Samstag8. November 2025

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Nations LeagueDer FLF-Gegner Bulgarien im Porträt: Trauermarsch und Hoffnungsschimmer

Nations League / Der FLF-Gegner Bulgarien im Porträt: Trauermarsch und Hoffnungsschimmer
Dieses Duell könnte es auch diesmal geben: Ilian Iliev (ZSKA Sofia) gegen Leandro Barreiro Foto: Gerry Schmit

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Vor der Qualifikation zur Euro 2024 war man in Bulgarien mit dem vermeintlich glücklichen Los – mit Ungarn, Serbien, Montenegro und Litauen als Gruppengegner – durchaus zufrieden und es gab die Hoffnung, man könnte sich endlich wieder einmal für ein großes Turnier qualifizieren. Der letzte Auftritt Bulgariens bei einer EM oder WM liegt ja schon 20 Jahre zurück (Euro 2004 in Portugal). Die Nations-League-Partie gegen Luxemburg (Samstag, 18.00 Uhr MEZ in Plowdiw) soll eine Etappe auf dem Weg in eine bessere Zukunft sein.

Während Teamchef Mladen Krstajić die Gruppe damals als „ausgeglichen, mit Serbien als Favorit“ bezeichnete, sprach Verbandspräsident Borislav Mihaylov vom „Ziel, sich für die EM zu qualifizieren“.

Zum Leidwesen der ohnehin schon frustrierten bulgarischen Fans gestaltete sich jedoch die EM-Qualifikation als eine müßige Geschichte, in der am Ende Bulgarien ohne einen einzigen Sieg, mit nur vier Punkten, auf dem fünften und letzten Platz in der Tabelle landete.

Die sportliche Misere wurde auch von Turbulenzen im und rund um den Fußballverband Bulgariens (BFU) begleitet. Die Situation kulminierte vor dem Heimspiel gegen Ungarn im November des Vorjahres. Ursprünglich sollte dieses Match in Plowdiw ausgetragen werden, aber weil angeblich die Renovierung des Stadions noch nicht abgeschlossen war, musste man nach Sofia ausweichen. Wegen der angekündigten Proteste gegen BFU und dessen Präsident Borislav Mihaylov wurde die Partie von der UEFA als „Hochrisikospiel“ eingestuft und fand vor leeren Rängen statt. Da man befürchtete bzw. wusste, dass es zu Ausschreitungen kommen würde, kam die Maßnahme, die Fans auszuschließen, auf Initiative der BFU. Dies heizte die Situation noch mehr ein. Vor allem nach dem Gerücht, dass der BFU das Match komplett absagen könnte, somit ein 0:3 am grünen Tisch und wohl eine Geldstrafe in Kauf nehmen wollte.

Die empörten Fans sprachen von einem beispiellosen Fall in der Fußballgeschichte, dass ein Verband von sich aus verlangt, ein Heimspiel ohne Publikum auszutragen, und trafen die logische Entscheidung, die Demo vor dem Stadion zu organisieren. Was zunächst friedlich begann – mit „Rücktritt“- und „Mihaylov raus“-Rufen – artete im Laufe des Abends in schwere Krawalle aus, mit mehr als 60 Verletzten, darunter mindestens 33 Polizisten, sowie mit zahlreichen Festnahmen.

Es kursierte das Gerücht, die Proteste seien von Dimitar Berbatov angestiftet worden, was er natürlich heftig dementierte. Berbatov (43), Bulgariens Rekordtorschütze (48 Tore in 78 Länderspielen), der unter anderem bei Bayer Leverkusen, Manchester United und Tottenham spielte, kämpft schon längere Zeit, um die Führung im bulgarischen Fußball zu übernehmen, bisher jedoch ohne Erfolg.

Unruhen und Proteste

Zehn Tage nach den Protesten war BFU-Präsident Borislav Mihaylov (61), unter dem Druck der Öffentlichkeit, gezwungen, zurückzutreten. Mihaylov war seit 2005 Verbandsboss, mit einer Pause von eineinhalb Jahren nach seinem ebenfalls erzwungenen Rücktritt nach dem Rassismus-Skandal bei einem EM-Qualifikationsspiel gegen England im Oktober 2019. Außer der langjährigen Misere des Nationalteams warf man ihm immer wieder vor, dass er nichts unternommen hat, die größten Probleme im bulgarischen Fußball zu lösen (schlechte Infrastruktur, Manipulation von Spielen, Korruption, Veruntreuung von öffentlichen Geldern, illegales Wetten …).

Ob es sein Nachfolger Georgi Ivanov (48) besser machen wird, bezweifeln viele, zumal er aus dem gleichen Lager wie Mihaylov kommt. „Der bulgarische Fußball hat in seinem Niedergang neue Höhen erreicht. Die passende Musik dazu wäre ein Trauermarsch. Es hat sich herausgestellt, dass die Generation wunderbarer Fußballer aus dem Jahr 1994 als Führungskräfte im Fußball absolut nutzlos ist“, meinte unlängst der Journalist und ehemalige Skirennläufer Sashko Dikov in einem Podcast.

Dies bezog sich nicht nur auf Borislav Mihaylov, den Torwart in jener Mannschaft, die bei der WM 1994 in den USA sensationell bis ins Halbfinale kam, sondern auch auf Yordan Letchkov und Emil Kostadinov, beide treue Mitarbeiter des Ex-Präsidenten, und wohl auch auf den damaligen Superstar Hristo Stoichkov, der nach einer kurzen und erfolglosen Trainerkarriere heute in Miami lebt und gelegentlich als TV-Experte in den USA tätig ist.

Besser als ihr Ruf?

Trotz aller Tristesse zum Thema bulgarischer Fußball weiß man im Team Luxemburg sicher, dass es am Samstag in Plovdiv keine leichte Aufgabe sein wird. Seit der Entlassung des eingangs erwähnten serbischen Trainers Mladen Krstajić (im Oktober 2023) blieb Bulgarien unter dem neuen Teamchef Ilian Iliev in acht Spielen ungeschlagen. Die zwei Siege, jeweils mit 1:0 gegen Tansania in einem Freundschaftsspiel in Baku, Aserbaidschan, sowie daheim gegen Nordirland in der Nations League, wurden freilich nicht groß gefeiert, da es sich um schwache Gegner handelte. Jedoch vier der sechs Unentschieden gegen die EM-Teilnehmer Slowenien (1:1), Rumänien (0:0), Ungarn (2:2) sowie Serbien (2:2) zeigten, dass diese bulgarische Mannschaft vielleicht besser ist als ihr Ruf.

Einer, der es wissen muss, ist Belarus-Teamchef Carlos Alos, der im September mit seiner Mannschaft gegen Bulgarien spielte und ein schmeichelhaftes 0:0 erreichte. „Einstellung, Laufbereitschaft, Kampfgeist und Teamwork sind bei den Bulgaren top. Hinten sind sie kompakt und verteidigen gut. Bei der Herausarbeitung von Torchancen und bei der Chancenauswertung tun sie sich etwas schwerer, aber Despodov kann mit seiner individuellen Qualität gefährlich sein“, meinte Carlos Alos zum Tageblatt.

Es gibt in Bulgarien vereinzelt auch Optimisten, die sagen, dass ja auch zum Beispiel Ungarn ganze 30 Jahre lang bei keiner WM oder EM dabei war (zwischen 1986 und 2016), dass sie nun wieder ganz gut dastehen und früher oder später wieder bessere Spieler auftauchen werden; Fußballer auf dem Niveau von Stilian Petrov, Dimitar Berbatov, Martin Petrov, oder sogar Stars wie Hristo Stoichkov, Krassimir Balakov und all die anderen Helden aus der sogenannten „Goldenen Generation“.

Auf jeden Fall scheint die Stimmung vor dem Spiel gegen Luxemburg sehr gut zu sein. Medien berichten von einem großen Interesse für Matchtickets, sodass das Stadion „Hristo Botev“ (Fassungsvermögen: 18.777) möglicherweise sogar ausverkauft sein könnte.