Der Mittelstandsmann: Lex Delles über Handwerk, Handel und vier Tage Vianden

Der Mittelstandsmann: Lex Delles über Handwerk, Handel und vier Tage Vianden

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Als Colette Flesch nach den Wahlen von 1984 das Wirtschafts- und Mittelstandsministerium an Jacques Poos (LSAP) abgeben musste, war Lex Delles noch nicht einmal geboren. Seit Dezember 2018 ist der ausgebildete Grundschullehrer und frühere Mondorfer „Député-maire“ jüngstes Mitglied der Regierung und neben dem Mittelstand auch für Tourismus zuständig. In den kommenden Jahren will der 34-jährige Minister das Image des Handwerks aufbessern,  dem Handel die Digitalisierung nahe bringen und den Freizeittourismus weiter fördern. Ganz im Sinne seiner Kampagne „Vakanz doheem“ verbringt Lex Delles seinen Sommerurlaub dieses Jahr in Vianden.

Lesen Sie zu diesem Thema auch das Porträt von Lex Delles in unserer Serie „Kopf des Tages

Tageblatt: Bei den Neuwahlen 2013 wurden Sie mit 29 Jahren ins Parlament gewählt und wurden 2014  jüngster „Député-maire“ Luxemburgs. 2018 kamen Sie in die Regierung und sind seitdem Luxemburgs jüngster Minister. Verfügen Sie über ein außergewöhnliches politisches Talent?

Lex Delles: Nein, das denke ich nicht. Sowohl bei den Gemeindewahlen als auch bei den Parlamentswahlen sind wir mit guten Teams angetreten. Wir waren sehr präsent und haben neue Ideen eingebracht.Nur zusammen kann man weiterkommen.

Ihr persönliches Resultat war gut. 2018 konnten Sie Ihren Stimmenanteil gegenüber 2013 verdoppeln und belegten  auf der DP-Liste den ersten Platz.  Nur Françoise Hetto-Gaasch  erhielt im Osten mehr Stimmen als Sie.

Ich bin sehr froh darüber, aber die Listenstimmen zeigen, dass wir eine sehr vielfältige Mannschaft hatten. Die Kandidaten haben sich sehr gut ergänzt.

Wohl auch wegen Ihres jungen Alters haftet Ihnen das Image des perfekten Schwiegersohns an. Stört Sie das?

Das Image ist das eine. Auf der anderen Seite habe ich mich in der Politik engagiert, weil ich jemand bin, der gerne meckert.Und wer gerne meckert, muss versuchen, es besser zu machen. Dabei lernt man ganz viel und man merkt, dass man verschiedene Dinge nicht so einfach ändern kann, wie man das möchte, oder dass an verschiedenen Stellen noch Barrieren sind, an die man anfangs nicht gedacht hatte. Wenn mein Image das des perfekten Schwiegersohns ist, stört mich das aber definitiv nicht.

Im Mittelstand hat die DP traditionell ihre Stammwählerschaft. Seit Colette Flesch den Mittelstand 1984 an die LSAP abgeben musste, sind Sie der erste DP-Minister, der dieses Ressort leitet.  Was bedeutet diese „Rückeroberung“ für Ihre Partei?

Es ist ein ganz wichtiges Ressort für die DP. Die Ziele im Regierungsprogramm wurden aber von den drei koalierenden Parteien festgelegt. Natürlich gibt es divergierende Ansichten, doch wir haben gemeinsame Positionen gefunden, die von allen drei Parteien vertreten werden.

Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU/PME) sind zusammengenommen der größte Arbeitgeber im Großherzogtum. Der Sektor ist stark abhängig von Grenzgängern, die 51 Prozent der Beschäftigten darstellen, und Einwanderern, die 34 Prozent der Angestellten ausmachen. Zugleich beklagen sich viele Betriebe über einen Fachkräftemangel. Welche Hilfestellung kann Ihr Ministerium in diesem Bereich leisten?

Einerseits werden wir den fünften Aktionsplan für KMU ausarbeiten, bei dem diese Frage mit Sicherheit ein Thema sein wird. Ich möchte, dass sich auch andere Ministerien an der Ausarbeitung beteiligen, um über weitreichendere Positionen reden zu können. Auf der anderen Seite werde ich zusammen mit der Plattform „Jonk Handwierk Lëtzebuerg“ eine Sensibilisierungskampagne zur Förderung des Handwerks starten. Als frührerer Grundschullehrer weiß ich, dass es eine Imagefrage ist.  Das Handwerk hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beständig weiterentwickelt. Eine fortlaufende Weiterbildung ist für Handwerker unerlässlich geworden. Die Jugendlichen und vor allem ihre Eltern sollen sehen, was Handwerk heute eigentlich ist und welche Möglichkeiten diese Berufe zu bieten haben.

Während das Handwerk größtenteils boomt, nimmt im Einzelhandel die Zahl der kleinen und mittleren  Betriebe immer weiter ab und die Arbeitsbedingungen  verschlechtern sich. Wie kann die Politik diesem Niedergang gegensteuern?

Zusammen mit der Handelskammer und der Handelskonföderation CLC arbeiten wir an der Erstellung eines Handelskatasters, um den Ist-Zustand zu ermitteln. Wir sind gerade dabei, mit der CLC eine Konvention abzuschließen, um zu prüfen, wie dieses Handelskataster in vier Pilotgemeinden im Norden, Süden, Zentrum und Osten dazu beitragen kann, eine Gemeinde attraktiver zu machen. Wir wollen zusammen mit den Gemeinden herausfinden, wie sie auf externe Faktoren wie Baustellen oder Umleitungen, die den Handel beeinträchtigen, reagieren können. Die Gemeinden sind sehr unterschiedlich. Manche haben einen City-Manager, andere haben sogar einen Dienst für Stadtentwicklung , doch es gibt auch kleinere Gemeinden, die niemanden haben , der sich prioritär um den Handelsbereich kümmert. Diese Gemeinden brauchen geeignete Instrumente, deren Ausarbeitung das Ministerium unterstützt.

Andere konkrete Unterstützungsmaßnahmen sind bislang nicht geplant?

Die Unterstützung für Einzelhändler ist über das Rahmengesetz für den Mittelstand geregelt. Der europäische Rahmen ist sehr rigide, doch Luxemburg hat es stets geschafft, im Bereich des Möglichen ein Maximum an staatlicher Unterstützung wie „De-minimis“- und andere Beihilfen  herauszuholen. Zum anderen spielt die Attraktivität der Gemeinden eine Rolle, da sind wir dann  im Bereich der kommunalen Autonomie.

Ein anderes Problem ist die  Konkurrenz durch den Online-Handel, der wir mit der Plattform LetzShop entgegengetreten sind. Erst vor wenigen Monaten haben wir beschlossen, Einzelhändlern einen Scheck als  Anreiz  für den Einstieg in die Digitalisierung anzubieten. Viele Läden haben noch nicht einmal einen Internetauftritt.LetzShop ist das facettenreiche  Instrument, das ihnen den Zugang zur digitalen Welt  erleichtert. Beim Internetshopping gibt es den RoPo-Effekt („Research Online Purchase Offline“), den wir mit der Plattform erreichen wollen: Der Kunde informiert sich online über ein bestimmtes Produkt  und muss dann aber auch im Internet sehen, dass es den Artikel in einem spezialisierten Laden in Luxemburg  oder in einem Geschäft in der Nähe zu kaufen gibt. Wegen der Beratung und des Kundendienstes beschließt er den Artikel lieber im Laden als online zu erwerben.

LetzShop.lu ging am 14. September 2018 online. Wie groß ist das Interesse der Einzelhändler an der Plattform?

Der Dienst ist noch neu, doch die Nachfrage steigt stetig an. Immer mehr Gemeinden wollen sich der wirtschaftlichen Interessengemeinschaft „Luxembourg for Shopping“ anschließen. Auch viele Geschäfte wollen mitmachen, doch man muss sich Zeit dafür nehmen. Die Digitalisierung bietet nicht nur neue Chancen im Bereich der Visibilität, sondern auch bei der Bestandsverwaltung.Manche Läden führen noch wortwörtlich Buch über ihren Bestand. Heute gibt es aber Instrumente, die diese Arbeit wesentlich erleichtern und beschleunigen.

Die Handelskonföderation fordert flexible Öffnungszeiten, um den Handel zu beleben. Die Gewerkschaften sind dagegen. Wie ist die Position des Mittelstandsministers?

Die Position des Ministers ist im Koalitionsabkommen festgelegt. Es liegt ein Urteil des Verfassungsgerichts nach einer Klage eines Bäckers aus dem Süden vor. Das Urteil besagt, dass alle gleich behandelt werden müssen. Das aktuelle Gesetz, das eigentlich ein Gesetz der Schließungszeiten ist, sieht viele Derogationen vor. Jetzt geht es darum, das Gesetz mit dem Gerichtsurteil in Einklang zu bringen. Wir haben uns schon mit bestimmten Akteuren getroffen und werden im Herbst eine zweite Gesprächsrunde einläuten. Danach wird das Gesetz geschrieben. Was die Gewerkschaften anbelangt, stelle ich fest, dass die beiden  großen Gewerkschaften unterschiedliche Standpunkte vertreten.

Im Bereich des Tourismus ist die Zahl der Unterkünfte und Betten in den letzten Jahrzehnten vor allem im Norden und Osten Luxemburgs stetig zurückgegangen. Sind die klassischen Touristenziele nicht mehr so attraktiv wie früher?

Es gibt zwar weniger Unterkünfte, doch die Zahl der Übernachtungen ist gestiegen.* Wir können die Erwartungen der Touristen von heute vollends erfüllen. Man muss natürlich das richtige Zielpublikum ansprechen. Mit der Initiative „Luxembourg for Tourism“ vermarkten wir Luxemburg für Freizeittouristen. Im Aktivtourismus für Wanderer haben wir viel zu bieten. Eine weitere Priorität ist der Fahrradtourismus.  Noch in diesem Jahr wollen wir ein einheitliches System zum Gepäcktransport für Radfahrer einführen. Das große Ziel für die nächsten Jahre ist die Entwicklung einer GPS-gesteuerten Tourismus-App, die einerseits die Infrastrukturen wie Wander- und Fußgängerwege und andererseits sämtliche Veranstaltungen, Feste und Aktivitäten umfassen soll.

Die touristische Erschließung der Südregion ist mit der Europäischen Kulturhauptstadt  2022 und der Kandidatur für das Unesco-Label „Man and the Biosphere“ in vollem Gange. Die Zahl der Unterkünfte und Betten hat sich in den letzten zehn Jahren aber kaum verändert.

Die Kampagne „Vakanz doheem“ dient nicht nur dazu, dass Besucher aus Luxemburg und der Großregion das Land wieder neu entdecken sollen.Es geht auch darum, sich zu vergegenwärtigen, welches Angebot wir überhaupt haben. Im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt  und des Unesco-Labels „Man and the Biosphere“ wollen wir im Süden ausgefallene Unterkünfte erschließen und weitere private und kommunale Übernachtungsmöglichkeiten schaffen. Persönlich bin ich nicht dafür, dass das Ministerium ein leerstehendes Hotel aufkauft, es renoviert und zu einem verbilligten Preis an einen Betreiber vermietet, weil es nicht ganz fair gegenüber anderen Hotelbetrieben ist.

Wo fährt der Tourismusminister in Urlaub? Geht er mit gutem Beispiel voran und macht „Vakanz doheem“?

Der Tourismusminister hat eine Woche festen Urlaub und verbringt vier Tage davon in Vianden.


Stichwort Übernachtungen

*Die Übernachtungszahlen insgesamt sind seit 2011 beständig gestiegen und seit einigen Jahren auf Rekordniveau. Hauptmagnet ist die Stadt Luxemburg, wo die Marke von  einer Million Übernachtungen seit 2014 alljährlich überschritten wird. In den traditionellen Touristenregionen Müllerthal, Ardennen und Mosel wurden in den 1980er und 1990er Jahren die meisten Übernachtungen gezählt. Insbesondere nach der Finanzkrise von 2008 gingen die Zahlen drastisch zurück, konnten sich in den vergangenen Jahren aber wieder langsam  erholen. Der Süden wurde erst vor 10 bis 15 Jahren touristisch erschlossen und dürfte erst in den kommenden Jahren sein volles Potenzial entfalten.

Jang
25. Juli 2019 - 13.57

Das wird sich dann später beweisen mit seiner Kompetenz ob es dem Mittelstand zu Gute kommt. 4 Tage Sommerurlaub im Oesling, nicht etwa langweilig ?