Sonntag9. November 2025

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IFFR (4)Dagboek eines (digitalen) Filmfestivals: Eindrücke vom International Film Festival Rotterdam

IFFR (4) / Dagboek eines (digitalen) Filmfestivals: Eindrücke vom International Film Festival Rotterdam
„The African Desperate“ von Martine Syms

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Auch wenn das „International Film Festival Rotterdam“ aus ersichtlichen Gründen dieses Jahr digital ausgetragen wird, ist das Tageblatt erneut mit von der Partie. Tom Dockal hat sich virtuell mit eingeklinkt, um die verschiedenen Beiträge näher unter die Lupe zu nehmen. Lesen Sie seine Eindrücke vom Abschluss des IFFR.

„A Human Position“ von Anders Emblem
„A Human Position“ von Anders Emblem

„A Human Position“ von Anders Emblem (Bright Future – 78′)

Schön, aber schwer durchdringbar – Asta und Live leben mit ihrer Katze in der verschlafenen norwegischen Hafenstadt Ålesund. Ob es der Sommer ist, der Vibes einer Geisterstadt abgibt, oder es vielleicht doch Zeiten sind, die der Pandemie ähneln, löst Regisseur Ander Emblem nicht auf. Die mehr als introvertierte Asta arbeitet während eben dieser Sommermonate bei der lokalen Tageszeitung, während Freundin Live skandinavische Designstühle auf Vordermann bringt. Erst mit der Story eines abgeschobenen Asylanten kriegt Astas ganz bewusste Zurückgezogenheit Risse.

„Was ist eigentlich das Beste an Norwegen?“, fragt Asta, die von Amalie Ibsen Jensen gespielt wird. Und nein, sie meint nicht a-ha oder die Natur, sondern den Sozialstaat oder etwas in der Art. Auf sehr ruhige Art und Weise und sehr akkurat kadrierten Einstellungen, die das „mid-century“-skandinavische Möbeldesign widerspiegeln, fragt sich Emblem, was sich hinter dem sauberen, fast schon katalogschönem Bild Norwegens versteckt. Auch hinter der schönsten Fassade und den beständigsten und ruhigen Menschen verstecken sich zweifelsfrei Sorgen und Probleme. Doch die entblößt Emblem nicht wie ein reißerischer Zeitungsartikel, sondern spielt in sehr subtilen und kleinen Gesten auf sie an. „A Human Position“ ist auch ein kleiner Film darüber, wie man Großes zusammen überstehen kann.

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„Footnote“ von Yang Zhengfan
„Footnote“ von Yang Zhengfan

„Footnote“ von Yang Zhengfan (Harbour – 90′)

Kino vorm Balkon – Dass es FilmemacherInnen während der Lockdowns nicht lassen konnten, die Kamera in die Hand zu nehmen, führte seither zu einer Menge Filmen, die regelrecht in den Wohnungen entstanden sind. Alleine während des IFFR hat es mit „Malintzin 17“ sogar einer dieser Filme in den Hauptwettbewerb geschafft (obwohl in Prä-Covid-Zeiten gedreht). Mit „Footnote“ benutzt der gebürtige Chinese Yang Zhengfan, der jedoch in Chicago lebt, dieses formale Dispositiv jedoch nicht, um von seiner Lockdown-Erfahrung zu erzählen. In statischen Einstellungen fängt er aus seiner Wohnung heraus das tägliche Leben der Stadt ein. Menschen im Park, Menschen am Strand, Menschen, die auf die U-Bahn warten, Menschen in Autos auf der Schnellstraße etc.

Zhengfan ist aber nicht die dokumentarische „fly on the wall“, die objektiv beobachtet. Seine alltäglichen Bilder untermalt er mit angezapften Tonspuren des Chicagoer Polizeifunks, die genauso alltäglich ihre Arbeit draußen verrichten. Triviale, absurde und tragische Situationen wechseln sich ab in einer Zeit, in der die amerikanischen Cops von allen Seiten unter Druck stehen. Zhengfan zeichnet ein komplexeres Mosaik des Lebens inner- und außerhalb des eigenen Blickwinkels. Ein konsequent einfaches Konstrukt, welches genauso gut seinen Platz in einer Galerie haben könnte, über den ganz normalen Wahnsinn des Lebens (aus einer gottähnlichen Vogelperspektive).

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„The African Desperate“ von Martine Syms
„The African Desperate“ von Martine Syms

„The African Desperate“ von Martine Syms (Bright Future – 97′)

Die verzweifelte Afrikanerin aus Martine Syms Debütfilm ist Palace. Palace hat soeben ihren Magister der „fine arts“ erhalten. Sie hatte schon auf der Kunstbiennale ausstellen dürfen, was gehässige Kommentare von Mitstudierenden mit sich zog. Es wäre nicht ihre Kunst, sondern andere Gründe, die sie dorthin brächten. Palace ist schwarz. Sie hat das Uni-Leben auf ihre Art und Weise satt und gibt zu verstehen, dass sie die Abschlussfeier am Abend zu boykottieren gedenkt, obwohl sie als DJane vorgesehen ist. „The African Desperate“ folgt ihrer Figur durch diese letzten knapp 24 Stunden, während denen sie, natürlich, auf der Party landet.

Martine Syms ist selbst Künstlerin und präsentiert beim IFFR ihren ersten klassischen Spielfilm. Doch auch „The African Desperate“ scheitert, wo sich schon so manch erfahrenere RegisseurInnen die Zähne ausgebissen haben. Wie eine Gruppe von Menschen porträtieren, die nur dem Schein nach in Geist und Seele höhere künstlerische Sphären erreichen will, am Ende jedoch leerer und uninteressanter ist als (in diesem Fall) die Kunst, die sie zusammenklaubt. Rein visuell spiegelt der Film nur die Hässlichkeit seiner Figuren wider und versucht mit seiner ironischen Attitüde gegenüber allem und jedem, eine Fassade aufzubauen, an der jede Form von Kritik oder Lob abperlt. Egal, was man hineinliest oder sieht, wird mit einem längst überlebten postmodernen Handwisch weggefegt.

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