Freitag12. Dezember 2025

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Literatur aus LuxemburgCosimo Suglia im Interview über seinen Debütroman „Roserei“, die Theaterpremiere von „Hänsel a Gréidel“ – und ein Jahr der Extreme

Literatur aus Luxemburg / Cosimo Suglia im Interview über seinen Debütroman „Roserei“, die Theaterpremiere von „Hänsel a Gréidel“ – und ein Jahr der Extreme
Der Drehbuchautor und Schriftsteller Cosimo Suglia im Gespräch über seinen Debütroman „Roserei“ und die Premiere von „Hänsel a Gréidel“ Foto: Editpress/Julien Garroy

Der Luxemburger Schriftsteller Cosimo Suglia startete 2025 als Künstler durch, privat musste er Abschiede nehmen. DasTageblatttrifft ihn vor der Premiere seines Theaterstücks „Hänsel a Gréidel“ zum Gespräch über Wendepunkte und Erfolge.

„Ein Jahr der Extreme.“ So bezeichnet Cosimo Suglia das Jahr 2025. Beim Treffen mit dem Tageblatt trennen den 30-Jährigen nur noch wenige Tage von der Erstaufführung seines Stücks „Hänsel a Gréidel“ (14., 18., 20., 21., 23.12.) im Grand Théâtre in Luxemburg-Stadt. Die Vorstellungen sind ausverkauft, ein Zusatztermin musste her. Regie führt Daliah Kentges, die schon „D’Julie an den Aprikosejong“ (Théâtre du Centaure) mit ihm auf die Bühne brachte. Die Zusammenarbeit bescherte den beiden den „Lëtzebuerger Bünepräis 2025“ für die beste Kinder- und Jugendproduktion.

Wendepunkt 2025

„Ein Erfolg, mit dem ich nicht gerechnet habe“, so Suglia. Er befindet sich in einem Moment des Aufbruchs – und der Abschiede. Suglia verwarf 2025 sein Dissertationsprojekt über den Luxemburger Roman, fand eine neue Aufgabe als pädagogische Hilfskraft an einem Gymnasium, veröffentlichte mit „Roserei“ (Op der Lay) seinen ersten Roman und schrieb die eingangs erwähnten Theaterstücke. Erlebnisse, die den Autor prägen, und ihm zu neuen Erkenntnissen verhalfen.

„Ich habe gelernt, Prioritäten zu setzen, und ich habe meine eigene Stimme gefunden“, sagt er. „Außerdem ist mir wider Erwarten bewusst geworden, dass mir die Arbeit am Theater mehr Freude bereitet als das Schreiben.“ Warum? Weil am Theater ein ganzes Team mitwirke und er den Austausch mit der Regie, den Schauspieler*innen schätze. „Im Vergleich dazu ist es isolierend, Bücher zu schreiben“, findet Suglia.

Theater ist für Suglia ein Gemeinschaftsjob: Das Team um den Autoren (3.v.l.) und die Regisseurin Daliah Kentges (2.v.l.) bei der Vergabe des „Lëtzebuerger Bünepräis 2025“
Theater ist für Suglia ein Gemeinschaftsjob: Das Team um den Autoren (3.v.l.) und die Regisseurin Daliah Kentges (2.v.l.) bei der Vergabe des „Lëtzebuerger Bünepräis 2025“ Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Der Gang ans Theater war nicht geplant. Die Kreation von Kinder- und Jugendstücken auch nicht – eins kam zum anderen. Die Begegnung mit der Regisseurin Daliah Kentges eröffnete Suglia neue Möglichkeiten. „Mir ist es wichtig, Geschichten zu erzählen“, betont er. „Ich bin offen für jedes Genre.“

Ähnlich flexibel ist er im Hinblick auf die Sprache. Früher schrieb Suglia auf Englisch. Bis er den Zugang zum Luxemburgischen fand. Er beschreibt seinen Stil als „Resistenz gegen Sprachpuristen“, weil er sich auf Luxemburgisch austobe. Zwar habe er einen Master in der Luxemburgistik, doch er breche gerne die Regeln. Das falle ihm auf Luxemburgisch leichter als in anderen Sprachen: „Wer auf Luxemburgisch schreibt, muss etwas Neues kreieren. Unsere Literaturgeschichte ist im Vergleich zu der von großen Nationen weniger von Traditionen und Strömungen geprägt, denen man folgen kann.“

Doch welche Storys erzählt Suglia? Bekannt ist er für seine Science-Fiction-Geschichten, die er teilweise in Zeitschriften (u.a. Les Cahiers luxembourgeoisnos cahierswoxx) und in Online-Magazinen (u.a. Aner WeltenSolarpunk Magazine) publiziert. Auf der Bühne wagt er sich nun an Märchen, in seinem Debütroman – einem Science-Fiction-Thriller – dreht sich alles um eine Teenie-Clique.

Zum Debüt

„Für ‚Roserei‘ wollte ich Figuren schaffen, die in der Luxemburger Literatur fehlen“, verrät Suglia. Darunter fallen authentische Jugendliche, aber auch marginalisierte Personen. So entstand Bo, eine trans Person – beiläufig erwähnt, nicht ins Zentrum gerückt. „Ich hoffe, dass trans Menschen sich dadurch ermutigt fühlen, ihre eigene Geschichte zu erzählen“, so der Autor. „Ins Detail ging ich nicht, weil ich diese Erfahrungen nicht teile. Ich hätte mich unwohl gefühlt, sie eingängiger zu beschreiben.“

Es liege ihm allgemein am Herzen, Menschen zum Lesen, zum Schreiben zu motivieren. Besonders die Jüngeren. Der Roman käme bei Jugendlichen gut an, sagt Suglia, und freut sich: „Es kamen junge Menschen auf mich zu, die sonst nie lesen. Der Jugendjargon und die Luxemburger Sprache weckten ihr Interesse.“ Die Kritiken älterer Generationen nehme er an, lege jedoch größeren Wert auf das Urteil seiner Zielgruppen.

Subkultur und Jugendförderung

Das erinnert an Suglias Anfänge: Früher publizierte er vor allem auf alternativen Online-Plattformen, stand im direkten Austausch mit den Leser*innen und Autor*innen. Auf seinem Blog „D’Bicher Mouk“stellte er Literatur aus Luxemburg vor; in seinem Fanzine Aner Welten bot er – gemeinsam mit der Germanistin Sandy Heep – einen Publikationsraum für „speculative fiction“ in Luxemburg. 2023 erschien die erste Anthologie „Aner Welten #1: Solarpunk“, unter anderem mit Texten von Fabienne Faust und Luc François. Heute liegen beide Projekte auf Eis – und Suglia ist am Theater sowie im Verlagswesen angekommen.

Bleibt der Subkultur treu: Cosimo Suglia
Bleibt der Subkultur treu: Cosimo Suglia Foto: Editpress/Julien Garroy

„Ich ziehe mich nicht aus subkulturellen Kreisen zurück“, versichert er auf Nachfrage. „Ich habe mir dort einen Namen gemacht, durch den die etablierten Kulturhäuser jetzt auf mich aufmerksam werden. Daraus entstehen Chancen, die ich natürlich ergreife.“ Es sei für aufstrebende Autor*innen vergleichsweise leicht, sich in Luxemburg zu etablieren. Aufträge von Institutionen gebe es für sie jedoch selten. „Ich wünsche mir mehr Texte und Produktionen junger Menschen aus den unterschiedlichsten Milieus“, sagt er. Die Luxemburger Kulturszene sei noch zu homogen.

Deshalb legt Suglia Wert auf die Jugendförderung. Auch als angehender Lehrer: „Ich ermutige Schüler*innen, die gerne schreiben. Die Unterstützung fehlt im Bildungssektor.“ Er selbst entdeckte sein Interesse für Literatur erst spät. Kafka war der erste Autor, der ihn begeisterte. Ansonsten zockte er lieber Videospiele. Mit dem Schreiben begann er an der Universität. Sein Hang zu Science-Fiction machte sich hingegen bereits im Kindesalter bemerkbar.

„Der Sci-Fi-Actionfilm ‚The 5th Element‘ ist der erste Film, an den ich mich erinnern kann; danach kommt ‚Hellboy‘. Sonntags stand ich mit meinem Vater auf, um ‚Batman‘ zu schauen“, denkt Suglia an seine Kindheit zurück. „Ich habe versucht, Texte ohne fantastische Elemente zu schreiben. Das wird nichts. Ich verspüre den Drang, Realitäten zu spiegeln, die es so nicht gibt. Das gefällt mir – und daran wird sich nichts ändern.“

Erfolgsaussichten

Damit kommt Suglia in der Literaturszene gut an. 2020 erhielt er den „Prix Laurence“ der Gemeinde Bettemburg, entschied im gleichen Jahr den ULLC Writing Contest der Universität Luxemburg für sich und heimste 2021 den „Chrysalis Awared“ der „European Science Fiction Society“ ein. „Literaturwettbewerbe spielen eine wichtige Rolle in meiner Karriere und ich empfehle jedem, sich daran zu beteiligen“, ordnet Suglia seine Erfolge ein. „Nicht zum Ego-Boost, sondern weil es Dir zeigt, dass es ein Publikum für Deine Kunst gibt.“ Wer leer ausgehe, lerne Niederlagen einzustecken.

Von einer Niederlage ist Suglia derzeit weit entfernt. Auf die Produktion „Hänsel a Gréidel“ blickt er dennoch mit Ehrfurcht. Es ist eine Auftragsarbeit – die Zufriedenheit des Theaters ist wesentlich. Der Text? Ein kanonisches Märchen, das zig Mal adaptiert wurde. „Es ist eine Herausforderung, das umzuschreiben“, sagt Suglia.

Er befasste sich dafür mit dem Ursprung der Märchen, die meist eine Moral beinhalten und Kinder vor Fehlverhalten warnen. „Die Geschichten sind oft plakativ“, stellt der Autor fest. „Ich will daher tiefer auf die Charaktere eingehen: Warum ist die Hexe böse? Warum isst sie Kinder? Wir kennen das Ende der Geschichte, aber unsere Emotionen gegenüber den Figuren können sich verändern.“ Er inspirierte sich nur lose an der Vorlage. „Manche Stellen erkennt das Publikum wieder, andere nicht.“

Auf die Frage, was die Zuschauer*innen im Theater erwartet, nennt er das Wort „Nuance“. Am Ende ist Suglia vor allem eins wichtig: dass das Stück den Kindern gefällt. „Was die Erwachsenen sagen, ist Nebensache“, hebt er hervor – und lächelt.