Er sei immer gerne Anwalt für Arbeitsrecht gewesen und er habe sich bis heute eine Rückkehr in die Kanzlei als Alternative zur Politik offengehalten. Aber Scholz lässt keinen Zweifel daran, dass er Kanzler werden will. Und sonst über keine anderen Pläne nachdenkt.

Bis zur Wahl gilt es für ihn jedoch auch noch, als Vizekanzler Tagespolitik zu machen, etwa wenn es um neue Bestimmungen für Reiserückkehrer und die Teststrategie geht. Und da wird Scholz konkreter: Ungeimpfte Erwachsene sollen nach seinen Worten die Kosten für Corona-Schnelltests etwa vor dem Besuch von Veranstaltungen künftig selbst tragen. Es gelte nun, einen „Zeitpunkt in naher Zukunft“ zu finden, ab wann das gelten solle, sagt er. Es sei nicht einsehbar, dass der Staat weiter die Kosten übernehme, wenn es die „bessere Alternative des Impfens“ gebe, so Scholz. Für Schüler solle das aber nicht gelten.

Scholz wirbt in dem Zusammenhang noch einmal vehement für die Impfungen. Er jedenfalls sei doppelt geimpft. Und er habe sich doch auch nicht zu einem Alien entwickelt, sagt er. Dann lächelt er wieder sein scholziges Lächeln.