Montag10. November 2025

Demaart De Maart

Österreich Der erst nur als Spaßkandidat wahrgenommene Chef der Bierpartei mischt die Politik auf

Österreich  / Der erst nur als Spaßkandidat wahrgenommene Chef der Bierpartei mischt die Politik auf
Wenn der Bierparteichef ernst spricht, dann redet er über Gerechtigkeitsthemen wie gleichen Lohn für Frauen oder armutsgefährdete Kinder und über Klimaschutz Foto: AFP/Joe Klamar

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Die Präsidentschaftswahl in Österreich brachte neben dem erwartbaren Ergebnis auch eine Überraschung: Jeder fünfte Jungwähler votierte für Dominik Wlazny. Der ursprünglich nur als Spaßkandidat wahrgenommene Chef der Bierpartei könnte das linke Lager aufmischen.

Hätten vorigen Sonntag bloß die Unter-30-Jährigen den österreichischen Bundespräsidenten küren dürfen, müsste Alexander van der Bellen noch zittern. Denn in diesem Wählersegment lag der Amtsinhaber zehn Prozentpunkte unter den 56,7 Prozent, die ihm eine Stichwahl ersparten. Und sein Herausforderer wäre nicht FPÖ-Kandidat Rosenkranz gewesen, sondern der bei den Jungwählern mit 19 Prozent auf Platz zwei gelandete Wlazny.

Mit einem Schlag ist der 35-Jährige damit zur politischen Größe geworden, mit der Parteien und Beobachter zu spekulieren beginnen, obwohl Wlazny seine Ambitionen noch für sich behält. Die Grünen hatten ihn schon vor dem Wahltag sehr ernst genommen, fürchteten sie doch, dass er ihrem Ex-Chef Van der Bellen die entscheidenden Stimmen für die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang wegnehmen könnte. In Wien verteilten die Jung-Grünen Bierdeckel mit der Warnung „Wer mit Marco Pogo saufen geht, wacht mit Rosenkranz auf“.

Lukratives Imperium

Marco Pogo ist das Alter Ego von Dominik Wlazny, die bis vor Kurzem bekanntere Kunstfigur an der Spitze der Punkrockband „Turbobier“, deren Frontman 2014 seinen Spitalarztjob an den Nagel gehängt und kurz darauf die Bierpartei gegründet hat. In Band wie Partei dreht sich alles ums Bier und ums Saufen, was die politische Einordnung des Newcomers erschwert.

Gemäß Statut versteht sich die Partei als „bierokratische Bewegung“ mit dem Ziel einer „Bierokratie“, in der alle Macht vom Bier ausgeht. Schon real ist das „bierokratische“ Imperium: „Pogo’s Empire“, nennt sich die Firma, die den Bierkult vergoldet: Im „Turboshop“ der Partei gibt es unzählige Merchandising-Produkte, vom Bierpartei-Kapperl über Pogo-T-Shirts bis hin zum „Turbobier“, das sogar die Handelskette Spar schon im Getränkesortiment hat. Es ist davon auszugehen, dass die Präsidentschaftswahl ein Turbo fürs Geschäft ist.

Was ist Ernst, was Spaß?

Auch wenn sich Wlazny im Wahlkampf um Ernsthaftigkeit bemüht hat: Saufpunk Marco Pogo war bislang die politisch treibende Kraft. In Wien-Simmering, wo die Bierpartei wie in einigen anderen Bezirken seit der Gemeinderatswahl 2020 vertreten ist, brachte sie einen Antrag auf Errichtung eines Bierbrunnens ein. Begründung: „So sollen sowohl der Alkoholpegel als auch die Lebensqualität der Stadt nachhaltig auf einem hohen Niveau gehalten werden.“

I moch mi stoark fia’n klanan Monn, fia Punks und Tachinierer

Aus einem der Songtexte von Marco Pogo, dem Alter Ego von Dominik Wlazny (Tachinierer sind dabei Faulenzer)

Marco Pogos Punkrocktexte sind hochpolitisch, aber zu radikal, um wörtlich genommen werden zu können: „War i Politika, bleibt sicha nix beim Alten, kana muass mehr hackeln geh, und Freibier gibt‘s für jeden“ (hochdeutsch: „Wäre ich Politiker, bleibt sicher nichts beim Alten, keiner muss mehr arbeiten gehen und Freibier gibt’s für jeden“) singt Marco Pogo und verspricht: „I moch mi stoark fia’n klanan Monn, fia Punks und Tachinierer“ (hochdeutsch: „Ich mache mich stark für den kleinen Mann, für Punks und Faulenzer.“). Eine sehr spezielle Wahlwerbung enthält auch dieser Refrain eines „Turbobier“-Songs: „Wenn du gerne fett (betrunken, Anm.) bist und jeden Tag angsoffen, dann wähle uns, die Bierpartei.“

Land der Alkoholiker

Ganz ernst kann das zweifelsohne nie gemeint gewesen sein. Aber was dann die Botschaft sein soll, bleibt unklar. Das augenzwinkernde Spielen und Geldverdienen mit der alpenrepublikanischen Saufkultur trägt einem Politiker, noch dazu einem mit Medizinhintergrund, auch Kritik ein. Denn in einem Land, in dem der Gesundheitsstatistik zufolge nahezu jeder vierte Erwachsene Alkohol in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß konsumiert und jeder Zehnte im Laufe seines Lebens ein Alkoholsuchtproblem bekommt, könnten Marco Pogos Saufparolen tatsächlich als politisches Credo missverstanden werden.

Wie ernst es Wlazny mit dem Wandel vom Spaßpunker zum ernstzunehmenden Politiker ist, lässt sich schwer einschätzen. Am Wahlabend prolongierte er den Alkokult jedenfalls mit der Ansage, für jeden erreichten Prozentpunkt ein Bier zu trinken. Das wären also bei 8,3 Prozent vier Liter Gerstensaft, also ein Vollrausch gewesen. Das dazu passende Zitat aus einem Marco-Pogo-Song: „Sitz hackedicht im Parlament, i hob do kan Genierer“ (etwa: „Sitze betrunken im Parlament und geniere mich nicht“).

Einfach nur anders

Ob Wlazny nach der spätestens 2024, nach wahrscheinlichen Landtagswahldebakeln der ÖVP vielleicht auch früher anstehenden Nationalratswahl im Parlament sitzen könnte, beschäftigt vor allem die Parteien links der Mitte schon jetzt. Denn wenn der Bierparteichef ernst spricht, dann redet er über Gerechtigkeitsthemen wie gleichen Lohn für Frauen oder armutsgefährdete Kinder und über Klimaschutz. Sogar draußen auf dem Land, wo ihn bis vor Kurzem wirklich niemand kannte, schnitt Wlazny gut ab, holte etwa in Niederösterreich achteinhalb Prozent. „Die SPÖ muss sich Sorgen machen“, findet der Politikberater Thomas Hofer. Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil glaubt ebenfalls, dass mit der Bierpartei künftig zu rechnen sei.

Die Sozialdemokraten plagt schon jetzt das Problem, die Dauerturbulenzen der ÖVP nur mäßig in eigene Zuwächse verwandeln zu können. Die treuen Altgenossen sterben aus, Nachwuchs fehlt, weil sich Junge kaum noch für eine Altpartei begeistern lassen. Sogar die Grünen schauen als Koalitionspartner der Türkisen mittlerweile ziemlich alt aus und fürchten einen wie Wlazny, der offenbar allein durch unkonventionelles Auftreten und Verzicht auf Politikersprech Junge magisch anzieht. Seine Wirkung ist vergleichbar mit jener, die einst Sebastian Kurz rechts von der Mitte entfalten konnte: Ein Junger, der einfach nur anders ist beziehungsweise so wirkt. Anders als der verglühte ÖVP-Stern verfügt Wlazny aber weder über finanzstarke Gönner noch einen großen Parteiapparat. Dass aber auch ohne viel Geld und Personal viel möglich ist, hat er gerade bei der Präsidentschaftswahl bewiesen.