Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Die vier Jahre später gegründete Bundesrepublik Deutschland bekannte sich zu den Menschenrechten und verpflichtete sich als Teil des vereinten Europas, dem „Frieden der Welt zu dienen“. 80 Jahre später klingt vieles selbstverständlich – und doch in weiter Ferne. Der 8. Mai 1945 markierte sowohl den Sturz des Naziregimes als auch den Beginn einer neuen Zeit. Dabei wird häufig vergessen, dass die Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein ständiger und zu verteidigender „work in progress“. Ihre Gefährdung ist angesichts der veränderten Weltlage sowie der Rückkehr des Krieges nach Europa wieder näher gerückt.
Auch scheint das Ende des Zweiten Weltkriegs heute in neuem Licht. Die damalige Einheit der Sieger war nicht von langer Dauer. Dem Kriegsende folgte der Kalte Krieg, und auch wenn mit dessen Ende vor etwa 35 Jahren die berechtigte Hoffnung auf ein Ende der Spaltung der Welt aufkam, zerbarst diese Hoffnung spätestens mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Mit dem politischen Machtwechsel in den USA und der Rückkehr der faschistischen Gefahr sind die Europäer erst recht darauf angewiesen, politische Einheit wie auch demokratische Resilienz zu beweisen. Der Tag der Erinnerung an das Weltkriegsende und der 9. Mai als Europatag liegen nicht zufällig nah beieinander.
Viele feiern den 8. Mai als Tag der Befreiung. Dagegen wurde in der Sowjetunion der 9. Mai als „Tag des Sieges“ über den Faschismus gefeiert. In den russischen Nachrichten scheint der „Große Vaterländische Krieg“ heute noch nicht beendet. Die Ukrainer werden als Faschisten abgestempelt – und Wladimir Putin als oberster Antifaschist dargestellt. Die russische Propaganda knüpft am Narrativ des Zweiten Weltkriegs an und strickt sich daraus einen nützlichen Mythos. Sie deutet die Geschichte nach ihrem eigenen Nutzen um.
Luxemburg wurde am 10. September 1944 von den Amerikanern befreit, obwohl der Krieg damit nicht zu Ende war, und in Italien nahm man den 25. April 1945 als symbolisches Datum der Befreiung von Faschismus und NS-Besatzung. Nach dem Kriegsende bildeten sich die großen politischen Strömungen, die Italien in der Nachkriegszeit prägten, aus dem Comitato di Liberazione Nazionale heraus. So entstand ein antifaschistisches Gründungsnarrativ – wenn auch mit unterschiedlichen Zielen.
Lange Zeit geriet fast in Vergessenheit, dass sich nicht alle befreit fühlten. So auch im besiegten Deutschland. Der 8. Mai stand für Kapitulation, Niederlage und Zusammenbruch. Einen entscheidenden Wendepunkt stellte die 40-Jahr-Feier des Kriegsendes im Jahr 1985 dar, als der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede betonte: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Der Tag steht bis heute für ein „Nie wieder“ von Nazidiktatur und Holocaust.
Wiederum 40 Jahre später wird dies in erster Linie von der extremen Rechten bestritten. Sie will einen Schlussstrich unter das Gedenken ziehen. So versuchen etwa Politiker von der AfD, die Geschichte umzudeuten, indem sie z.B. Hitler zum Kommunisten machen und eifrig Täter-Opfer-Umkehr betreiben. Doch auch anderswo, von Argentinien bis in die USA, wird Geschichtsklitterung betrieben. Für jene, die in der faschistischen Tradition stehen, ist das Ende des Zweiten Weltkriegs ein unbequemes Datum. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni fällt es schwer, den 25. April als Tag der Selbstbefreiung durch die Partisanen des Widerstands zu feiern. Umso wichtiger sind diese Gedenktage. Sie sind ein kollektives Erinnern – und eine Verinnerlichung der Geschichte.
Kurzum, nach dem Krieg ist vor dem Krieg! Daran hat sich nichts geändert 😔!