ForumDemokratie ist Herrschaft des Volkes. Aber was will das Volk?

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Der brutale Absturz der Grünen sei auch ein Resultat der Informations-Gewohnheiten der Luxemburger, schreibt der Autor Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Der Wähler hat gesprochen. Nein, die Wähler haben gesprochen. Die Wählerschaft ist nicht aus einem Guss. Vertritt sehr unterschiedliche Meinungen. Von den 286.000 eingeschriebenen Wählern haben rund 36.000 ihr Desinteresse an Politik durch Wahlabstinenz ausgedrückt. Obwohl theoretisch Wahlpflicht herrscht. 250.000 Wähler kamen dieser Pflicht nach. Ohne immer ihr Stimmrecht voll zu nutzen. Auf den gültigen Wahlzetteln wurden von 4 Millionen möglichen Stimmen über 300.000 verschenkt.

Gut 7.900 Wähler manifestierten Protest durch die Abgabe eines „weißen“ Stimmzettels. Zählt man die manchmal mit Schmierereien versehenen 10.700 ungültigen Stimmzettel dazu, verlor sich insgesamt gut 20 Prozent des „Wählerwillens“!

Eigentlich ist die Abstinenz des „Volks-Souveräns“ noch größer. Von 135.000 Auslands-Luxemburgern registrierten sich bloß 6.378 als Wähler. Von 20.000 Brasilianern mit einem luxemburgischen Pass waren es ganze 188. Trotz Propaganda der Parteien vor Ort.

Das viel beklagte „demokratische Defizit“ entspringt oft dem Desinteresse vieler Mitbürger am politischen Wettstreit. Man kann das „Chamber-Bliedchen“ gratis abonnieren. Bloß einige 6.000 Bürger haben dies getan. Was nicht heißt, dass alle Abonnenten die Debatten der Ehrenwerten auch lesen. Sonst müsste das Wahl-Resultat ein anderes sein. Einige der aktivsten Abgeordneten waren die nicht wiedergewählten Fraktionspräsidenten Yves Cruchten, Gilles Baum oder Josée Lorsché. Während Abgeordnete wie Lydie Polfer oder Georges Mischo, die selten bis nie am Rednerpult standen, ein blendendes Resultat einfuhren. Sie sind im Hauptberuf Bürgermeister.

Manche Kommentatoren beklagen, der Ausschluss der hierzulande lebenden Ausländer oder der 230.000 Grenzgänger von der Wahl würde das Resultat verfälschen. Nicht sicher.

Im März 2024 finden Sozialwahlen statt. Für die alle Arbeitnehmer, ob Luxemburger oder Ausländer, auch die „Frontaliers“, das Wahlrecht haben. Bei der letzten Wahl für die Salariatskammer hatten mehr als zwei Drittel aller Arbeitnehmer ihr Stimmrecht nicht genutzt. Obwohl der ihnen zugeschickte Wahlzettel bloß zurückzusenden war. Kostenlos.

Politisch interessierte ausländische Mitbürger können sehr leicht das Wahlrecht erhalten. Die Naturalisierung wurde stark vereinfacht. Man darf selbst seine Ursprungs-Nationalität behalten. Unter den 286.000 Wahlberechtigten gab es am 8. Oktober 29.000 Neuwähler ausländischer Herkunft, immerhin über 10 Prozent.

Neuwähler „proletarischer“ Herkunft sind selten. Die übergroße Mehrheit der 29.000 Neuwähler gehört zu den gut etablierten Besitzbürgern. Damit empfänglicher für „#Luc“ oder „Xavier“.

Absolute Verlierer

Das Resultat der Wahl ist klar. Größter Verlierer sind die „Meinungsforscher“ mit ihren „Sonntags“-Fragen. Was wurde dem staunenden Volk nicht alles vorausgesagt in den letzten fünf Jahren? Der Absturz der DP nach der Plagiats-Affäre des Xavier Bettel. Die kontinuierliche Ausfransung der CSV, mit bis zu fünf Sitzen Verlust. Das Erstarken von „déi Lénk“ auf Kosten einer zu rechten LSAP. Der bevorstehende Siegeszug der Piraten, denen bis zu sieben Sitze zugetraut wurden. Was Ilres-Chef Tommy Klein zu einer abgesoffenen Kandidatur bei den Süßwasser-Korsaren führte.

Doch es kam alles anders. Die Vielfalt der Wählermeinung schuf klare, wenn auch für manche unbequeme Verhältnisse. Luc Frieden ist der eindeutige Gewinner. Selbst wenn die CSV ihre bisherigen 21 Sitze nicht ausweiten konnte. Doch mit über einem Drittel der Parlamentarier sind die „mam Luc“ nicht zu übergehen. Obwohl von der Dreier-Koalition sowohl DP wie LSAP (im Gegensatz zur CSV) zwei respektive einen Sitz zugewinnen konnten.

Doch der Absturz der Grünen von neun auf vier Sitze ist einfach zu brutal, um Bettel die Chance zur Amtserhaltung zu bieten. Eine Vierer-Koalition unter Einbeziehung der drei Piraten ergäbe eine rechnerische Mehrheit im Parlament. Führte aber zu einer nachhaltigen Bankrott-Erklärung.

Die Gründe für das Grünen-Desaster sind vielschichtig. Quer durch die Medienlandschaft gab es eine positive Resonanz zu grünen Themen. Welcher Leitartikler will nicht den „Planeten retten“? Auch machten einige grüne Minister eine gute Figur. Sam Tanson hinterlässt eine untadelige Bilanz in Kultur wie Justiz. François Bausch setzte starke Akzente für Transport wie Verteidigung. All dies wurde zunichtegemacht durch das „ideologische“ Gebaren der Dieschbourg, Turmes und Kox. Durch Skandale und Skandälchen, etwa die Gartenhaus-Affäre des Herrn Traversini. Oder das kaltschnäuzige Abservieren des Félix Braz, dessen Sympathie-Werte nun seine Tochter in die Chamber katapultierten.

Ungeliebte Steuern

Die Luxemburger sind zu 80 Prozent ein Volk von Eigenheim-Besitzern. Daher nicht gerade begeistert von den „Vermögenssteuer“-Politiken, die Sozialisten wie Grüne propagierten. Es ist bezeichnend, dass die klugen Köpfe hinter diesen linken Ideen, etwa der frühere Minister Dan Kersch oder Fabricio Costa (Grüne) sowie Max Leners (LSAP), von den Wählern unberücksichtigt blieben.

Auch bleiben die Luxemburger ein Volk von Autofahrern. Selbst wenn das Fahrrad verstärkt zu meistens rekreativen Zwecken genutzt wird. Der Autopark steigt kontinuierlich. Mitte 2023 waren es über 611.000 Vehikel aller Art. Darunter 19.000 Elektromobile, 3,1 Prozent des Fuhrparks.

Davon zwei Drittel Firmen-Wagen, die voll von den Subventionen profitierten. Bloß 7.300 E-Autos sind auf Privatpersonen eingetragen. Oft als Zweitwagen. Im Großherzogtum findet das programmierte Aus für den Verbrennungsmotor keine massive Anhängerschaft. Zudem ärgern sich viele Autofahrer über das stete Verteuern von Benzin und Diesel durch CO2-Taxen. Eine Herzensangelegenheit des nunmehr abgewählten Minister Turmes. Das dem Planeten nicht nutzt, weil die Tankvorgänge bloß in die Großregion verlagert werden.

Der brutale Absturz der Grünen ist auch ein Resultat der Informations-Gewohnheiten der Luxemburger. Zwei Drittel „kucken de Fernseh“, ein Drittel „d’Television“. Wer das trostlose Werkeln der Grünen in der deutschen Ampel-Regierung mitbekommt, kann nur wie etwa eine Liz Braz „millionenfach“ den Kopf schütteln. Wer französische Sendungen verfolgt, hat die gleiche Reaktion bei den „grünen“ Tiraden einer Sandrine Rousseau. Die selbst das Grillen von Würsten verbieten will.

Zwei Drittel für Stabilität

Rund zwei Drittel der Wähler (66,8 Prozent) entschieden sich am Sonntag für die drei klassischen Regierungsparteien CSV, DP und LSAP. Ein weiteres Drittel stimmte für die verbleibenden neun Parteien. Von denen fünf ohne Sitz blieben. Dabei gingen um die 4,7 Prozent der Wählerstimmen verloren. Der Gegenwert von mindestens einem Sitz.

Links neben den Sozialisten bleibt nicht viel. Die KP versank in der Bedeutungslosigkeit. Die „Lénk“ behielt mit Mühe ihre zwei Mandate, fiel aber unter 4 Prozent. Die Piraten mussten die Segel ihrer Ambitionen streichen. 6,7 Prozent und drei Sitze bleiben ein Sturm im Wasserglas. Vor fünf Jahren dienten die Piraten für manch unzufriedene Bürger als Protest-Ventil. Diese Funktion übernahm diesmal die ADR. Die mit fast 10 Prozent der Stimmen nunmehr Fraktionsstärke besitzt. Obwohl es in den Medien keinen Rückhalt für die Keup, Kartheiser und Co gab. Ein Anstoß für alle Schreiberlinge, darunter den Verfasser dieses Artikels, ihren Einfluss nicht zu überschätzen …

Global gesehen ergaben die Wahlen einen Rechtsruck. Welcher der Soziologie des Landes entspricht. Luc Frieden erhält eine solide Mehrheit im Parlament mit den Liberalen. Doch keine Vorverurteilung. Eine Regierung misst man an ihren Taten. Frieden soll seine Chance haben.

Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre
Phil
2. November 2023 - 18.42

Das Volk weiss zumindest was es nicht will, und das sind Grüne und Rote!

John G.
15. Oktober 2023 - 23.02

Es erschliesst sich mir nicht recht, wieso Herr Goebbels, nachdem er die letzten Jahre unermüdlich auf allem Grünen herumgetrampelt hat, jetzt aus verstaubten Schubladen mögliche Ursachen für den « Grünen-Absturz » hervorzieht, wie z.B. die Informations-, bzw. Fernsehgewohnheiten der Wähler. Sorry, aber „millionenfaches Kopfschütteln“ auch meinerseits.

Ein Atheist
14. Oktober 2023 - 15.49

@ JJ und @ liah1elin2 Ihr seid alle beide liebe und gescheite Menschen. Seid gegrüsst und ein schönes Wochenende Gentlemen.

liah1elin2
14. Oktober 2023 - 7.07

@Ein Atheist Als junger Vater las ich 1855 den Bericht des Club of Rome, Grenzen des Wachstums, von 1972 und habe begonnen mich an Umwelt und Klima zu orientieren und zu leben. Mit dem Aufkommen der grünen Parteien wurden diese Themen einer breiten Bevölkerung näher gebracht. Es begann ein Umdenken, Umwelt und Klima wurden zu politischen Themen, sind es heute noch und werden es bleiben. Dadurch hat die Forschung und Industrie in globalen Netzwerken diese Themen aufgenommen und werden uns immer neue, kluge und wichtige Errungenschaften präsentieren. In der ARD Mediathek unter "Wissen" ist dazu der Zweiteiler "Die Revolution der Erneuerbaren" zu finden, sehenswert. Mir erschließt nicht, was ich, gemäss Ihnen, noch immer nicht verstanden habe. Und ja, bleiben Sie bei Ihren "klugen Sprüchen", das brauchen Sie anscheinend.

den trottinette josy
13. Oktober 2023 - 15.59

Hätte mich gewundert, wenn Herr Goebbels sich nicht zu Wort gemeldet hätte . Wer war denn mitverantwortlich für die LSAP Niederlage 1979? Zur Erinnerung: der Goebbelsche Artikel mit dem gekreuzigten Pierre Werner am Vortag der Wahlen! Eine Glanzleistung an Arroganz, die auch prompt bestraft wurde. Ein Schuss der nach hinten losging und der LSAP mindestens 2 Sitze kostete und die CSV wieder an die Macht brachte. Also, Herr Goebbels, wer im Glashaus sitzt solte auch als elder Statesman sich in Demut und Bescheidenheit üben und zurückhaltender sein.

keen Atheist
13. Oktober 2023 - 15.26

Elo huet jiddefalls de Kox, deen sech sou gär schwätzen héiert, de Mond gestoppt kritt.

El Greco
13. Oktober 2023 - 14.01

Aus all Exekutive an där d'Miss T Deel war, ass se bei der éischter Geleeënheet eraus geflunn.

Ein Atheist
13. Oktober 2023 - 11.46

@ liah1 etc. / du scheinst noch nicht verstanden zu haben. Klinke dich aus, das zeigt dann dein wahres grünes Schweizer Gesicht, Niveau und ist ganz alleine deine Sache.

JJ
13. Oktober 2023 - 11.16

@liah1elin, richtig.Ich bin auch Atheist, aber richtige Atheisten zwingen keinem ihre Meinung auf und argumentieren stets. Was den Kollegen anbetrifft so antworte ich gar nicht erst auf solche lapidaren Kommentare.Diskussion geht anders. Also ganz ihrer Meinung.

liah1elin2
12. Oktober 2023 - 18.12

@Ein Atheist Ich habe Ihnen nur meine Ansicht mitgeteilt. Sollten nur Kommentare wie der Ihrige in den Foren zu finden sein, wäre meiner Ansicht nach der Sinn solcher Foren auf einem Niveau, wo ich mich ausklinken würde. Aber das ist Ihre Sache.

Ein Atheist
12. Oktober 2023 - 15.49

@ liah1elin2/ Cool man, keine frechen Kommentare Freund. Etwas Offensichtliches braucht keine Beispiele. Siehe das miese Wahlresultat deiner Grünen. Und nun, alles klar Herr Kommissar?

liah1elin2
12. Oktober 2023 - 11.36

@Ein Atheist Wieder so ein sinnfreies Pauschalurteil, ohne nur ein oder mehrere Beispiele zu erwähnen. Eine Aussage ohne jeglichen Informationswert.

Grober J-P.
12. Oktober 2023 - 8.52

"Demokratie ist Herrschaft des Volkes. Aber was will das Volk?" Tja, leider wissen viele nicht was sie wollen. Selbst die Parteien sind sich nicht im Klaren. Hat man "Klares" in den Programmen lesen können?

fraulein smilla
11. Oktober 2023 - 23.42

Eigentlich muesste die neunmalkluge Caroline Mart sich mal zu dem Desaster der tns ilres Sonndesfro erklaeren .Was hat man uns da eigentlich vercklickert ?Ganz Besonders der Unsinn von den Sympathie und Kompetenzpunkten von einzelnen Politiker .Wie in aller Welt wissen die Leute am Telephon wie gut Der oder Die seine Dossiers kennt . Das Ganze ist doch alles Selbstbefriedigung .

Leila
11. Oktober 2023 - 21.07

Für den einen großen Tag, den man "Hochzeit" nennt, verblödet man doch gerne religiös, wenn der stolze, atheistische Bräutigam (bekanntes Beispiel Christian Lindner) seine Holde im weißen Prachtgewande dafür in der Kirche mit Pfarrer dem hingehauchten: "Ja, ich will" feiert... Heuchelei und protziges Gehabe ohne Ende! Vorher voll begeistert von Gambia, wird jetzt schon mal ein Gang runtergeschaltet: Gambia hat a u c h Gutes vollbracht... (also doch nicht nur Gutes?)

Ein Atheist
11. Oktober 2023 - 17.29

@ JJ / Und noch einmal klar und deutlich damit auch sie es nie wieder vergessen. Gambia war 10 Jahre lang die schwächste und schlechteste Regierung die Luxemburg je hatte und wahrscheinlich haben wird.

liah1elin2
11. Oktober 2023 - 16.49

Ein wirklich interessanter Artikel, gebündelt mit viel Informationen. Etwas zum speichern und aufbewahren. @JJ Ja Gambia hat viel angestoßen und richtig gemacht, Ihre Aufzählung der Beispiele zeugen davon. Manch einer muss sich jedoch überrumpelt vorgekommen sein ob des Tempos, hat die Notbremse gezogen und wieder bürgerlich gewählt. Da ist nichts falsches dran, auch wenn ich als links/grüner Wähler nun in der Opposition bin.

JJ
11. Oktober 2023 - 10.14

Wenn Umweltschutz bedingt dass wir auf die Bäume zurück müssen,dann wird es keinen Umweltschutz geben. So einfach ist das ,aber just das machen Turmes,Habeck & Co. Der Rad fahrende Veganer der mit Wärmepumpe heizt, kein Fernsehen schaut und im Urlaub zuhause bleibt um sich an die Straße zu kleben stellt die Ausnahme im Wählervolk. Wir werden vom Öl wegkommen müssen,ganz klar. Aber Gambia hat auch gutes vollbracht worauf wir mit der CSV heute noch warten müssten. Eine Tram wie in jeder europäischen Großstadt,ja sogar den Gratistransport,dann der Schutz vor religiöser Verblödung in Primärschulen und letztlich eine gute Handhabung einer tödlichen Pandemie. Bravo Gambia. Sehen wir nun was die Christen daraus machen.

luxmann
11. Oktober 2023 - 9.42

Manch interessante fakten in diesem artikel. U.a. die feststellung dass die teure brasilien reise unserer volksvetreter sich nicht wirklich gelohnt hat mit gerade 188 waehlern. Hoffentlich war wenigstens ein bad auf der copacabana auf dem programm.