11. Dezember 2025 - 10.56 Uhr
Aus unserem ArchivDer Hüter des „S“: Marc Spautz über Friedens „kaltes Herz“ und die soziale Seite der CSV
Dieses Porträt von Marc Spautz haben wir bereits einmal veröffentlicht – im November 2024. Wir haben den Text behutsam aktualisiert, auf die neue Situation angepasst und erneut veröffentlicht.
Das „S“ in CSV hatte es in dieser Legislatur nicht leicht. Das Bettelverbot in Luxemburg-Stadt hat internationale und nationale Kritik hervorgerufen. Der Zerfall der Caritas hat einen Abgrund im sozialen Sektor des Landes aufgerissen. Aufgebrachte Gewerkschaften haben im Streit um Kollektivverträge, Rentenreformen und Sonntagsarbeit die größte Demonstration seit Jahren auf die Beine gestellt. Opposition, Medien und verschiedene Akteure der Zivilgesellschaft haben dem Premier und seinen Ministern in den vergangenen Monaten immer wieder ein „kaltes Herz“ attestiert.
Es gibt einen, dem bedeutet das „S“ in CSV noch ein bisschen mehr als allen anderen. Marc Spautz, der neue Arbeitsminister der CSV, ist heute der prominenteste Vertreter des sozialen Flügels der Christdemokraten. Und das hat er in den vergangenen Wochen und Monaten einmal mehr unter Beweis gestellt. Ob in der Debatte um den Sozialdialog oder die arbeitsrechtlichen Schritte im Übergang von Caritas zu HUT, Spautz war überall dort zur Stelle, wo es um die Rechte der Verletzlichsten, Ärmsten und Schwächsten im Land ging. Er sparte dabei nicht an Kritik – auch nicht dem Bistum gegenüber, das sich in der Causa Caritas aus der Verantwortung zog.
Partei und Gesellschaft haben sich verändert
Die Sache mit Luc Frieden und dem „kalten Herz“, die will Spautz jedoch nicht so stehen lassen. Gleich zu Beginn seines Gesprächs mit dem Tageblatt, an einem kühlen Oktobermorgen in der Fraktion der CSV, erinnert sich Spautz an den Ursprung dieses Vorwurfs im Jahr 2012. Luc Frieden war damals Finanzminister. „In der Flüchtlingspolitik hieß es damals immer: Luc Frieden sei der Mann ohne Herz oder mit dem kalten Herz“, sagt Spautz. „Ich habe das, offen gestanden, nie so empfunden.“ Das sieht der CSV-Fraktionschef bis heute so. Als Premier setze Frieden in seiner Regierung manchmal andere Prioritäten als andere an seiner Stelle tun würden, so Spautz, er habe ihn aber immer als eine „verständnisvolle Person“ erlebt.
Dass der soziale Flügel nicht mehr so stark ist wie vor einigen Jahren, das vermisse ich manchmal sehr
Das Herz der CSV, es mag laut Spautz nicht kühler geworden sein. Aber vielleicht ist es ein bisschen kleiner geworden in den vergangenen Jahren. Der soziale Flügel der Partei ist nicht mehr das, was er einmal war. „Die CSV, genauso wie die Gesellschaft, hat sich in den letzten Jahren verändert. Es ist nicht mehr die Partei, in der ich 1981 Mitglied wurde“, sagt Spautz. Das sei nicht nur bei der CSV so. „Ich stelle das bei sämtlichen Parteien und im Parlament fest.“ Die Art und Weise, wie diskutiert werde, habe sich verändert, manches zum Guten, anderes zum weniger Guten. „Früher hat man sich mehr zerfetzt, die Debatten waren lauter, aber man konnte trotzdem beim nächsten Punkt miteinander reden“, sagt Spautz. Heute seien einige Leute viel zu nachtragend. „Wenn man austeilt, muss man einstecken können“, fasst er einen seiner Politiker-Grundsätze zusammen.
Und wie steht es um das Soziale? „Die Wichtigkeit und Bedeutung ist noch immer die gleiche“, sagt Spautz. „Aber als ich Mitglied wurde in der CSV, waren mehr Leute in diesem Bereich aktiv, als das heute der Fall ist.“ Marc Spautz wird 2004 als Mandatsträger aus dem Süden zum ersten Mal in die Chamber gewählt. Damals ist er Generalsekretär beim LCGB, seit den frühen Neunzigern war er dort als Gewerkschaftssekretär aktiv. Neben Spautz sitzen in der damaligen CSV-Fraktion noch drei weitere Gewerkschaftssekretäre, andere sind in der Sozialversicherung tätig. „Jean-Claude Juncker, François Biltgen, das war eine andere Zeit“, erinnert sich Spautz. Ob er diese Zeit manchmal vermisse? „Dass der soziale Flügel nicht mehr so stark ist wie vor einigen Jahren, das vermisse ich manchmal sehr.“ Aber es gebe heute in der CSV noch immer einige Leute, die „sozial nicht taub“ seien, so Spautz. Leute, die wissen, dass das Soziale wichtig ist.
Wenn nicht, dann erinnert Marc Spautz sie daran. So zum Beispiel in der Caritas-Debatte. Als Christdemokrat hat er dort besonders deutlich die Verantwortungslosigkeit der Kirche kritisiert. „Ich bin nicht nur vom Bistum enttäuscht“, sagt Spautz. „Die Kommunikation im Allgemeinen hat nicht gut geklappt. Sowohl mit den Betroffenen, d.h. den Mitarbeitern der Caritas, als auch mit den Klienten. Das sind ja Menschen, die da betreut werden, keine Schränke oder Dosen.“ Viel zu lange habe man diese Menschen in Unsicherheit gelassen, kritisiert Spautz. „Ich war in meinem früheren Leben ein paar Mal dabei bei Betriebsschließungen oder massivem Personalabbau. Da haben wir wöchentlich kommuniziert, in welche Richtung es gerade geht. Das haben wir bei Caritas verpasst.“ Dass so etwas ausgerechnet im Sozialsektor passiert sei, sei doppelt schlimm, so Spautz. Dort arbeiteten Menschen, die soziale Probleme behandeln sollen. „Und wir haben da selbst soziale Probleme aufgeworfen.“
Doppelsozialisation in Politik und Gewerkschaft
Das Gespür für soziale Probleme ist bei Marc Spautz auch das Ergebnis einer Sozialisation zwischen Politik und Gewerkschaft. Spautz-Vater Jean war Landesvorsitzender der katholischen Arbeiterjugend, gleichzeitig arbeitete er als Ausschusssekretär bei der Arbed in Belval. 1959 wurde er für die CSV ins Parlament gewählt, 1966 hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär, ein Jahr später Vorsitzender des LCGB. Als andere mit ihren Vätern zum Fußball gingen, begleitete Spautz seinen Vater zu Gewerkschafts- und Parteiversammlungen. „Mit zehn Jahren wusste ich, was der Mindestlohn war, weil die Leute damals immer bei uns zu Hause angerufen haben mit gewerkschaftlichen Fragen“, erinnert sich Spautz. Der junge Mann wird im Alter von 14 Jahren selbst Gewerkschaftsmitglied, drei Jahre später tritt er der CSV bei.
Ob er deshalb die Seite der Gewerkschaften nachvollziehen könne, die sich von Georges Mischos Verhalten und Kommunikation in ihren Grundfesten angegriffen fühlen? Er sei bei den Gesprächen mit dem einstigen Arbeitsminister nicht dabei gewesen, relativiert Spautz: „Aber ich kenne Georges Mischo und ich kenne seinen Lebensweg.“ Der Arbeitsminister habe ein Verhältnis zu den Gewerkschaften – auch durch dessen Vater. „Auch ein Georges Mischo ist sich bewusst, was die Gewerkschaften in Luxemburg, in der Großregion, in ganz Europa erreicht haben und wie wichtig sie sind“, sagt Spautz. Im Sozialdialog ist man nicht immer einer Meinung, das weiß der Gewerkschafter Spautz aus eigener Erfahrung. „Da muss die Politik Entscheidungen treffen. Aber zuerst muss diskutiert werden.“
Das Parlament soll die Bevölkerung widerspiegeln, aber das ist nicht der Fall
Sein Lebenslauf von der Ausbildung zum Mechaniker über die Gewerkschaft bis in die Politik hat Spautz eigentlich für das Amt eines Arbeitsministers in der Regierung Frieden prädestiniert. In der letzten CSV-Regierung unter Jean-Claude Juncker war Spautz für acht Monate Familien- und Kooperationsminister. Auch damals rückte er nach. „Ich glaube nicht, dass ich viele kenne, die nein zu einem Ministerposten sagen würden“, sagt Spautz.
Jetzt will er vor Ende des Jahres nochmal Bewegung in seine Dossiers bringen: Spautz wird am Donnerstag um 11 Uhr von Großherzog Guillaume vereidigt, um 14 Uhr findet die offizielle „passation des pouvoirs“ im Arbeitsministerium statt. „Ich werde als Erstes die drei Gewerkschaftspräsidenten und die UEL, sowie die einzelnen Arbeitgeberverbände der verschiedenen Sektoren kontaktieren“, erläutert Marc Spautz eine seiner ersten Amtshandlungen am Donnerstag. Er kenne zwar die öffentlich dargelegten Forderungen, wolle aber auch persönlich den Kontakt suchen und den bisher von Georges Mischo abgesteckten Terminkalender auf den Leist nehmen.
Zugang zu den jeweiligen Dossiers erhalte er erst nach der offiziellen Amtsübergabe am Donnerstagmittag. An den auf Basis der Sozialrunde verfassten Gesetzestexten – darunter auch das Gesetzesprojekt zu den Sonntagsöffnungszeiten, das noch aus Mischos Arbeitsministerium stammt – wird Spautz nichts mehr verändern. Mit seiner Erfahrung hofft er aber, einige Blockaden im Sozialdialog wieder lösen zu können, und will auf seine Sachkenntnis setzen, um besonders im Bereich der Kollektivverträge und der „accords interprofessionels“ weiterzukommen.
De Maart
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