Dienstag21. Oktober 2025

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Vom Dachboden auf die BühneDas „Crowfield“-Festival in Remerschen bietet Kultur mit Kante

Vom Dachboden auf die Bühne / Das „Crowfield“-Festival in Remerschen bietet Kultur mit Kante
Der Ort unter dem Wasserturm hat für den Verein eine besondere Bedeutung Fotos: Carole Theisen

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Es gibt Festivals, die sich wie Produkte anfühlen – durchdesignt, durchgeplant, durchkommerzialisiert. Und dann gibt es „Crowfield“. Ein zweitägiges Festival, das aus einer Idee unter Freund*innen entstand, auf einem alten renaturierten Parkplatz mitten im Grünen. Kein Ort für Hochglanz, sondern für Herzblut. Für Musik, Kunst und Gemeinschaft.

Der Weg zum Festival führt über einen holprigen Feldweg. Kein glitzernder Eingangsbereich, sondern ein charmantes Schild aus Holz, eine Wiese, ein Waldstück. Hier draußen, im Schatten des Remerscher Wasserturms, fand am Wochenende das „Crowfield“ statt. Was einst als Wohnzimmer-Jam unter Freundinnen begann, hat sich zu einer Bühne für aufstrebende Künstler*innen entwickelt – zu einer lebendigen Bewegung für eine Region, die kulturell oft übersehen wird.

Spikeysun Tattoo: Dunia Ciuferri verewigt Festivalmomente in feinen Linien
Spikeysun Tattoo: Dunia Ciuferri verewigt Festivalmomente in feinen Linien

Gleich rechts neben dem Eingang steht ein kleines Zelt mit handgeschriebenem Banner: Spikeysun Tattoo. Im Inneren des kleinen Zelts konzentriert sich Tätowiererin Dunia Ciuferri auf feine Linien – gerade fährt sie mit der Nadel über den Hals eines jungen Mannes, der kaum mit der Wimper zuckt. Draußen wächst die Schlange der Wartenden, die sich ein Festival-Andenken unter die Haut stechen lassen wollen.

„Es ist jetzt bestimmt mein sechstes oder siebtes Festival, auf dem ich tätowiere“, erzählt Ciuferri. „Die Motive sind klein, oft nur eine Viertelstunde Arbeit. Danach können die Leute direkt weiter feiern – und nehmen trotzdem etwas mit, das bleibt.“

Wolle statt WLAN

Ein paar Schritte, im Art Corner, weiter sitzt Lydie Philippy zwischen bunten Wollknäueln. Ihr Häkel-Workshop ist ein Gegenentwurf zur schnelllebigen, immer digitaler werdenden Welt. „Handarbeit ist etwas, das viele junge Menschen wieder entdecken“, erklärt sie. „Es geht darum zu erleben, dass man mit den eigenen Händen etwas schaffen kann. Dieses Gefühl macht stolz. Und ehrlich gesagt: Es tut der Seele gut.“

Handgemacht statt digital: Lydie Philippy beim Häkel-Workshop unter freiem Himmel
Handgemacht statt digital: Lydie Philippy beim Häkel-Workshop unter freiem Himmel

Hinter ihr hängen Kinderpullis und Schals zum Verkauf, direkt neben Werken von Künstlern wie Gianmarco oder Simone Lazzaretti. Alles wirkt improvisiert, DIY, aber auf keinen Fall lieblos. Daneben lockt das „Quickie am Tipi“ – ein kleines Kino im Zelt, wo „Filmreakter“ in einem gemütlichen Rahmen Kurzfilme zeigt.

Maziar erklärt die Sonne – auch wenn sie sich hinter Wolken versteckt
Maziar erklärt die Sonne – auch wenn sie sich hinter Wolken versteckt

Maziar hat sein Teleskop aufgebaut, ein Hightech-Gerät mit Spezialfilter. Nur leider spielt die Sonne nicht mit – zu viele Wolken. Trotzdem drängen sich neugierige Kinder und Erwachsene um ihn herum. „Normalerweise sieht man die Oberfläche der Sonne, Strukturen, die man sonst nie wahrnimmt“, sagt er. „Das begeistert alle, vor allem Kinder. Allein der Gedanke, dass man da oben etwas sehen könnte, öffnet schon den Geist.“ Für den Abend hat er einen Plan B: Sternenbeobachtung. „Planeten gehen immer“, sagt er und lacht.

Auch die Kollegen des Radio ara sind dabei: In einer gemütlichen Ecke unter Bäumen sitzt Praktikant Charel Schiltz, nimmt Interviews auf und bastelt live an seiner Sendung „Kachkéiskultur“. „Ich war 2023 schon hier auf dem Festival und fand die Stimmung einzigartig. Jetzt dokumentiere ich das Ganze – für die Szene, für die Nachwelt.“

Wie eine WG-Party

Wer über das Gelände streift, merkt schnell: Hier wurde nicht mit Marketingagenturen geplant, sondern mit Herz. Die Möbel erinnern an gemütliche Wohnzimmer vergangener Zeiten. Auf dem Boden liegen Vintage-Teppiche, darüber flatternde Lichterketten, eine kleine Bühne, die klingt, als wäre sie viel größer. Ab 12 Uhr mittags bis ein Uhr nachts zieht ein Line-up darüber hinweg, das sich sehen lassen kann: Corbi & David Fluit von „De Läb“, Dystate, Boy From Home, Les Caniches de l’enfer, Blont, Horny Henry und die Waffle Killers.

Die BARscal vu Wooltz trägt den Namen des kürzlich verstorbenen Musikers De Pascal vu Woolz. Auch ein Plakat erinnert an ihn – still, aber präsent. Denn auch auf dem „Crowfield“ ist Pascal aufgetreten.

„Wir sind einfach eine Gruppe von Freund*innen, die Lust hatte, etwas für die alternative Musikszene auf die Beine zu stellen“, erzählt Kevin Britz vom Organisationsteam De Späicher Asbl. „Wir wollten Musiker*innen und Künstler*innen hier in der Region eine Bühne bieten – vor allem jenen, die noch nicht groß rausgekommen sind.“ Die Auswahl der Bands erfolgt gemeinschaftlich: „Wir setzen uns zusammen, hören alles durch, was uns eingesendet wurde, diskutieren – bis alle sagen: ,Ja, das passt.‘“

Alles schön DIY: Chillen ist beim „Crowfestival“ praktisch Pflicht
Alles schön DIY: Chillen ist beim „Crowfestival“ praktisch Pflicht

Die Gemeinde hilft mit Zelten, Kühlschränken, Spülmaschinen, Bänken – und mit finanzieller Unterstützung. „Wir arbeiten auch mit dem Kulturministerium zusammen. 90 Prozent der Fördermittel gehen direkt an die Künstler*innen. Der Rest fließt in die Gestaltung des Geländes – oder dient als Reserve, falls das Wetter mal nicht mitspielt“, erklärt Britz.

Die Bühne bleibt bewusst klein. Es geht nicht um große Namen, sondern um musikalische Vielfalt und echte Atmosphäre. „Wir wollen, dass das Line-up eine Geschichte erzählt – keine bloße Aneinanderreihung von Namen, sondern die Vermittlung eines Gefühls. Wir kommen alle aus dem Punk- oder Stoner-Rock – das soll auch ein bisschen im Mittelpunkt stehen.“

Geburtsstunde auf dem „Späicher“

Dass sich das Kollektiv „De Späicher“ nennt, ist kein Zufall. Präsident Jan Thommes erinnert sich: „Wir haben auf dem Dachboden meiner Eltern angefangen – genauer gesagt im ,Kärespäicher‘. Jam-Sessions, lange Abende unter Freund*innen. Es ist familiär, alternativ, improvisiert. Genau dieses Gefühl wollten wir nach draußen tragen. ,Crowfield‘ ist im Grunde genau das – unser Dachboden, nur eben mitten im Wald.“ Auch der Ort unter dem Wasserturm hat für den Verein eine besondere Bedeutung. „Hier haben wir als Teenager*innen gegrillt, Fußball gespielt, einfach rumgehangen“, sagt Thommes. „Dass wir genau hier heute ein Festival veranstalten, hat etwas Nostalgisches.“

Das ist ein Stück unserer Jugend, unserer Kindheit – und das wollen wir den Menschen zeigen

Jan Thommes, Präsident „De Späicher“

Die Crew beginnt schon montags mit dem Aufbau. „Wir sind die ganze Woche hier – wir campen, bauen, tüfteln. Für uns ist das wie Urlaub“, sagt Kevin. Zwischen selbstgebauten Skulpturen, improvisierten Bars und liebevoll dekorierten Ecken entsteht ein Ort, der sich nicht wie Arbeit anfühlt, sondern wie ein gemeinsames Projekt. Die Location? Ein renaturierter Platz mit Geschichte. „Früher stand hier eine Mühle, später ein Energiezentrum – und jetzt ist es ein Festivalgelände.

Auch der Name „Crowfield“ kommt nicht von ungefähr. „Das Gelände gegenüber heißt ,Kréiefeld‘. Eine ,Kréi‘ ist auf Luxemburgisch eigentlich eine Elster“, erklärt Britz. „Aber hier wimmelt es von Krähen – also haben wir gesagt: Komm, dann sind wir eben das ,Kuebefeld‘ – das ,Crowfield‘.“ Passend dazu gibt’s den hauseigenen Cocktail: den „Kuebentéi“. Die Zahlen sprechen für sich: 400 Besucher*innen im besten Jahr, 200 im verregneten letzten Sommer. Irgendwann sollen es mal über 500 werden. „Wir wollen bewusst klein bleiben“, sagt Kevin. „Der Ort soll nicht überlastet werden. Und ehrlich: Das ‚Crowfield’ lebt von dieser Intimität.“