Mittwoch5. November 2025

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Forum von Robert GoebbelsDer Menschheit droht eine globale Krise „made in America“

Forum von Robert Goebbels / Der Menschheit droht eine globale Krise „made in America“
Die Anziehungskraft des Dollars als Verrechnungseinheit sowie als „safe debt“ schwindet Foto: AFP

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Die Welt steht vor ungeahnten Umwälzungen. Die geopolitische Lage mit dem Krieg um die Ukraine; vor allem die neue Instabilität im Nahen Osten, mit Israels Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser, seinen Angriffen auf den Libanon und Syrien, nunmehr den offenen Schlagabtausch mit dem Iran, haben das Potenzial für einen größeren Krieg zwischen den USA, sowie, nolens volens, Washingtons Allliierten gegen die „Achse der Bösen“, den Iran, Russland, gar China.

Selbst bei der Verhinderung der Ausweitung des Konfliktes Israel-Iran bleiben die wirtschaftlichen Konsequenzen verheerend. Nicht nur für die Energiemärkte, auch für den durch Trumps erpresserische Zoll-Tarife gebeutelten Welthandel.

Die Weltbank kürzte bereits ihre Schätzung des Wachstums für das laufende Jahr um 0,4%, auf nur mehr 2,3%. Das wäre die niedrigste Wachstumsrate der globalen Wirtschaft seit 2008, dem Jahr der weltweiten Finanzkrise. Wirtschaftliche Veränderungen erfolgen gewöhnlich über längere Zeiträume. Ein plötzlicher Umsturz ist umso schmerzlicher.

Wie alle großen Krisen seit 100 Jahren geht die sich anbahnende globale Krise von den USA aus, vorläufig noch die größte Wirtschafts- und Militärmacht. Der Dollar als dominierende Währung verschafft Washington das Privileg, sich günstig zu verschulden. Doch die Unberechenbarkeit des neuen „Königs“ im Weißen Haus, seine ökonomische und finanzielle Willkür, setzen bereits der Bonität des Landes zu. Um Abnehmer für die „Federal Bonds“ zu finden, müssen höhere Zinsen gezahlt werden. Die Schulden der USA liegen bereits bei nahezu einem Drittel der globalen Staatsschulden. Entsprechend wird der Schuldendienst für „Make America Great Again“ zu einer immer schwereren Bürde. Trumps „beautiful big budget“, das beitrug zum erwarteten Bruch mit dem anderen Egomanen, Elon Musk, wird die US-Verschuldung um viele Tausende Milliarden Dollar erhöhen. Die zu zahlenden Schuldzinsen werden zum ersten Haushaltsposten, noch vor dem aufgeblähten Militär-Budget.

Entwertung des Dollars

Die Vormachtstellung von „King Dollar“ scheint gebrochen. Immer mehr Zentralbanken mindern ihre Dollar-Reserven. Investieren massiv in Gold-Ankäufe. Unter den Staaten mit den größten Währungsreserven, China, Japan, Indien, Saudi-Arabien, Hongkong, gibt es wenig wahre Freunde Amerikas. Im Vertrauen auf ihr Dollar-Privileg halten die USA geringere Staatsreserven als Italien.

Noch werden etwa zwei Drittel des Welthandels in Dollar abgerechnet. Doch die Anziehungskraft des Dollars als Verrechnungseinheit sowie als „safe debt“ schwindet. Letzteres sei ein „lazy language“, wie Kenneth Rogoff in seinem jüngsten Buch „Our Dollar, your Problem“ schreibt. Für Rogoff, Professor in Harvard und früherer Chef-Ökonom des IMF, gibt es „viele Gründe zu glauben, dass die Pax-Dollar-Ära ihren Höhepunkt erreicht hat“.

Hauptgrund ist der wirtschaftliche Dynamismus im asiatisch-pazifischen Raum. China, Indien, Japan, Südkorea, Vietnam, Indonesien, andere Tiger-Staaten tauschen zunehmend Waren untereinander aus. Selbst wenn die USA und Europa weiterhin begehrte Export-Märkte bleiben. 

Doch bilden die asiatischen Staaten laut Rogoff bereits „über die Hälfte des Dollar-Blocks“. Der Dollar dient ihnen. Ist gleichzeitig eine Belastung, weil die USA den „Greenback“ zu ihrem alleinigen Vorteil manipulieren. Trump strebt einen niedrigeren Dollar-Kurs gegenüber allen wichtigen Währungen an, um die US-Exporte zu begünstigen. Für die im Rest der Welt in Dollar verschuldeten Staaten oder Firmen bedeutet eine Dollar-Abwertung höhere Kosten. Für die Inhaber von US-Schuldscheinen einen Verlust.

Die Abkehr vom Dollar hat bereits eingesetzt. Die US-Sanktionen gegen Russland, gegen den Iran und andere Staaten machten hellhörig. Besonders das Einfrieren der Guthaben der russischen Zentralbank nach Putins Einfall in die Ukraine wird in manchen Teilen der Welt nicht so positiv gesehen wie in Europa. Immer mehr Länder wollen der US-Kontrolle über die internationalen Finanzströme entkommen. Trotz der Freundschaftsbeteuerungen Trumps an Präsident Xi weiß China sich im Visier der USA. Es will sich deshalb finanziell möglichst unabhängig vom US-Hegemon machen. China, nach Japan größter Kreditgeber der USA, reduziert nunmehr sein Paket an „Federal Bonds“.

China schließt laufend Abkommen mit wichtigen Staaten ab, um weg vom Dollar Handel in den jeweiligen Währungen zu tätigen. Mit Russland sowieso, aber auch mit Indien, Indonesien und selbst Saudi-Arabien. Der Wert von Chinas Renminbi wird ermittelt über einen Korb von 24 Währungen, was das Gewicht von Dollar (und Euro) in engeren Grenzen hält. Die chinesische Zentralbank gewährt Dutzenden Zentralbanken kleinerer Entwicklungsländer Swap-Kredite in chinesischer Währung. Immerhin ist die Volksrepublik erster Handels-Partner von 120 Nationen.

Unbeliebter Gendarm

Viele Staaten mögen die USA weiterhin als Welt-Gendarmen akzeptieren, wovon US-Militärbasen in fast 100 Ländern zeugen. Doch für die Mehrung ihres Wohlstandes setzen sie eher auf die Zusammenarbeit mit China und den anderen Brics-Staaten.

Wie Richard Baldwin, Professor für Ökonomie, schreibt, schaffte es Trump in bloß drei Monaten, „die Rivalität zwischen den USA und China in einen Streit zwischen den USA und dem gesamten Rest der Welt zu verwandeln“. Die Vormachtstellung der USA, nur noch 15% des Welthandels, sei bedroht, sollten „die anderen 85% sich besser organisieren“.

Die Globalisierung, auch wenn sie in Europa eine schlechte Presse hat, wird weiterhin die wirtschaftliche Entwicklung der meisten Länder prägen. Viele unentbehrlich gewordene Produkte entstammen Lieferketten, die wegen ihrer globalen Verzweigung nicht zu „renationalisieren“ sind.

Ein iPhone, „designed in California, assembled in China“, enthält Einzelteile aus vielen Dutzend Ländern. Nur 4% der Komponenten stammen aus China, 25% aus Südkorea, 11% aus Japan, 7% aus Taiwan, immerhin 32 % aus den USA. Die restlichen Teile kommen aus aller Welt. Wird das in China von einer taiwanesischen Firma gefertigte Handy in die USA verkauft, steigert es die chinesischen Exporte nach den USA. Was das US-Handelsdefizit mit China vergrößert. Obwohl der größte Teil der Wertschöpfung in den Kassen von Apple landet.

Trumps Zölle verteuern alle Produkte. Ohne viele Betriebschefs zur Verlagerung ihrer Produktion in die USA zu verführen. Bis ein neues Werk geplant und gebaut ist, wird sich die Ära Trump ihrem Ende zuneigen. Vor allem bleibt es eine Illusion, eine Reindustrialisierung würde zu einer enormen Steigerung von Arbeitsplätzen führen. In neuen Industrie-Anlagen dominieren Roboter. KI-gesteuerte Prozesse werden die Beschäftigung zusätzlich reduzieren. Vor allem benötigen neue Industrien auch in den USA weiterhin Zulieferer aus aller Welt.

Ein normales Auto besteht aus zirka 30.000 Einzelteilen. Dabei kommen allein 50 verschiedene Metalle zum Einsatz. Als Zulieferer fungieren um die 100 Firmen. Die wiederum bis zu 7.000 Partner benötigen. Jedes Auto, ob „made in China, in Germany or in the US“, ist ein Produkt der Globalisierung.

Ohne seltene Erden geht nichts

Wobei es kaum zu ersetzende Vormachtstellungen gibt. Seltene Erden gibt es an vielen Stellen auf dem Globus. Doch ist deren Ausbeutung sehr aufwendig und nicht gerade umweltfreundlich. China hat einen solchen Vorsprung bei der Raffinierung dieser unersetzlichen Bestandteile von Handys, Computern, Autos, Schiffen, Flugzeugen, Raketen, Drohnen, Photovoltaik- oder Windkraftanlagen, dass Peking allein durch die Verknappung der Lieferung seltener Erden Trumps Zoll-Erpressungen konterte.

Taiwan produziert 90% der leistungsfähigsten Chips. Laut Gideon Rachman fertigten Anfang der 90er Jahre die Europäer noch 44% aller Halbleiter. 2022 war der Anteil der Europäer am wichtigsten Bestandteil der IT-Revolution auf 9%, derjenige der USA auf 12% gesunken. Die EU wie die USA wollen nunmehr gegensteuern. In diesem Jahr sollen in den USA 14 neue Fabriken für Halbleiter entstehen, in der EU sowie Israel deren 10. Gegenüber 43 neuen Fabriken in China und Taiwan.

Anstatt sich in einen internationalen Handelskrieg (gepaart mit einem Rüstungskrieg) zu stürzen, sollten die Staaten der Welt schnellstens zur Globalisierung zurückzufinden. Alle glücklichen Perioden der Geschichte waren von Handel und Austausch geprägt.

Gelingt es nicht, die stupiden Kriege sowie den gehirnlosen Zollkrieg des Donald Trump zu beenden, wird „die unerbittliche Kombination aus niedrigem Wachstum und hoher Verschuldung“ (FMI-Chefin Kristalina Georgiewa) im Jahr des Unheils 2025 die Menschheit in eine verhängnisvolle Rezession führen.

Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre