Investmentfondssektor„Covid hat uns fünf Jahre in die Zukunft katapultiert“

Investmentfondssektor / „Covid hat uns fünf Jahre in die Zukunft katapultiert“
Im Gegensatz zu den Vorjahren (Bild aus 2017) fand das Zusammenkommen 2020 nur virtuell statt Foto: Editpress/Alain Rischard

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Der weltweite Vertrieb von Investmentfonds ist seit vielen Jahren eine Erfolgsgeschichte für den Luxemburger Finanzplatz. Mit zwei großen Konferenzen, eine im März und eine im September, macht der Branchenverband ALFI jährlich auf sich aufmerksam. Die im März war ausgefallen. Die von September findet derzeit in digitaler Form statt.

Auch für die erfolgsverwöhnte Luxemburger Investmentfondsbranche war 2020 ein schwieriges Jahr. Das, obwohl das Jahr eigentlich vielversprechend begann. Ende des Monats Januar stieg das Volumen der von Luxemburger Fonds verwalteten Gelder auf die unvorstellbare Summe von 4.789,8 Milliarden Euro. Ein neues Allzeithoch. Fast 600 Milliarden mehr als ein Jahr zuvor. Zum Vergleich: 2009 lag die Summe der investierten Gelder noch bei 1.526,6 Milliarden Euro. Die 4.000-Milliarden-Marke wurde im September 2017 überschritten.

Dann kam Corona. In den Monaten Februar und März schrumpfte diese Summe. Erst um 121,1 Milliarden Euro, dann um satte 518,8 Milliarden Euro. Ein Rückgang, der nicht nur schlecht für die Branche ist, sondern auch für die Steuereinnahmen. Die sogenannte „Taxe d’abonnement“ auf den Fonds bringt dem Staat jährlich mehr Geld ein als Grund- und Erbschaftssteuer zusammen.

Noch während des Confinement, im Monat April, bewegten die Zahlen sich jedoch wieder ins Positive. Monat für Monat wurden seitdem neue Geld-Zuflüsse durch Investoren getätigt. Gleichzeitig hat auch der Wert der von den Fonds angelegten Geldern wieder zugelegt. Ende Juli stand das verwaltete Geldvolumen der Investmentfonds wieder bei 4.617,4 Milliarden Euro, wie neue Zahlen der Finanzaufsicht CSSF zeigen.

Wieder nahe bei historischem Allzeithoch

„Wir sind somit wieder nahe bei unserem Allzeithoch“, unterstrich Corinne Lamesch, Präsidentin der „Association of the Luxembourg Fund Industry“ (ALFI), am Montagmorgen. Es habe keinen Run auf Fonds gegeben. Der Sektor habe sich als widerstandsfähig gezeigt.

Corinne Lamesch 
Corinne Lamesch  Foto: Editpress/Tania Feller

Nach dem Ausfall der großen Konferenz von März begann diese Woche dann die erste Konferenz einer neuen, digitalen Generation. Während sich in den Jahren zuvor um die 600 Fonds-Experten aus aller Welt für zwei Tage am Kirchberg einfanden, werden sie sich dieses Jahr nur virtuell treffen – dafür jedoch während fünf vollgepackten Tagen. Genannt wird die Konferenz „ALFI-Rentrée“.

Das Ereignis sei „eine Gelegenheit für Fachleute der Fondsindustrie, nach einer langen Periode der Abstinenz endlich wieder zusammenzukommen“, schreibt der Verband. „Die ALFI musste sich an die ,neue Normalität‘ im Zusammenhang mit der Pandemie und den weltweiten Einschränkungen der Freizügigkeit von Personen anpassen“, so Corinne Lamesch.

Im ersten Erfahrungsaustausch teilen Vermögensverwalter mit, wie sie die Krise der letzten sechs Monate erlebt haben. „Die Technologie war bereits da“, unterstrich Finbarr Browne von Schroders Investment Management mit Blick auf das Home-Office. „Doch es war schön zu sehen, dass alles auch klappte.“ Auch Jervis Smith, Managing Director bei Vistra, glaubt, dass „viele der Änderungen in den kommenden Jahren eh eingetroffen wären“. „Covid hat uns fünf Jahre in die Zukunft katapultiert“, so Rachel Treece, CEO von fts global und Wellbusiness.

Auch James Pomeroy, Global Economist bei HSBC, ist der Überzeugung, dass Covid eigentlich nur Trends beschleunigt habe, die vorher bereits da waren. Dazu zählt er mehr Einkaufen per Internet, mehr digitales Bezahlen und mehr Automatisierung. Er ist zudem der Überzeugung, dass China zu den Gewinnern der Krise gehören wird. Der Anteil des Landes an der weltweiten Wirtschaftsleistung sei am Wachsen. Bis 2030 werde China die weltgrößte Wirtschaft sein, prophezeit er. Allen Ländern rät Pomeroy, die Gunst der Stunde, die billigen Kredite zu nutzen und die Gelder in grüne Energie, Ausbildung und Infrastruktur zu investieren. Dann könne die Krise mittelfristig zum Guten beitragen.

Für den Standort Luxemburg bleiben die Fachleute optimistisch: Luxemburg sei für die Zukunft gut aufgestellt, meinte etwa Jervis Smith von Vistra. Immerhin sei man hierzulande gewöhnt, über Distanz mit vielen andern Ländern zusammenzuarbeiten.

Pierre Gramegna: Kein ewiges Home-Office

Gastredner am Dienstagmorgen war der Luxemburger Pierre Gramegna. Der Finanzminister, Stammgast bei dieser Veranstaltung, hatte viel Lob für den Sektor übrig. In dieser Krise sei die Finanzwelt ein Teil der Lösung, unterstrich er. Kredit-Moratorien in Höhe von 4 Milliarden Euro hätten die Banken den Unternehmen des Landes zur Verfügung gestellt. Die Rahmenbedingungen haben sich bewährt.

Zudem habe der Sektor während der Pandemie, auch mit 70 Prozent der Mitarbeiter im Home-Office, problemlos von zu Hause gearbeitet. Doch auch wenn die Verträge zur Besteuerung von Grenzgängern im Home-Office nun verlängert wurden, so ist der Minister doch nicht der Meinung, dass dies ewig so bleibe. Hier spielt nicht nur eine fallende Begeisterung für die Arbeit von Zuhause aus eine Rolle – auch dass Finanzunternehmen hierzulande nicht nur eine leere Hülle sein dürfen sei von Wichtigkeit. Unternehmen müssen im Lande eine Substanz haben.

MarcL
16. September 2020 - 12.15

Da macht sich der Finanzminister wohl grosse Sorgen und befürchtet dass Angestellte im Home-Office von überall aus arbeiten könnten und man sich der leeren Unternehmens-Hülle in Luxemburg auf einmal entledigt? Facebook und andere machen es bereits vor.