Sonntag9. November 2025

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Die Flatter-WGDer „Escher Déierepark“ gibt Einblick in eine tierische Wohngemeinschaft

Die Flatter-WG / Der „Escher Déierepark“ gibt Einblick in eine tierische Wohngemeinschaft
Die in der Flatter-WG lebenden Pfaue sind keine dekorativen Exoten, sondern anspruchsvolle Tiere Fotos: Carole Theisen

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Direkt am Eingang des „Escher Déierepark“ lebt eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft, ein Ensemble gefiederter Charaktere, die zeigen, wie ein artgerechtes Geflügelleben wirklich aussieht.

Was einst als selbstverständlicher Teil des Landlebens galt, wird zunehmend wieder populär: die Haltung von Geflügel. Die Gründe reichen von der Sehnsucht nach Unabhängigkeit bis zur bewussten Ernährung. Doch was auf den ersten Blick idyllisch wirkt, ist in der Praxis ein Projekt mit Anforderungen.

Sie sind eigenständig, fordernd, oft laut – aber gleichzeitig faszinierend, lebendig und voller Charakter. Wer sich mit ihren Bedürfnissen auseinandersetzt, erlebt mehr als nur die Freude an frischen Eiern. Er erlebt Verantwortung, Naturverbundenheit – und eine neue Art, mit Tieren zu leben.

„Viele unterschätzen, wie viel Platz Hühner tatsächlich brauchen“, erklärt Jérémy Da Silva, Gärtner im „Escher Déierepark“ und selbst Hühnerhalter. Zehn Quadratmeter pro Tier gelten als sinnvoll – nicht nur als Bewegungsfläche, sondern auch, damit sich die Vegetation vom ständigen Scharren und Picken erholen kann. „Denn Hühner sind aktive Tiere. Zu wenig Platz führt schnell zu Stress – für die Tiere und für die Halter.“

Und auch in puncto Gesellschaft gibt es klare Regeln: „Ein Huhn allein ist keine Option. Zwei Hennen sind das Minimum – ohne Hahn, wenn man nicht täglich um fünf Uhr geweckt werden will“, so Da Silva. Ein Hahn ist auch für die Eierproduktion nicht notwendig – nur, wenn man züchten möchte.

Weit mehr als nur Körner

Die Vorstellung vom Körnerschälchen am Morgen greift zu kurz. Eine ausgewogene Ernährung umfasst neben klassischem Hühnerfutter auch Grünfutter und Früchte – und für die Eierschalenstabilität: fein gemahlene Austernschalen. „Das Kalzium ist hier entscheidend“, erklärt Da Silva. Sogar Reste von Fleisch und Meeresfrüchten wie Garnelen können in Maßen an das Geflügel verfüttert werden.

Manche Rassen – insbesondere Zwergformen mit Fußbefiederung – sind anfällig für Nässe und Kälte. Ein geschützter, trockener Unterschlupf ist daher Pflicht, ebenso wie ein frostgeschützter Stall im Winter. Bei Rassen mit großem Kamm kann dieser bei extremer Kälte einfrieren – dagegen hilft ein einfacher Trick: Vaseline auftragen. Wichtig ist ebenfalls ein Schutz vor natürlichen Feinden. Füchse, Marder und Greifvögel sind auch tagsüber aktiv – eine gesicherte Umzäunung oder Voliere kann hier entscheidend sein.

Zwischen Romantik und Realität

Viele Menschen starten ihren Hühnerstall mit dem Wunsch, ihre eigenen Eier zu sammeln – und stoßen dabei auf die erste Enttäuschung: Nicht jedes Huhn legt täglich. Und nicht jedes Huhn legt dauerhaft. Während Hybridrassen in den ersten zwei Jahren eine beeindruckende Legeleistung zeigen, nimmt diese danach rapide ab. Alte Rassen hingegen legen über mehrere Jahre hinweg – jedoch seltener.

„Man muss sich klarmachen: Wenn es keine Eier mehr legt, hat man trotzdem ein Tier zu versorgen“, sagt Da Silva. „Altersheime für Hühner gibt es nicht – wer Tiere hält, trägt Verantwortung. Ob das Huhn dann weiterleben darf oder geschlachtet wird, ist eine ethische Entscheidung, die jeder selbst treffen muss.“

Auch die in der Flatter-WG lebenden Pfaue sind keine dekorativen Exoten, sondern anspruchsvolle Tiere. Sie benötigen noch mehr Raum als Hühner, fliegen deutlich besser – und sind keineswegs leise. „Vor allem im Frühjahr können Pfaue sehr laut werden“, so Da Silva. In dicht besiedelten Gebieten ist die Haltung daher kaum empfehlenswert.

Einstieg mit System

Wer selbst Hühner halten möchte, sollte sich gut vorbereiten. Der erste Schritt: klären, ob es lokale Vorschriften oder Anmeldepflichten gibt. Dann stellt sich die Frage nach der Rasse – große oder kleine Tiere, Legeleistung oder Zierwert, robuste Allrounder oder gefährdete alte Rassen. Hier lohnt der Kontakt zu seriösen Züchtern oder Kleintiervereinen – etwa dem lokalen „Cercle avicole“ oder der „Union des sociétés avicoles“ (USAL), die in Luxemburg aktiv sind.

Der „Escher Déierepark“ beherbergt zum Beispiel sechs Deutsche Sperber, drei Zwerg-Wyandotten, einen Antwerpener Bartzwerg, zwei Zwergmixe, ein Zwerg-Nackthalshuhn, einen weißen Pfau und ein Schwarzflügelpfau-Paar. Vom Kauf auf Märkten wird abgeraten: Dort können Krankheiten wie Vogelgrippe übertragen werden, die Haltung ist oft nicht nachvollziehbar.

Ein funktionaler Stall, artgerechte Fütterung, Schutz vor Raubtieren und tierärztliche Versorgung gehören zur Grundausstattung. Und auch der zeitliche Aufwand sollte nicht unterschätzt werden: „Man kann nicht einfach für zwei Wochen verreisen, ohne eine Lösung für die Tiere zu haben“, sagt Da Silva.

Die Flatter-WG im „Escher Déierepark“ zeigt auf charmante und unaufdringliche Weise, wie vielfältig Geflügelhaltung sein kann. Sie lädt zum Beobachten ein – und vielleicht auch zum Umdenken. „Sie fressen die Reste, die sonst niemand will, sie laufen durch den Garten, wo sie nicht sollen – und trotzdem ist es einfach schön, sie dazuhaben“, sagt Jérémy Da Silva.