Die 19. Architekturbiennale in Venedig schreibt sich Nachhaltigkeit, Partizipation und (Künstliche) Intelligenz auf die Fahnen. Der luxemburgische Pavillon mit dem Titel „Sonic Investigations“ wurde am vergangenen Donnerstag in Anwesenheit von Kulturminister Eric Thill (DP) eingeweiht und präsentiert sich als dunkler Raum mit immersivem Klangerlebnis.
Die Welt intelligent bauen und dabei auf die Intelligenz der Erde hören, das machen „Intelli-Gens“, intelligente Leute – so soll sich das von Kurator Carlo Ratti ausgerufene Leitmotiv der Architekturbiennale „Intelligens. Natural.Artificial.Collective“ erklären. Die Ernennung von Ratti zum neuen Direktor der Biennale wirft die Frage auf, wie sich die maßgeblich rechtsextreme Regierung Italiens auf die wichtigste internationale Architekturveranstaltung auswirken wird … Am Donnerstagabend hörte man in den Gassen Venedigs Jubelschreie und anhaltendes Glockengeläute. Ein neuer Papst ward gefunden. Ähnlich wie bei der Zukunftsmusik im Vatikan stellt sich bei Ratti als Impulsgeber der Biennale die Frage nach deren (Neu-)Ausrichtung.*
Rund 750 Teilnehmer*innen und 300 architektonische Projekte sind ab diesem Samstag und noch bis zum 23. November auf der Architekturbiennale zu sehen.
„Buildings as smart as a tree“
Die Lagunenstadt wird somit zu einem lokalen Modell, das im globalen Maßstab interpretiert werden könne. „Durch Funktionen, Symbole und Beziehungen erzeugt diese Intelligenz Architekturen, die von ethischen, ästhetischen und ökologischen Prinzipien geleitet werden.“ Kurator Ratti stellt die Frage: „Werden wir irgendwann in der Lage sein, ein Gebäude zu bauen, das so intelligent wie ein Baum ist?“
Das Leitmotiv „Intelligens.Natural.Artificial.Collective“ setzt auf verschiedene Typen der Intelligenz, natürlich auch die künstliche, und soll teilnehmende Forscher*innen aller Disziplinen zusammenführen, um die gebaute Umwelt neu zu denken. Der Klimawandel wird beim Betreten der Arsenale-Werkhallen eindrücklich vorgeführt. Propeller von Klimaanlagen erzeugen hier eher dicke Luft, sodass man schwer atmen kann. Der Gang durch den aufgeheizten Raum wird so zu einem regelrechten Alptraum.
24 Stunden Luxemburg in Klängen
Sonic Investigations
Die Ausstellung „Sonic Investigations“ von Valentin Bansac, Mike Fritsch & Alice Loumeau mit Ludwig Berger & Peter Szendy, ist vom 10. Mai bis zum 23. November im Arsenale, Sale d’Armi, erstes Stockwerk zu sehen.
Der von Kultur LX – Arts Council Luxembourg und dem LUCA – Luxembourg Center for Architecture im Auftrag des Kulturministeriums von Valentin Bansac, Mike Fritsch und Alice Loumeau kuratierte luxemburgische Pavillon präsentiert dieses Jahr einen ausgefallenen Beitrag. „Sonic Investigations“ ist eine eindringliche Einladung, den Fokus vom Visuellen auf das Klangliche zu verlagern. „In unserer bildübersättigten Gesellschaft verdrängt das Sehen oft andere Sinne, die für das Verständnis der unsichtbaren Dynamik unserer sensorischen Beziehung zur Umwelt von entscheidender Bedeutung sind“, liest man. Die Besucher:innen betreten im Pavillon einen großen verdunkelten Raum mit senkrechten roten Stangenlampen, in dem sie sich hinlegen, die Augen schließen und in die Klänge des Großherzogtums eintauchen können: 24 Stunden Luxemburg in Klängen.

Der für Luxemburg charakteristische Lärm durch Flugzeuge, den jeder, der etwa in Bonneweg lebt, kennt, das Fließen von Gewässern, wie der Alzette oder ländliche Geräusche wie Gänsegeschnatter; daneben Klänge technischer Artefakte von Windrädern oder Speicherzentren bis hin zu normalerweise nicht wahrnehmbaren Lauten elektromagnetischer Felder. Diese zeigen die Vielfalt der Region, die von biologischen und anthropogenen Lebewesen ausgehen, und fügen sich in die Klanglandschaft des Anthropozäns ein. „Wir haben versucht, herauszufinden, wie man über Geräusche Luxemburg erforschen kann, und uns gefragt, wie wir über Töne das Land erforschen können“, so der Künstler Mike Fritsch, einer der Kuratoren des Pavillons, am Rande der Eröffnung.
Akustischer Gegenentwurf zur Bilderflut
Inspiriert von John Cages Lied 4’33“ lädt „Sonic Investigations“ dazu ein, die Augen zu schließen und zuzuhören. So ergeben sich durch den Akt des Zuhörens neue Möglichkeiten, sowohl die gebaute als auch die natürliche Umwelt zu erforschen und die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, auch nicht-menschlichen Akteuren eine Stimme zu geben.
Das Projekt untersucht die Landschaft durch das Medium des Klangs und zielt darauf ab, neue Erzählungen zu entwickeln, die Luxemburg jenseits anthropozentrischer Perspektiven neu denken. Der Klang ist ein Spannungspunkt, der alternative Möglichkeiten der Raumwahrnehmung hörbar bewusst macht. Am Ende dieser Erfahrung im verdunkelten Raum lädt ein Tisch zum Vertiefen in Literatur über die Erforschung von Klängen.
Luxemburgischer Pavillon als immersiver Raum
„Man denkt nicht direkt an Architektur, wenn man da hereinkommt. Es ist aber eine innovative Herangehensweise, um Architektur zu leben – nicht nur über das Visuelle, sondern über das Ohr, den Klang, wie man sich Räume vorstellen kann. Eine ganz andere Art, einen anderen Blickwinkel, wo wir uns aber in Luxemburg damit auseinandersetzen, wie verschieden unsere Regionen sind, auf eine ganz flotte, immersive und innovative Weise gezeigt wird und wo man sich relaxt 15 bis 20 Minuten aufhalten kann“, so Kulturminister Thill im Gespräch bei der Eröffnung.

Frühere Beiträge wie etwa „Tracing Transitions“ (2016), das für den luxemburgischen Pavillon zur 15. Architekturbiennale realisiert wurde, damals noch im alten Ca’ del Duca, der zwar etwas abseits des Ausstellungsgeländes lag, dafür aber glamourös mit dem Boot erreicht werden konnte, wiesen vielleicht unmittelbarer auf Wohn-, Siedlungs- und Planungsprobleme in Luxemburg hin. Der diesjährige Beitrag „Sonic Investigations“ in der Sale d’Armi auf dem Gelände der Arsenale ist hingegen ein stiller Kommentar, ein Statement gegen das unbewusste ständige Rauschen, der feineres Gespür verlangt und damit zugleich auf einer theoretischen Ebene offener ist. Indem die Künstler:innen Valentin Bansac, Ludwig Berger, Anthea Caddy, Mike Fritsch, Alice Loumeau und Peter Szendy eine Klangkulisse Luxemburgs schaffen, führen sie den Besucher:innen vor, wie das Großherzogtum über das Gehör anders zu entdecken und bislang Nichtgehörtem eine Stimme zu geben wäre.
Die Frage an den Kulturminister, welche Impulse er von der diesjährigen Architekturbiennale mitnehme für die Herausforderungen, die sich in der Zukunft fürs Bauen in Luxemburg stellen, beantwortete Eric Thill fast musterhaft: Beim Gang über die Biennale habe er viele Beispiele gesehen, „nachhaltiger zu denken, zu urbanisieren und zu bauen, sodass man wirklich auf die hören sollte, die dazu die Kompetenz haben“. Er nehme mit, dies auch für Luxemburg umzusetzen, wo „wir ganz klar ein Logement-Challenge haben“. Da stehe die Politik in der Verantwortung. Ob sein Parteikollege, Wohnungsbauminister Claude Meisch dieses Bekenntnis wohl auch „mitnehmen“ wird?
* Dieser Frage wird nächste Woche in einem weiteren übergeordnetem Beitrag über die Architekturbiennale in Venedig nachgegangen.

De Maart
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