Sonntag21. Dezember 2025

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Alain spannt den BogenDer Herbst in der Philharmonie beginnt mit romantischen Tönen und Elfen

Alain spannt den Bogen / Der Herbst in der Philharmonie beginnt mit romantischen Tönen und Elfen
Die Münchner Philharmoniker zu Gast in der Luxemburger Philharmonie – hier mit dem Cellisten Gautier Capuçon Foto: Sébastien Grébille

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In der Philharmonie gaben sich die Münchner Philharmoniker und das Luxembourg Philharmonic die Klinke in die Hand. Wer überzeugte – und welche CD Sie sich unbedingt anschaffen sollten. 

Nachdem der israelische Dirigent und designierte Chefdirigent der Münchner Philharmoniker Lahav Shani wegen der massiven israelischen Attacken im Gazastreifen kurzfristig vom Flandern-Festival ausgeladen wurde, ließen Stellungnahmen aus Politik und Kultur nicht lange auf sich warten. Die Tournee der Münchner Philharmoniker wurde schnell zum Polit- und Medienspektakel, sodass das Orchester und sein neuer Dirigent plötzlich in aller Munde waren. Ironischerweise war dies beste PR für die Tournee, die das Orchester nach Luzern, Essen, Frankfurt, Berlin, Paris, Luxemburg und Wien führen sollte.

Mit angezogener Handbremse

Vielversprechendes Talent: der Dirigent Lahav Shani
Vielversprechendes Talent: der Dirigent Lahav Shani Foto: Sébastien Grébille

Das Konzert in der vollbesetzten Luxemburger Philharmonie begann mit dem Cellokonzert von Edward Elgar, das das Orchester kurzfristig ins Programm genommen hatte, da die für das Violinkonzert von Beethoven vorgesehene Violinistin Lisa Batiashvili erkrankt war. Gautier Capuçon sprang für die erkrankte Kollegin ein und begeisterte mit einer sehr individuellen und interessanten Interpretation dieses grandiosen Cellokonzertes. Mit feinem Gespür und einer schier unendlichen Farbenpracht spielte Capuçon das Konzert quasi als kammermusikalisches Meisterstück, bei dem sich innere Dialoge und Dialoge mit dem Orchester abwechselten. Der französische Cellist bot eine Meisterleistung an Stil und Spieltechnik, an Expressivität, Farbnuancen und Klangschönheit. Lahav Shani und die Münchner Philharmoniker ließen sich ganz auf ihren Solisten ein und antworteten mit einem ebenso zurückgenommenen wie feingliedrigen Orchesterspiel.

So schön und edel diese Interpretation auch war, mir fehlte dennoch ein bisschen die von Elgar so wunderbar komponierte orchestrale Expressivität und Dramatik. Man hatte den Eindruck, als ginge Shani auf Nummer sicher und ließe sein Orchester mit angezogener Handbremse spielen. Dies passte dann aber sehr gut zu Franz Schuberts Unvollendeter, die unter Shanis präziser Leitung zu einem Musterbeispiel an musikalischem Fluss, romantischer Farbgebung und bester Klangbehandlung wusste. Demnach war die Balance perfekt und alles fügte sich nahtlos und konsequent zusammen.

Musiktipp: „For Piano … Or Not?“ von Romain Nosbaum

Romain Nosbaums CD-Einspielungen sind immer ein ganz besonderer Genuss, gerade weil der luxemburgische Pianist es immer wieder wagt, durch klug durchdachte und außergewöhnliche Programme neue Wege einzuschlagen. Sein rezentes Album „For Piano … Or Not?“, erschienen bei Ars-Produktion, beschäftigt sich mit Transkriptionen für Klavier quer durch die Jahrhunderte. Die CD beginnt mit der Liszt-Transkription von Bachs Präludium und Fuge a-Moll BWV 543 und zeigt Nosbaum als einen ebenso versierten wie gefühlvollen Interpreten. Besonders interessant: Allessandro Marcellos dreisätziges Oboenkonzert in der Bearbeitung von J.S. Bach. Das Herz der CD aber dürfte Claude Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune (Transkription Leonard Borwick) sein, dies, weil Nosbaum hier seinen Rang als Debussy-Interpret unterstreicht und sich als Meister der Farbgebung und eines raffiniert-transparenten Spiels erweist. Auch das Intermezzo aus Tschaikowskys Schwanensee (Transkription von Karen Kornienko), die 2 Etuden nach Liedern von George Gershwin in der Bearbeitung von Earl Wild sowie Kyoko Yamamotos Bearbeitung von Astor Piazollas Histoire du Tango werden unter Romain Nosbaums Fingern zu wahren Kostbarkeiten, sodass man diese interessante CD nicht nur wegen ihres außergewöhnlichen Programms, sondern gerade auch wegen des in jeder Hinsicht nuancenreichen und klangschönen Spiels von Romain Nosbaum nur wärmstens empfehlen kann.

Kein Zweifel, hier wächst ein großer Dirigent heran, der bei diesem Konzert vor allem durch handwerkliches Können überzeugte. Auch Richard Wagners Vorspiel und Liebestod aus Tristan und Isolde zeigten die Kunst Shanis, den Orchesterklang quasi schichtweise übereinanderzulegen und immer ein ebenso transparentes wie luftiges Klangbild anzustreben. Aber auch hier störte mich dann am Ende doch, dass es nur dabei blieb. Von Dramatik, Leidenschaft und Expressivität war wenig zu spüren, denn auch hier hielt Shani das Orchester und die Musik unter Kontrolle. Die Münchner Philharmoniker spielten schön und sehr gut, konnten letztendlich aber nicht wirklich begeistern. Auch der nur höfliche Applaus zum Schluss zeigte deutlich, dass das Publikum den Auftritt der Münchner Philharmoniker als ein gutes, aber keinesfalls grandioses Konzert erlebt hat.

Von Elfen, Menschen und düsteren Mächten

Mit weitaus mehr Spielfreude und Dynamik startete das Luxembourg Philharmonic in sein erstes Konzert der neuen Spielzeit. Am Pult stand ein gutgelaunter Sir John Eliot Gardiner, der seinen Constallation Choir mitgebracht hatte. Auf dem Programm zwei eher selten zu hörende Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy, nämlich Ein Sommernachtstraum op. 61 und Die erste Walpurgisnacht op. 60. Gardiner hatte sich beim Sommernachtstraum für die Fassung mit eingefügten Shakespeare-Texten und -Szenen entschieden, die von dem aus Solisten zusammengestellten Constellation Choir halbszenisch gespielt, rezitiert respektive gesungen wurden, was zwar leider etwas von der wundervollen Musik Mendelssohns ablenkte, an sich aber eine begrüßenswerte Initiative war.

Das Luxembourg Philharmonic spielte unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner
Das Luxembourg Philharmonic spielte unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner Foto: Sébastien Grébille

Nach der Pause folgte Die erste Walpurgisnacht, eine große Kantate für Chor und Orchester zu einem Text von J.W. von Goethe. Im Wesentlichen geht es hier um religiöse Intoleranz und die düsteren Grenzen zwischen dem Natürlichen und dem Übernatürlichen sowie zwischen der Realität und dem, was uns verborgen ist.

In beiden Werken spürte man, wie sehr Gardiner dieser Musik zugetan ist und mit welcher Natürlichkeit und Überzeugungskraft er sie zu dirigieren weiß. Exzellent der Constellation Chor mit seinen Solisten, von denen vor allem der hervorragende Bass Alex Ashworth zu begeistern wusste. Das Luxembourg Philharmonic folgte Gardiner mit großer Hingabe und besonders das Blech (Luise Aschenbrenner auf dem Horn!) und die Holzblasinstrumente konnten hier punkten, weil ihnen der Dirigent viel Raum zu solistischen Phrasierungen ließ. Der Steicherapparat war bei diesem ersten Konzert noch nicht ganz warmgelaufen, insbesondere den beiden Violingruppen fehlte es hier und da ein wenig an Homogenität und magischem Zauber. Trotzdem war es ein wunderbares Konzert, das vor allem durch die Intensität der Interpretationen, das Mitgehen aller Beteiligten und sein außergewöhnliches Programm noch lange in Erinnerung bleiben dürfte.