Sonntag19. Oktober 2025

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Streit um Kollektivverträge„Das ist eine Kampfansage“: OGBL-Präsidentin Back kritisiert Arbeitsminister Mischos Pläne

Streit um Kollektivverträge / „Das ist eine Kampfansage“: OGBL-Präsidentin Back kritisiert Arbeitsminister Mischos Pläne
Konsens- und diskussionsbereit: OGBL-Präsidentin Nora Back Foto: Editpress/Julien Garroy

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Seltene Einigkeit: Am Dienstagmorgen verlassen OGBL, LCGB und CGFP geschlossen eine Sitzung von Arbeitsminister Georges Mischo (CSV). Der Grund: fehlende Verhandlungsbereitschaft. Die Gewerkschaften fürchten eine Lockerung des Kollektivvertragsgesetzes.

Im Arbeitsministerium kamen am Dienstag die Sozialpartner zu einer Sitzung des „Ständigen Ausschusses für Arbeit und Beschäftigung“ (CPTE) zusammen. Doch nicht alle Teilnehmer des Treffens blieben bis zum Schluss: „Der Arbeitsminister drückte sein Bedauern darüber aus, dass die Gewerkschaftsvertreter während der Diskussionen vorzeitig abgereist waren“, heißt es gegen 11 Uhr in einer Pressemitteilung des Ministeriums. „Der vom Arbeitsministerium erstellte Vorentwurf, der als Grundlage für die Gespräche dienen sollte, stellte die Gewerkschaften nicht zufrieden.“

Geschlossen verließen die Vertreter der drei nationalen Gewerkschaften OGBL, LCGB und CGFP am Morgen den Raum – und veröffentlichten noch am selben Tag eine Stellungnahme: „Bei der Sitzung heute Morgen erklärte der Minister, dass die Stellungnahme der Gewerkschaften für ihn keinen Mehrwert darstelle und dass er ohnehin nur da sei, um sich die verschiedenen Positionen anzuhören – er werde dann allein eine Entscheidung treffen, unabhängig von den Positionen, die die verschiedenen Parteien im CPTE vertreten.“ Für den OGBL, den LCGB und die CGFP ist diese Vorgehensweise inakzeptabel. „Minister Georges Mischo stellt mit seinen Behauptungen das luxemburgische Modell des Sozialdialogs infrage und gefährdet auch ernsthaft den sozialen Frieden in Luxemburg“, schreiben die drei Gewerkschaften. Das Tageblatt erreicht OGBL-Präsidentin Nora Back am Nachmittag für ein kurzes Gespräch.

Tageblatt: Frau Back, Sie haben heute Morgen eine Sitzung mit Arbeitsminister Georges Mischo vorzeitig verlassen – zusammen mit den anderen Gewerkschaftsvertretern von LCGB und CGFP. Was ist passiert?

Nora Back: Wir waren heute Morgen bei der Sitzung des CPTE und waren empört über die Haltung des Arbeitsministers, der uns klargemacht hat, dass er dieses Organ als rein konsultativ ansieht. Das war bislang nie der Fall. Der CPTE war immer auch ein Ort für Verhandlungen. Nun hat der Minister von Anfang an klargemacht, dass er am Ende die Entscheidungen trifft. Er werde uns vorher allenfalls zuhören. 

Inhaltlich war der Stein des Anstoßes die Debatte über Kollektivverträge?

Wir waren und sind konsens- und diskussionsbereit, schließlich geht es darum, dass wir mehr Kollektivverträge brauchen. An diesem Thema sind wir als OGBL schon seit Jahren dran. Wir haben schon vier Arbeitsminister aufgefordert, in dieser Hinsicht mehr zu machen. Georges Mischo ist nun der erste Arbeitsminister, der den Arbeitgebern das Recht gibt, das Kollektivvertragswesen zu schwächen. Das ist eine Schwächung des gesamten Modells. Ein Modell, das nicht nur in Luxemburg praktiziert wird, sondern auch europaweit. In Luxemburg dürfen laut Gesetz nur Gewerkschaften Kollektivverträge aushandeln. Das sieht selbst die OECD so. Auch die EU-Richtlinie sagt: Wir brauchen mehr Kollektivverträge und die müssen mit den Gewerkschaften verhandelt werden.

Gibt es Pläne von Seiten der Regierung, diesen gesetzlichen Rahmen zu ändern?

Es sieht so aus, als ob das der Plan wäre. Mischo hat heute gesagt, das sei nicht das Ziel. Er konnte uns aber auch nicht versichern, dass Kollektivverträge in Luxemburg das bleiben, was sie sind: das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft.

Arbeitsminister Georges Mischo (CSV)
Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) Foto: Editpress/Julien Garroy

Was wäre das Problem, wenn Kollektivverträge auch ohne Gewerkschaften ausgehandelt werden könnten?

Wenn ein kleiner Betrieb mit zehn bis fünfzehn Leuten sagt, wir handeln einen Kollektivvertrag allein zwischen dem Arbeitgeber und den Angestellten aus, dann sind die Leute alle in einem Abhängigkeitsverhältnis mit ihrem Chef. Sie haben nicht den notwendigen Schutz und die notwendige Unabhängigkeit, um ihrem Arbeitgeber zu sagen: Das wollen wir nicht im Vertrag. Es besteht das Risiko schlechter Kollektivverträge. Das hat Auswirkungen auf alle bestehenden Kollektivverträge. Wenn in Luxemburg ein massiver Lohndruck entsteht, wirkt der sich natürlich auch auf die Sektoren aus, wo wir schon Kollektivverträge haben.

Um die Zahl der Kollektivverträge im Land zu erhöhen, schlägt der OGBL sektorielle Kollektivverträge vor. Wie hat der Minister auf diesen Vorschlag reagiert?

Gar nicht. Er ist nicht darauf eingegangen. Wir hatten ihm ein Papier mit Vorschlägen geschickt, unter anderem zu den sektoriellen Kollektivverträgen. In der Sitzung hat Mischo dann gesagt, das Papier sei nicht für die Diskussion geeignet. Es sei nicht zielführend und er werde darauf nicht eingehen.

Verstehen Sie das Verhalten des Ministers als Angriff auf die Gewerkschaften?

Das ist eine Kampfansage. Mischo hat in der Diskussion angebracht, dass Gewerkschaften Mitglieder verlieren würden und bei den Sozialwahlen viele Abgeordnete ohne gewerkschaftliche Bindung gewählt worden wären. Damit sind wir gar nicht einverstanden. Europaweit spüren wir einen Aufschwung bei den Gewerkschaften. Die drei national vertretenen Gewerkschaften in Luxemburg haben Zuwachs an Mitgliedern. Das Resultat der Sozialwahlen hat absolut nichts verloren in einer Diskussion über das Kollektivvertragswesen. Wir haben die „Chambre des salariés“ (CSL), das ist eine nationale Vertretung. Für uns ist das ein No-Go, dass auf diesem Wege unsere Repräsentativität infrage gestellt wird.

Wie sehen die nächsten Schritte des OGBL in Sachen Kollektivverträge aus?

Wir rufen die Regierung dazu auf, von ihrer Position zurückzuweichen. Wir wollen nicht auf die Straße gehen, um auf die Straße zu gehen. Wir wollen einen konstruktiven Sozialdialog, so wie er in Luxemburg gepflegt wird. Alle drei Gewerkschaften haben heute Morgen einen gemeinsamen Brief an Premierminister Frieden aufgesetzt, in dem wir ihm berichten, dass es heute im CPTE zu einer noch nie dagewesenen Situation gekommen ist, und in dem wir eine Anfrage an die Regierung stellen, den CPTE wieder so herzustellen, wie es sich gehört. Und dann hoffen wir, dass wir wieder an den Verhandlungstisch kommen können, um auf einer konstruktiven, dem Gesetz entsprechenden Basis weiterdiskutieren zu können. Wenn es aber wirklich der Wunsch der Regierung sein sollte, uns als Gewerkschaften zu schwächen, dann kommen wir nicht umhin dagegen zu mobilisieren. 

Auch „déi Lénk“ kritisiert Mischos Pläne

Die Kritik an Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) reißt nicht ab. Nach den Gewerkschaften und der eigenen Partei meldet sich jetzt auch die Opposition zu Wort: „Arbeitsminister Georges Mischo hat anscheinend vor, den Sozialstaat auseinanderzunehmen“, schreibt „déi Lénk“ in einer Pressemitteilung am Dienstag. Mischo steht auf EU-Ebene unter Druck, weil Luxemburg in Sachen Kollektivvertragswesen schlecht da steht. Deswegen spielt er mit dem Gedanken, das Gesetz so zu reformieren, dass Tarifverträge ohne Gewerkschaften verhandelt werden können. Der Grund hierfür laut Mischo: Nur 56 Prozent der Personaldelegierten seien Mitglied einer Gewerkschaft. „Das Patronat klatscht sich in die Hände“, schreibt „déi Lénk“. Es sei kein Geheimnis, dass viele Unternehmen während den Sozialwahlen Druck auf ihre Belegschaft ausüben, um eine Gewerkschaftsliste zu verhindern. Gewerkschaften seien aber organisierte Strukturen mit Erfahrung und Knowhow, die die Angestellten effektiv schützen könnten. Ein Unabhängiger könne dies in diesem Maß nicht leisten, weil er nicht über die gleichen Ressourcen verfüge – und das Unternehmen am längeren Hebel sitze. „Es ist offensichtlich, dass Angestellte bei Kollektivertragsverhandlungen auf die Hilfe der Gewerkschaften zurückgreifen können müssen“, steht in der Pressemitteilung. Sollte diese Bestimmung wegfallen, würde das Kollektivertragswesen massiven Schaden davontragen. (dr)

JUNG LUC
9. Oktober 2024 - 11.17

Ich werde meine CSV-Parteikarte abgeben wenn auch nur ein kleines Stück der von Herrn Mischo getätigten Aussage von der CSV unterstützt wird.
Diese Abdriftung in diese rechtsextreme Theorie grenzt an Rechtsextremismus.

Nomi
9. Oktober 2024 - 11.05

Eis Regierung mat der LSAP war ze laang an ze weit Lenks. Et ass och gutt dass den Equiliber (Riets/Lenks) rem an d'Balance kennt !

Den Problem ass wann ze weit Lenks ass d'Gefohr dass di Korrektur no Riets ze weit an bei di Extrem geht !

porcedda daniel m
9. Oktober 2024 - 10.10

Wie lange werden die Bürger Luxemburgs das heftige Abdriften nach rechts dieser Regierung noch tolerieren?