Kaffee hat eine belebende Wirkung. Für Millionen Menschen bedeutet er Überleben. Etwa in Brasilien, dem mit Abstand größten kaffeeproduzierenden Land der Welt. In den vergangenen anderthalb Jahren wurden die mindestens 287.000 brasilianischen Farmer schwer gebeutelt: unter anderem von der schlimmsten Dürre seit gut 70 Jahren. Hinzu kamen Waldbrände, die die Kaffeekulturen zerstörten. Auf die Trockenheit folgte vielerorts Starkregen. Nicht wenige Pflanzen erkrankten.
So etwa in Caconde, einer kleinen Stadt im Bundesstaat São Paulo, die zur Region Alta Mogiana gehört und an der Grenze zum Nachbarstaat Minas Gerais liegt. In der Höhe von 800 bis 1.100 Metern über dem Meeresspiegel gedeihen wegen des vulkanischen Bodens und des milden Klimas besonders erlesene Kaffeesorten. Von den Bränden vor einem Jahr waren etwa 50 Farmen in der Gegend betroffen. „Ich habe zwischen 8.000 und 10.000 Kaffeebäume verloren“, sagt Helio Moreira de Araújo. „Wir hatten mit einer Ernte von 500 bis 600 Säcken gerechnet, doch die Hälfte davon ist verbrannt.“
Klimawandel und Börsenbeben
Viele Kaffeefarmer der Region lebten bereits vorher unter prekären Bedingungen. Fast 600 Hektar seien durch die Brände zerstört worden, weiß Silvio Almeida. Von den gestiegenen Kaffeepreisen profitieren Farmer wie er kaum. Ihre Ernte ist um bis zu 30 Prozent gesunken. Dies sei schon nach den sechs Monaten Trockenheit und aufgrund der schlechten Blüte abzusehen gewesen, sagen die Experten. Die Mehrheit der Farmen sind kleine Betriebe. Für sie ist die Situation existenzgefährdend. Zum Extremwetter sind die Kapriolen auf dem Weltmarkt hinzugekommen. Heute sind es vor allem der Klimawandel und die massiven Spekulationen an den Börsen von New York und London.

Eine der Ursachen für die drastischen Preissteigerungen ist der Klimawandel. Die Explosion des Kaffeepreises ist jedoch nur zum Teil auf das Extremwetter in den Anbauländern zurückzuführen. Hinzu kommen Transportprobleme und die weltweit steigende Nachfrage. Der globale Kaffeekonsum nahm in den vergangenen 20 Jahren jährlich um zwei Prozent zu. Die Kombination aus Angebotsrückgang und wachsender Nachfrage sowie die Spekulation an den Rohstoffbörsen haben die Preise in die Höhe getrieben.
Seit für die Arabica- und Robusta-Bohnen Anfang 2025 Höchstpreise verlangt wurden, hat sich die Lage zwar wieder etwas entspannt. Der Einzelhandel gab jedoch die gestiegenen Einkaufspreise nur teilweise weiter: Während die Importpreise für ungeröstete Kaffeebohnen seit 2020 um gut 150 Prozent nach oben kletterten, stiegen die Verbraucherpreise nur um etwa 45 Prozent. Die Rohkaffeepreise erhöhten sich 2024 um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Kapseln und Pads wurden seit 2020 um rund 25 Prozent teurer, Bohnenkaffee um 20 Prozent. Für 2025 wurde ein weiterer Anstieg erwartet.
Wenn die jungen Leute aufhören, an eine Zukunft im Kaffeeanbau zu glauben, steht das Überleben des Kaffees auf dem Spiel
Nach Umfragen sollen in Deutschland dadurch ein Viertel der Konsumenten weniger Kaffee trinken. Derweil erreichte in Luxemburg der Kaffeepreis nach Statec-Angaben seinen Höhepunkt Anfang 2025 mit einem Anstieg von 150 Prozent seit Anfang 2023. Danach ging er wieder zurück, nicht aber im Einzelhandel. Das Fachmagazin Markt und Mittelstand meldete, dass der Preis von Rohkaffee seit September 2020 sogar um 247 Prozent gestiegen ist. Cafés und Röstereien geraten zunehmend unter Druck. „Ich kann den erhöhten Preis nicht komplett an meine Kunden weitergeben“, sagte ein Cafébetreiber in Esch-Belval.
Anlässlich des Internationalen Tages des Kaffees am 1. Oktober war Jean-Pierre Blanc bei Fairtrade Lëtzebuerg zu Gast. Er ist ein anerkannter Experte der Branche und ein langjähriger Akteur des fairen Handels. Blanc bestätigt, dass der Anstieg nicht unbedingt den Produzenten zugutekommt und weist darauf hin, dass Kaffee Gegenstand massiver Spekulationen durch Händler und Investmentfonds ist. „Es ist zu einem regelrechten Kasino geworden“, stellt Blanc fest. Eine langfristige Planung werde dadurch unmöglich.
Die Produzenten sind durch das instabile Einkommen einem permanenten Risiko ausgesetzt. Als Folge verlassen viele, vor allem junge Leute, die Gemeinden, in denen Kaffee produziert wird. „Wenn sie aufhören, an eine Zukunft im Kaffeeanbau zu glauben, steht das Überleben des Kaffees auf dem Spiel“, warnt Blanc. „Ohne sie droht eine ganze Branche mittelfristig zu verschwinden.“ Von großem Vorteil sei die Stärke des Fairtrade-Systems, betont er. Isoliert hätten die Kleinproduzenten keine Chance gegen die großen Akteure, welche die Weltmärkte beherrschen. Als Kollektiv hingegen besäßen sie mehr Gewicht und Zugang zu fairen und stabilen Preisen. Der faire Handel sei somit eine absolute Dringlichkeit, um das Überleben der Genossenschaften und Kleinproduzenten zu sichern.
Mehr Nachfrage und weniger Angebot
Ein Bericht der brasilianischen Nichtregierungsorganisation Repórter Brasil mit dem Titel „Melhor Café do Mundo?“ wies im Juni dieses Jahres darauf hin, dass in Kolumbien, dem drittgrößten Kaffeeproduzenten der Welt, die „recolectores“, wie die Pflücker auf Spanisch heißen, trotz Zertifizierung ausgebeutet würden. Die Arbeiter seien schutzlos ausgeliefert, obwohl die Plantagen über Kooperativen an Zertifizierungsprogrammen teilnehmen. Bei vielen der Arbeiter handelt es sich um Migranten aus Venezuela, die weniger als sieben Euro am Tag verdienen und damit noch unter dem kolumbianischen Mindestlohn von 300 Euro liegen. Fairtrade International reagierte auf die von Repórter Brasil aufgedeckten Missstände. Der Fall sei umgehend an das Act to Protect Executive Committee von Fairtrade weitergeleitet worden, um die Vorwürfe zu prüfen und an die Produzentennetzwerke weiterzuleiten.

Hinter den 2,23 Milliarden Tassen Kaffee, die täglich weltweit konsumiert werden, verbirgt sich jedoch eine zunehmend gefährdete Branche. Inzwischen hat die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump die lateinamerikanischen Produzenten noch mehr unter Druck gesetzt. Am stärksten dürfte Brasilien, das von Trump mit Zöllen von 50 Prozent belegt wurde, betroffen sein. Zwar trinken die Menschen nicht weniger Kaffee. „Die Nachfrage hat in einigen Regionen der Welt, wie etwa in Asien, zugenommen“, weiß Jean-Louis Zeien, Präsident von Fairtrade Lëtzebuerg. „Aber es besteht die Gefahr, dass sich die Suche nach billigerem Kaffee ausweitet. Ursache ist das Spiel an der Börse.“ Dieses sei ein enormer Preistreiber bei einer gleichzeitigen Unsicherheit unter den Produzenten. „Die Kojoten kamen wieder aus ihren Höhlen gekrochen“, sagt Zeien.
Die „Kojoten“ genannten Zwischenhändler, die Teil eines ausbeuterischen Systems sind, fahren mit Lastwagen über die Dörfer und sammeln die Ernten der kleinen Produzenten ein. Sie bezahlen dabei oft weniger als ein Drittel des Preises, den sie selbst von den Exportfirmen bekamen. „Sie wollen absahnen und kommen verstärkt mit Cash auf die einzelnen Bauern zu“, erklärt Jean-Louis Zeien. „Dann hat aber eine Kooperative gerade bei einem Preisabfall Schwierigkeiten zu überleben.“ Dabei sind es gerade die Kooperativen, die ähnlich wie die Fairtrade-Mindestpreise und -Prämien für Sicherheit und Stabilität sorgen.
Von Arabica bis Robusta
„Mehr als eine Milliarde Menschen trinkt täglich Kaffee, aber nur eine kleine Minderheit davon hat jemals im Leben die Pflanze gesehen, von der er stammt“, heißt es in dem Buch „Kaffee. Eine Geschichte von Genuss und Gewalt“* von Toni Keppeler, Laura Nadolski und Cecibel Romero. „Die Pflanze wird von rund 50 Millionen Kaffeebauern angebaut. Nimmt man ihre Familien dazu, kommt man auf rund 250 Millionen Menschen, die direkt vom Anbau dieser Pflanzen leben. Nach Schätzung der Weltbank kommen noch einmal 250 Millionen dazu, die indirekt, also in Aufbereitung, Handel und Vermarktung, ihr Geld mit Kaffee verdienen.“ Insgesamt sind mehr als 500 Kaffeearten bekannt, die in über 6.000 Sorten vorkommen. Angebaut werden nur vier dieser Arten: Arabica (60 Prozent) und die wegen ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber hohen Temperaturen und dem Befall mit Insekten oder Pilzen Robusta genannte Coffea canephora. Der Anteil der anderen beiden, Liberica und Excelsa, liegt bei jeweils einem knappen Prozent.
* Toni Keppeler, Laura Nadolski, Cecibel Romero: „Kaffee. Eine Geschichte von Genuss und Gewalt.“ Rotpunktverlag. Zürich 2023. 271 Seiten.
De Maart

Preisschwankungen hat es immer schon gegeben im Kaffeebereich; der Verbrauch ist steigend und der Nachschub ist beeinflusst vom Klimawandel und der Palaver all dieser "Klippercher" wie Fairtrade etc. nutzt gar nichts in Sachen Marktpreis, der entsteht durch Angebot und Nachfrage...