Aldin Avdic’ Engagement in der Lokalpolitik ist eng mit den Ergebnissen der Kommunalwahl 2017 verbunden. Damals kam es in Esch zu einem politischen Erdbeben, erstmals in ihrer Geschichte bekam die Stadt einen konservativen Bürgermeister. „Ich war enttäuscht, denn die LSAP vertritt die Werte, die auch meine sind“, blickt Avdic zurück. Also trat er 2018 der Escher Sektion der Sozialisten bei. In den vergangenen drei Jahren war er ihr Generalsekretär. Da er am Freitag in den Gemeinderat nachrückt, übergibt er diesen Posten nun an David Mond.
Der am 22. Januar 1993 in Péc im Kosovo geborene Avdic tritt in große Fußstapfen, schließlich ersetzt er mit dem langjährigen Schöffen Jean Tonnar so etwas wie ein Urgestein der Escher LSAP. Tonnar war gleichzeitig der letzte Vertreter der alten Garde, die 2017 vom Wähler abgestraft wurde. Die Neuaufstellung der Partei unter Fraktionschef Steve Faltz ist somit endgültig vollzogen. Avdic belegte bei den Kommunalwahlen 2023, aus der die LSAP als stärkste Kraft hervorging, den achten Platz. Da der vor ihm platzierte Mike Hansen aus privaten Gründen auf den Ratsposten verzichtet, rückt er am Freitag nach. „Es ist eine riesengroße Ehre und Verantwortung für mich“, unterstreicht Aldin Avdic, „ich werde mich vor allem für die Menschen einsetzen, die Unterstützung brauchen.“ Was wie eine der üblichen Politikerfloskeln klingt, ist ihm durchaus abzunehmen. Der 32-Jährige meint es ernst, er möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben.
Denn als er und seine Familie Hilfe brauchten, da fanden sie die in Luxemburg. 1999 flüchtete sie aus ihrer Heimat. „Auch wenn ich damals noch sehr jung war, so habe ich die Bilder vom Krieg und wie wir uns im Dunklen versteckten noch genau vor Augen. Meine Eltern entschieden sich zur Flucht. Sie taten das für mich und meinen Bruder.“ Die vierköpfige Familie landete im Don-Bosco-Flüchtlingsheim und verbrachte dort zwei Jahre, ehe sie die endgültige Aufenthaltsgenehmigung von den Luxemburger Behörden erhielt. Zunächst lebte sie in einer Wohnung in der Nähe der Zitha-Klinik im hauptstädtischen Bahnhofsviertel. 2004 ging es nach Esch, wo die Familie in einem Haus in der Dicks-Straße lebt. Aldin und sein drei Jahre jüngerer Bruder Erden besuchten die Brill-Schule. „Ich habe mich in der Schule trotz der anfänglichen Probleme mit der Sprache immer voll reingehängt und bis zum Abitur durchgebissen. Ich wollte meinen Eltern etwas zurückgeben, weil sie das alles für uns gemacht haben. Sie haben ihre Heimat verlassen, um uns ein besseres Leben zu ermöglichen.“
Überall in Europa hat sich der Ton gegenüber Ausländern verschärft. Nur, weil sie anders sind. Das gibt einem zu denken, vor allem, wenn man selbst ein Flüchtling war.
Mit dieser Einstellung ging es für Aldin Avdic weiter, sein Abitur machte er 2014 im LGE, dann studierte er an der Uni.lu Jura. Gerechtigkeit sei ihm immer wichtig gewesen, ein Anwalt oder Richter wollte er allerdings nie werden. Früh ging er nebenher arbeiten, um den Eltern nicht länger auf der Tasche zu liegen. Und so rutschte er quasi in das Bildungsministerium hinein, wo Avdic heute im Personalmanagement tätig ist. Parallel zu seiner Arbeit schließt er momentan via Fernstudium an der Universität Koblenz seinen Master ab.
Sorgen macht sich der 32-Jährige über die immer raueren Umgangformen in der Gesellschaft, und auch in der Politik. „Überall in Europa hat sich der Ton gegenüber Ausländern verschärft. Nur, weil sie anders sind. Das gibt einem zu denken, vor allem, wenn man selbst ein Flüchtling war.“ Es bleibt nicht immer nur beim Ton. Die Überfälle auf Moscheen häufen sich europaweit. „Man muss mehr machen, um Ausländer in die Gesellschaft zu integrieren“, sagt Aldin Avdic, „schlussendlich gibt es überall gute und schlechte Menschen.“ Der 32-Jährige ist praktizierender Moslem und seit fünf Jahren in der Shoura, der Vertretung der muslimischen Gemeinschaft. Rund 3.000 Muslime leben in Esch. „Es ist eine dynamische Gemeinschaft, die durchaus gewillt ist, verstärkt am Leben in Esch teilzunehmen“, steht Avdic für ein Zusammenleben aller Bürger ein. Mit dem ebenfalls nachgerückten Dejvid Ramdedovic (CSV) ist er der zweite praktizierende Moslem im 19-köpfigen Escher Gemeinderat.
Avdic weiß, dass Esch traditionell eine Hochburg der Arbeiterklasse ist: „Esch war und ist eine Stadt der hart arbeitenden Menschen.“ Er will sich im Gemeinderat dafür einsetzen, dass die, die täglich ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten und dennoch oft finanziell an ihre Grenzen stoßen, nicht übersehen werden. Aus seiner Sicht müsste das soziale Angebot der Stadt gezielter und wirksamer bei dieser Bevölkerungsgruppe ankommen. Nur so könne soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit nachhaltig gesichert werden.
Im Brill verwurzelt
Für das Zusammenleben will er sich im Gemeinderat engagieren, auch wenn Aldin Avdic weiß, dass der Gestaltungsraum in der Opposition überschaubar ist. Die Themen Soziales, Personal, Integration und Sport hat er sich auf die Fahne geschrieben. Seine Leidenschaft ist der Fußball. Jeunesse Esch und Bayern München sind seine Lieblingsvereine, in der Jugend kickte er erst bei der hauptstädtischen Union, dann bei der US Esch. Später trat er dem Rekordmeister Jeunesse bei, wo er als Mittelstürmer in der zweiten Mannschaft spielte. Während der Pandemie zog er einen Schlussstrich unter seine aktive Laufbahn, seitdem hält er sich mit Joggen fit. Zumal er seit der Hochzeit mit Ersana, einer gebürtigen Bosnierin, zusätzliche familiäre Verpflichtungen hat und die Zeit mitunter knapp wird.
Zeit investieren muss er jetzt zunächst einmal in seine neuen Aufgaben im Gemeinderat. Halbe Sachen sind nicht sein Ding, das merkt man schnell im Gespräch mit Aldin Avdic: „Esch hat sich in den letzten Jahren verändert“, sagt er, „zum Beispiel das Brill-Viertel, obwohl es bei Weitem nicht so schlimm ist, wie es von so manchen gemacht wird. Wir haben hier früher zu 40 bis 50 Kindern jeden Tag draußen gespielt, das ist heute nicht mehr so. Das Sicherheitsgefühl ist bei den Eltern nicht mehr da, zudem beschäftigen sich die Kinder heute gerne mit anderen Dingen.“ Er möchte den Jugendlichen aus seinem Viertel, die zum großen Teil ebenfalls einen Migrationshintergrund haben, ein Vorbild sein. Und im Gemeinderat mithelfen, aus Esch eine noch bessere und lebenswertere Stadt zu machen: „Denn ich habe die Stadt und ihre Menschen gerne“, so der neue LSAP-Rat abschließend.

De Maart

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