Dienstag11. November 2025

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Expo im CAW in WalferCTRL + ALT + Memory zeigt, wie digitale Welten die Menschheit prägen

Expo im CAW in Walfer / CTRL + ALT + Memory zeigt, wie digitale Welten die Menschheit prägen
Sieht aus wie ein Teenie-Zimmer, ist jedoch ein Kunstwerk: „The bluetooth device is ready to pair“ von Sirah Haris (2025) Foto: Jang Kapgen

Bis zum 7. Dezember ist die neueste Ausstellung des Teams von La Concierge im Culture@Walfer (CAW) zu sehen. Eine zeitgenössische Kunstausstellung über das Menschliche im Digitalen – oder doch eher das Digitale im Menschen?

Man tritt in das CAW gleich neben dem Walfer Gemeindehaus ein und steht in einem stark dekorierten Kinderzimmer: rosa Vorhänge, Dornröschen und Cinderella auf einem Disney-Teppich sowie ein Kinderbett voller Plüschtiere, von Diddl bis hin zu dem gelben Pikachu. Auf den verschiedenen Beistelltischen findet man neben dem Koran auch das Selbsthilfebuch „Workin’ it“ (2010) von der amerikanischen Dragqueen RuPaul.

„The bluetooth device is ready to pair“ (2025), übersetzt „das Bluetooth-Gerät ist bereit zum Koppeln“, ist ein Kunstwerk von Sirah Haris, das die oft abstrakte Idee der Online-Räumlichkeit in die physische Welt bringt. Der farbenfrohe Raum voller Gegenstände, weicher Texturen und Popkultur-Ikonographien ist die Inszenierung jenes Onliner-Raums, in dem sich der Künstler als Jugendlicher mit seiner Identität auseinandersetzte. Wie Haris in dem Wandtext erklärt: „Zwischen gewagtem Kitsch und dem bosnischen Strick meiner Großmutter – dort ist das Bluetooth-Gerät bereit zum Koppeln.“

Sirah Haris präsentiert eine Sammlung popkultureller Gegenstände mit Nostalgie-Faktor 
Sirah Haris präsentiert eine Sammlung popkultureller Gegenstände mit Nostalgie-Faktor  Foto: Jang Kapgen

Der Künstler, der momentan zwischen Luxemburg und Rotterdam pendelt, benutzt in Kombination verschiedene „objects trouvés“, Gemälde und zahlreiche Multimedia-Kunstwerke. Bedeutungen sind in dem maximalistisch-dekorierten Raum mehr als nur einseitig: ein Rosenstrauß im Mülleimer, auf dem Bett ein Esstablett, auf dem der Songtext eines Lana-Del- Rey-Liedes, mit Löffel und Gabel umrandet ist, aus einer Nachttischschublade diskret ragend eine Videokamera. Auf der Wand ist ein Handy abgebildet. Eine Benachrichtigung von „Mama“ ist auf dem Bildschirm zu lesen, die, auf Deutsch übersetzt, lautet: „Komm jetzt aus deinem Zimmer! [Wütendes Emoji] Essen ist …“

Ab in den nächsten Raum der CAW.

Die Ausstellung „CTRL + ALT + Memory“ ist in vier Räume aufgeteilt. Jeder Raum beherbergt das Werk eines Kunstschaffenden. Szenographie ist dem Kurator*innen-Team besonders wichtig. Und das merkt man. Jeder Raum hat einen eigenen Charakter, der das Kunstwerk nicht nur hervorbringt, sondern auch komplementiert. „World Building“ ist hier das Stichwort. Dies wurde in enger Zusammenarbeit mit den Kunstschaffenden erarbeitet, wie Ko-Kuratorin Liliana Francisco im Interview mit dem Tageblatt erklärt.

Wie Haris’ Kunstwerk vorgibt, lädt die Ausstellung „CTRL + ALT + Memory“ dazu ein, sich mit unserer Beziehung zum Digitalen zu beschäftigen. Francisco erklärt: „Das muss nicht negativ sein. Man sollte sich nur die Zeit nehmen, über den eigenen Umgang mit AI, Smartphones und Technologie zu reflektieren.“ Ein besonderer Fokus liegt hier auf dem Impakt der Technologie auf das Gedächtnis. Dies ist explizit im Einklang mit den „Walfer Bicherdeeg“, die unter dem Thema Erinnerung stehen und nächstes Wochenende fünf Minuten zu Fuß entfernt von der CAW in der Anlage Prince Henri stattfinden.

Man sollte sich nur die Zeit nehmen, über den eigenen Umgang mit AI, Smartphones und Technologie zu reflektieren

Liliana Francisco, Kuratorin und Mitbegründerin von La Concierge

Technologie ist ein fester Teil unseres Alltags und prägt, wie wir Menschen sind: Konzerte, die man eher durch die Handykamera erlebt, um sie später vielleicht noch einmal anzusehen, oder die Tatsache, dass heute kaum jemand mehr Telefonnummern auswendig weiß. Das kann man nicht verneinen oder gar stoppen. Das weiß Francisco auch, aber man kann trotzdem mit diesem Wissen Entscheidungen treffen – politische, aber auch alltägliche.

„CTRL + ALT + Memory“ trägt ihren Beitrag dazu bei, diese Diskussionen am Laufen zu halten. Unter anderem durch zwei Paneldiskussionen zum Thema „Mir wëlle weise, wat mir sinn“ über Tradition, Kunst und Digitalisierung am 16. November sowie zum Thema „Seeing, Sharing, – Forgetting (?)“ über Aktivismus durch soziale Medien am 23. November. „Art is political“, das sind auch Aufkleber, die La Concierge an der Eingangstür der Ausstellung ausgelegt hat, zum gratis Mitnehmen.

„Subconscious.cache (Drift Archive)“ von Klara Troost (2025)
„Subconscious.cache (Drift Archive)“ von Klara Troost (2025) Foto: Jang Kapgen

In den Daten schwimmen

Im dritten Raum ist diese politische Dimension besonders klar. Klara Troost, eine luxemburgische Künstlerin, hat den größten Raum der Ausstellung in ein Daten-Aquarium verwandelt. In ihrem Werk „Subconscious.cache (Drift Archive)“ befasst sich Troost mit der Idee des unsichtbaren Online-Archivs und versucht, dies physisch erlebbar zu machen. Entspannte Musik erinnert an eine Unterwasserwelt. Die Belichtung ist gedämmt und taucht die Räumlichkeit in warmes Blau. Schwarze, rechteckige Säulen, die aussehen wie Daten-Rechner, stehen im Kontrast zu grauen, organisch geformten Teppichen auf dem Boden. Weiße Kissen laden dazu ein, sich niederzusetzen. Eine Säule ist umgefallen. Alles erinnert an eine mystische Stätte, die sowohl noch aktiv belebt wird und doch nicht ganz verständlich für den Menschen scheint.

Der Wandtext beschreibt, wie „das Publikum sanft durch ein Meer von digitalen Fragmenten und künstlicher Ruhe geleitet“ wird. Es sei ein Ritual der Obsoleszenz. Dieses Gefühl des Rituals ist am greifbarsten im linken Flügel des Raumes. Auf einem kreisförmigen Teppich laden flache Steine zum Sitzen ein. Die Bildschirme zeigen Artefakte, wie man sie aus Museen kennt. Es könnte sich um 3D-Scans alt-römischer oder griechischer Vasen handeln. Diese sind jedoch durch digitale Manipulation teilweise verpixelt, unerwartet gerendert oder verfärbt. Es scheint ein klarer Kommentar dazu zu sein, wie unsere Online-Archive alles, was wir hochladen und online speichern, verändern und formen.

„Spiritus - Ëmmer & éiweg!“ von Milo Hatfield (2025)
„Spiritus - Ëmmer & éiweg!“ von Milo Hatfield (2025) Foto: Jang Kapgen

Neben Haris und Troost sind Kunstwerke von Zohra Mrad und Milo Hatfield Teil der Ausstellung. Mrad hat Projektoren und Spiegel interessant im Kunstwerk „Left on“ arrangiert, um die Frage aufzuwerfen, wo unsere Aufmerksamkeit öfter hingeleitet wird – auf das Digitale oder die physische Welt. Hatfield stellt harte Fragen über unseren Umgang mit Verstorbenen. In „Spiritus – Ëmmer & éiweg!“ kann man einen Katalog von Todesanzeigen durchblättern und mit einem roten Telefon eine Nachricht an die Verstorbenen hinterlassen. Man gibt die Seitenzahl im Katalog an und kann entweder die Nachricht anderer anhören oder selbst eine hinterlassen. Die Szenographie dieser beiden Kunstwerke wirkt und hinterlässt Spuren.

Ein Ort für Kunstschaffende 

Passend zu ihrer momentanen Ausstellung haben Francisco und Steven Cruz, Mitgründer von La Concierge und Ko-Kurator, sich online via Instagram kennengelernt. Da beide in Lissabon lebten und Kunst schaffen, schrieben sie sich an, ohne sich zuvor gekannt zu haben. Nach dem ersten Kaffeetreffen war der freundschaftliche Funken übergesprungen. Die Idee zu La Concierge kam schnell danach.

La Concierge ist eine luxemburgische Kunstorganisation, die besonders aufstrebende Kunstschaffende in ihrer Karriere begleiten und unterstützen will. Deshalb boten Francisco und Cruz den Kunstschaffenden eine einmonatige Residenz in Walfer an, um an ihren Werken vor Ort zu arbeiten. Faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen sind ein Muss. „Kunstschaffende dürfen nicht auf den eigenen Produktionskosten sitzen bleiben“, erklärt Francisco, weil „Kunstschaffende so wichtig für unsere Gesellschaft sind wie Ärzte, Anwälte oder Sekretäre“ – und so soll auch dieser Beruf Sicherheit und Stabilität bieten können.

Auch wenn „CTRL + ALT + Memory“ eine überschaubare Ausstellung von vier Räumen ist, lohnt sich die Reise nach Walfer. Reflektiv, konfrontativ, aber auch spielerisch sind hier wichtige Themen – von Identität bis hin zu Trauer in der digitalen Zeit – aufgearbeitet worden. Mit ihrer ersten Ausstellung „Lost symbiosis“ im Espace H2O in Oberkorn letzten Jahres hat sich La Concierge einen Namen als Newcomer in Luxemburg gemacht, mit „CTRL + ALT + Memory“ überzeugt das Duo erneut. Weitere Projekte sind in Aussicht, verrät Francisco. Zum Beispiel die Ausstellung des Prix d’art Robert Schuman in Metz, die am 13. November ihre Türen öffnet. Francisco und Cruz wählten Luxemburgs Vertretung – insgesamt vier Kunstschaffende – aus.