EditorialDer afrikanische Domino-Effekt

Editorial / Der afrikanische Domino-Effekt
Nigrische und russische Flaggen über Niamey Foto: AFP

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„Merci Wagner“ war vor einigen Monaten auf Schildern zu lesen, die Jugendliche durch Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou trugen. In dem westafrikanischen Land war im September 2022 der Präsident per Staatsstreich abgesetzt worden. Noch hielten sich französische Elitesoldaten der Geheimmission „Sabre“ dort auf. Doch es war den Schildern bereits zu entnehmen, wer ihnen folgen sollte. Dabei waren die russischen Söldner zumindest offiziell noch gar nicht eingetroffen.

Nach Guinea, Mali, Tschad und Burkina Faso ist es auch in Niger zu einem Militärputsch gekommen – ein weiterer Staat in der Sahelzone, die von den Franzosen als „geostrategischer Hinterhof“ bezeichnet wurde. Emmanuel Macron, dessen Regierung den nun entmachteten Präsidenten Mohamed Bazoum unterstützt hatte, versuchte vergeblich, den Putschisten Traoré für sich zu gewinnen. Le Figaro nannte es „Le dernier domino“: Seit der Offensive Moskaus 2015 gegen den französischen Einfluss seien afrikanische Länder nach und nach in die russische Sphäre geraten. Als Überbleibsel des Kalten Krieges erlebe die Domino-Theorie in Afrika ein fulminantes Comeback.

US-Präsident Eisenhower hatte diese 1954 verkündet und damit die Gefahr gemeint, dass alle Länder einer Region wie bei einer Kette von Dominosteinen nach und nach umfallen und sich von der westlichen Welt abwenden würden. Die USA stützten sich bis zum Ende des Ost-West-Konflikts auf diese Theorie, um das Vordringen des Kommunismus zu verhindern. Einen ähnlichen Effekt befürchtet wohl Macron. Umso deutlicher war seine Reaktion auf die Ausschreitungen vor Frankreichs Botschaft in Niamey: Jeder Angriff auf französische Staatsbürger und Einrichtungen würde sofort und unnachgiebig beantwortet.

Niger galt nach den Putschen in Mali und Burkina Faso als letzter Stabilitätsanker des Westens in der unstabilen Region gegen die islamistische Bedrohung und den wachsenden russischen Einfluss. Und es war auch seit mehr als drei Jahrzehnten Zielland der luxemburgischen Kooperationspolitik. Außerdem ist Niger der fünftgrößte Lieferant von Uran für die französischen Atomkraftwerke. Die Stimmung gegen die einstigen Kolonialisten wird offensichtlich von Moskau geschürt, bestätigt der Journalist Antoine Glaser. Dies gilt aber auch für andere afrikanische Länder, wie dem Russland-Afrika-Gipfel zu entnehmen war, bei dem der russische Präsident Wladimir Putin sechs afrikanischen Staaten bis zu 50.000 Tonnen Gratislieferungen Getreide versprach. Derweil gehen Frankreich allmählich die Verbündeten in Afrika aus.

Macron hatte nach seinem Amtsantritt 2017 bei einer Rede in Ouagadougou angekündigt, die französischen Beziehungen zu Afrika radikal zu ändern, unter anderem durch die Rückgabe von Kulturschätzen und mit Einbindung der Zivilgesellschaft. Doch er versuche es weiterhin mit alten paternalistischen Methoden, kritisiert der aus Kamerun stammende Historiker und Politikwissenschaftler Achille Mbembe. Dabei bahne sich das „Ende eines Zyklus“ an. Die afrikanische Jugend begehre auf, lasse sich von der ehemaligen Kolonialmacht nichts mehr vorschreiben und keine Lektionen in Demokratie erteilen. „Heute entscheiden die Afrikaner selbst“, schrieb auch Bruno Clément-Bollé im Januar in Le Monde. Der frühere Leiter der französischen Militärmission an der Elfenbeinküste spricht von einer Zeitenwende, von einem dominierten zu einem souveränen Afrika. „Sie haben ihre eigenen Lösungen und dies zu ihren eigenen Bedingungen.“ Doch sind es wirklich ihre eigenen Konditionen – oder wird der Westen einfach nur von China und Russland abgelöst?

Jedenfalls ist der Antiterror-Einsatz in den Ländern der Sahelzone, für den auch andere europäische Länder Soldaten entsandten und der acht Milliarden Euro gekostet haben soll, gescheitert. Auch wurde die Hoffnung einiger Optimisten enttäuscht. „Alles wird anders“ in Afrika, meinte vor gut zwölf Jahren der Journalist Dominic Johnson in seinem Buch „Afrika vor dem großen Sprung“ und beschwor das Ende der Jahrzehnte von Arroganz und Ignoranz sowie die „Renaissance“ und „zweite Befreiung“ Afrikas. Danach sieht es momentan nicht aus. Die neuen Machthaber in Burkina Faso und Mali haben die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) vor einem Eingreifen gewarnt. Eine militärische Intervention käme einer Kriegserklärung gleich. Das Säbelrasseln geht demnach weiter und droht zu eskalieren.

jung.luc.lux
3. August 2023 - 13.18

@ Beobachter
Der Kommunismus ist tot. China hat das verstanden wo ein kleiner Teil vom Kommunismus überlebt hat. In Afrika herscht absolute Disziplinlosigkeit. Waren Sie schon in einem Land in Afrika?
Wenn es verschiedenen Ländern besser mit den Russen gefällt. Ja bitte. Dann sollen sich doch die Russen um diese Länder kümmern und Flüchtlinge aus Ländern ihrer Freunde aufnehmen.

Beobachter
3. August 2023 - 7.00

Die Diktatur des Kapitals wird vom Kommunismus aufgefressen. Zeitenwende!