Der einst mächtigste Mann des Radsports ist zurück beim einstmals mächtigsten Team der Radsports – doch weder Mann noch Team wollen wirklich darüber reden. Nicht nur wegen des Comebacks von Mastermind Dave Brailsford ließe sich bei der laufenden Tour de France trefflich über die britische Ineos-Mannschaft berichten. Doch das Team hat sich bei kritischen Themen eine weitgehende Nachrichtensperre verordnet. Und liefert damit den wieder aufgekommenen Verdächtigungen des Dopings und der klandestinen Machenschaften Nahrung.
„Dieses Team hatte immer eine strikte Null-Toleranz-Politik gegenüber Doping. Historisch wie aktuell“, hieß es knapp von Ineos auf SID-Anfrage: „Wir halten uns an alle relevanten Anti-Doping-Vorschriften und kooperieren mit allen Behörden und bei allen Ermittlungen.“ Ein seltenes Lebenszeichen der Mannschaft aus Knightsbridge bei London, für das auch Bob Jungels läuft. Der amtierende luxemburgische Landesmeister im Zeitfahren wurde nicht von seinem Team für die Tour nominiert.
Indizien aus ARD-Doku
Die Nachfrage war nötig geworden, weil zuletzt Indizien – vor allem im Rahmen der ARD-Doku „Im Windschatten“ – aufzeigten, dass rund um Ineos Unlauteres ablaufen könnte. Im Kern ging es um einen Betreuer, der Kontakte in einschlägig belastete Kreise unterhalten haben und bis heute für das Team tätig sein soll.
Weil auch in der Ära unter Teamchef Brailsford, als die damalige Sky-Equipe vor allem mit Chris Froome die Tour beherrschte, wiederholt Aktionen im mindestens dunkelgrauen Bereich (Stichwort Salbutamol) offenkundig geworden waren, besteht nun dringender Gesprächsbedarf. „Wenn es etwas zu hinterfragen gibt, muss es hinterfragt werden“, sagte Rolf Aldag, Sportlicher Leiter im Red-Bull-Team mit eigener Dopingvergangenheit am Montag, mit freundlichen Grüßen an die Konkurrenz.
Nur: Hinterfragen ist schwierig. Als Ineos-Profi Thymen Arensman zur verpflichtenden Pressekonferenz nach seinem Sieg auf der 14. Etappe antrat, waren einschlägige Themen ausdrücklich unerwünscht. Als zwei Journalisten den Wunsch ignorierten, merkte der Niederländer an, doch bitte beim Team nachzuhaken.
Hätte man ja gerne. Nur: Ineos ist für konkrete Nachfragen praktisch nicht greifbar. Auf die nicht verpflichtenden, aber stillschweigend erwarteten Pressetermine vor Tourstart in Lille sowie an den Ruhetagen verzichtete Ineos. Die Presseaussendungen beschränken sich auf Feel-Good-Stories wie die Abschiedstour von Ex-Champ Geraint Thomas. Ansonsten: Wegducken, aussitzen, laufen lassen. Auch die Rückkehr von Brailsford geschah weitgehend im Stillen. Vertrauen schafft dies nicht.
Brailsford in offener Funktion bei Ineos
Zwar ist das Thema Doping anders als in übelsten Zeiten nicht allgegenwärtig bei dieser Tour. Es wabert aber wie dunkle Materie durch das Peloton. Die außergewöhnlichen Leistungen eines Tadej Pogacar sorgen nachvollziehbar an mancher Stelle für Skepsis. Ansatzpunkte für konkretes Misstrauen gibt es aber weder beim Slowenen, noch bei manchen erstaunlichen Leistungssprüngen – zu denen fairerweise auch jene des Deutschen Florian Lipowitz zu zählen sind.
Ineos macht sich sportlich nicht verdächtig. Die Mannschaft, die die Tour zwischen 2012 und 2019 in sieben von acht Fällen gewann, fährt trotz großer finanzieller Aufwendungen meist hinterher. Weil die Millionen von Chemie-Milliardär Jim Ratcliffe nicht weiter verpuffen sollten, holte das Team Brailsford zurück.
Was „Sir Dave“ derzeit macht und in welcher Funktion, lässt Ineos bewusst offen. Klar ist nur, dass der Spirtius Rector vor Ort ist – am Teambus, der zunehmend zum orangen, jederzeit abtauchbereiten U-Boot wird, lässt er sich besichtigen, aber eben nicht zu drängenden Themen ein.
„Für ihn ist es hier wie für ein Kind im Süßigkeitenladen. Über Anstiege zu reden und wieder in den Bergen zu sein – das ist das Schlachtfeld, das er kennt und liebt“, sagte Team-CEO John Allert martialisch-worthülsig: „Wir haben Dave mit offenen Armen empfangen.“ Abseits dieser Arme geschieht hingegen derzeit nichts offen bei Ineos. (SID)
De Maart
Ein klein bisschen Ethylen von Sir James gespendet wird wohl nicht schaden. Von Bitsch bis Wooltz kamen wir auch immer schneller hoch, mit Cola-Cognac. Das waren noch Zeiten, haben damals noch den alten Deutz von Bauer Piir überholt.