Montag22. Dezember 2025

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E Bléck duerch d’LënsDer Priester Robert Alesch – ein luxemburgischer Verräter in Priesterrobe

E Bléck duerch d’Lëns / Der Priester Robert Alesch – ein luxemburgischer Verräter in Priesterrobe
Porträt von Robert Alesch Quelle: Wikimedia Commons

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Der Luxemburger Priester Robert Alesch unterwanderte in Frankreich als Doppelagent französische Widerstandsgruppen und verriet diese an die deutschen Besatzer. Er war mitverantwortlich für die Verhaftung etlicher Widerstandskämpfer*innen, u.a. die von Germaine Tillion, und wurde dafür nach dem Krieg zum Tode verurteilt und hingerichtet. Wer war dieser Geistliche, der allem Anschein nach ohne Rücksicht auf Menschenleben mit dem NS-Regime kollaborierte? 

Robert Alesch kam am 6. März 1906 als zweites Kind von Jean und Catherine Alesch-Wilhelm in Aspelt zur Welt. Er besuchte von 1920 bis 1926 das Gymnasium „Athénée“ in Luxemburg-Stadt. 1928 trieb Jean Alesch seine Familie durch schlechte Geschäfte fast in den finanziellen Ruin. Das prächtige Hofgut „Steinborn“ in Heffingen wurde verkauft. Sie zogen daraufhin in eine Villa nach Luxemburg-Pulvermühle.

Werdegang eines Priesters

Nach seinem Abschluss begann Robert Alesch mit dem Studium der Theologie im schweizerischen Freiburg, was er 1930 im Seminar von Luxemburg und der Schweiz fortsetzte. Am 12. März 1933 wurde er im schweizerischen Chur zum Priester geweiht und nahm zwei Jahre später eine Stelle als Hilfsvikar im französischen Saint-Maur-des-Fossés an. Später wechselte er in die Pfarrkirche von La Varenne Saint-Hilaire bei Paris. Es ist anzunehmen, dass er dort am 22. Juni 1940 den Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich erlebte. 

Priester und V-Mann

In seinen Predigten sprach sich Robert Alesch offen gegen den Waffenstillstand und den Nationalsozialismus aus. Doch gleichzeitig nahm er mit dem deutschen militärischen Geheimdienst, der Abwehr, genauer der Abteilung III F: „Abwehr Ausland“, Kontakt auf. Die Abteilung III war u.a. für Spionageabwehr, Sabotage und die Bekämpfung von Landesverrat zuständig. Ihr Leiter in Frankreich, Oscar Reile, stellte Alesch als Vertrauensmann (V-Mann) ein.

Als Priester genoss er ein hohes Ansehen bei der Bevölkerung und konnte problemlos die Demarkationslinie zwischen der besetzten und der unbesetzten Zone Frankreichs passieren. Da er zudem vier Sprachen sprach, wurde Alesch mit der Aufgabe betraut, sich über die Stimmungslage der Vichy-Regierung gegenüber den deutschen Besatzern zu erkunden. 1941 erhielt Alesch den Auftrag, den französischen Widerstand zu unterwandern und Informationen an die Abwehr zu liefern.  

Doppelagent im französischen Widerstand

Mit unterschiedlichen Decknamen wie „Jean Acrenin“ oder „George Lambert“ begann Alesch, sich 1941 und 1942 in mehrere Widerstandsnetzwerke sowie in den britischen Spionagedienst SOE in Paris und Lyon einzuschleusen. Trotz seines deutschen Akzents, den Alesch auf seine vermeintlich elsässisch-lothringische Herkunft zurückführte, gewann er das Vertrauen führender Widerstandskämpfer*innen, darunter Jacques Legrand, Virginia Hall und Germaine Tillion. Im August 1942 denunzierte Alesch die Gruppen um Tillion und Legrand an die Abwehr, woraufhin zahlreiche Mitglieder verhaftet wurden.

Nach dem Krieg schilderte Germaine Tillion den Moment ihrer Verhaftung. Kurz nachdem sie sich von Alesch verabschiedet hatte, wurde sie gefasst: „Au moment où Alesch m’a tendu la main […] j’avais été étonnée, inquiétée, agacée par l’expression de joie intense qui se lisait dans ses yeux […]. Quelques secondes plus tard on m’a touché le coude en disant ‚Police allemande, suivez-nous …’“ Über das Gefängnis von Fresnes nahe Paris wurde Tillion am 21. Oktober 1943 als sogenannter „Nacht und Nebel“-Häftling ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Insgesamt war Alesch für die Zerschlagung von acht Widerstandsgruppen in Paris und Lyon mitverantwortlich.

Anfang 1943 erhielt er von Reile neue Anweisungen für einen Einsatz in der Normandie, wo er nochmals 34 Widerstandskämpfer*innen aus sechs bis sieben Gruppen an die Abwehr verriet. Davon wurden 28 Personen in Konzentrationslager deportiert oder hingerichtet. Erst mit der Landung der Alliierten in der Normandie, am 6. Juni 1944, und deren schnellen Vorstoß durch Frankreich sah sich Robert Alesch gezwungen, aufzuhören und unterzutauchen. Am 2. Juli 1945 wurde er jedoch in Rhode-Saint-Genèse, in der Nähe von Brüssel, unter falschem Namen (René Martin) von einer US-Spezialeinheit, dem „Counter Intelligence Corps“, verhaftet.  

Prozess und Hinrichtung

Was trieb einen luxemburgischen Geistlichen an, einen derartig kaltblütigen Verrat zu begehen? Die Person Robert Alesch ist kaum zu fassen, da seine Aussagen nach dem Krieg oft widersprüchlich und von Lügen durchzogen waren. Seine Motive waren wohl das Streben nach Geld und Macht. Es ist erwiesen, dass Alesch für seine Dienste von der Abwehr hohe Geldsummen erhielt. Insgesamt verdiente er pro Monat zwischen 22.000 und 25.000 französische Franken (FF). Zudem gelang es ihm, durch ein Lügengebilde mehrere 100.000 FF vom Widerstand zu unterschlagen – angeblich, um seine „eigenen“ Widerstandsaktivitäten zu finanzieren. Er lebte auf großem Fuß in Paris in Gesellschaft von Frauen, wahrscheinlich Prostituierten, und hatte Beziehungen mit gleich zwei Frauen, Renée Andry-Martin und Geneviève Cahn-Guillemin.

Am 24. Mai 1948 wurde Robert Alesch mit seinen beiden Geliebten in Frankreich vor Gericht gestellt. Trotz der erdrückenden Beweislage verweigerte er mehrmals seine Aussage und verstrickte sich in Lügen und Ausflüchte. Drei Tage später wurde Renée Andry freigesprochen und Geneviève Cahn zu 18 Monaten Haft sowie zur „dégradation nationale“ verurteilt. Robert Alesch wurde zum Tode verurteilt. Die letzten acht Monate seines Lebens verbrachte er im Gefängnis von Fresnes – der gleichen Haftanstalt, in der er früher als „Beichtvater“ für zahlreiche Widerstandskämpfer*innen tätig war.

Am 25. Januar 1949 wurde Alesch in den frühen Morgenstunden im Fort de Montrouge standrechtlich erschossen. In einem im Juni 1997 veröffentlichten Interview mit Germaine Tillion kommentierte sie die Hinrichtung von Robert Alesch folgendermaßen: „Il a été fusillé. Et bien que je sois contre la peine de mort, j’avoue que je ne peux pas me lamenter sur sa condamnation.“  

Quellen- und Literaturnachweis

ANLux: CT-03-01-08735; CNR-019-A; National Archives London: Military Intelligence, section 5, Kew, KV-2-166; KV-2-1312, Literatur: Lorraine De Meaux, Germaine Tillion. Une certaine idée de la résistance, 2024; Vincent Nouzille, L’espionne Virginia Hall une Américaine dans la guerre, 2007; Guy Wagner, Doppelleben: Robert Alesch, Geistlicher und Denunziant: Samuel Beckett, Schriftsteller und Résistant, 2015; Thierry Marchant, L’affaire Alesch à Lisieux, in: Bulletin de la société historique de Lisieux 96 (2023), S.139-156 ; Germaine Tillion, La Traversée du mal: entretien avec Jean Lacouture, 2004. 

Die Serie

In der Rubrik „E Bléck duerch d’Lëns“ liefern die Historiker*innen André Marques, Julie Depotter und Jérôme Courtoy einen facettenreichen Blick auf verschiedene zeitgeschichtliche Themen. Diesmal mit einem Gastbeitrag von Joanne Becker. 

Konferenz

Das „Musée national de la Résistance et des droits humains“ veranstaltet am 3. Juli 2025 um 19.30 Uhr eine Konferenz mit den Historiker*innen Joanne Becker, Julien Blanc und Fabrice Grenard zum Thema „Robert Alesch: Un traître luxembourgeois en robe de prêtre“.

Adolf
20. Juni 2025 - 15.18

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