Samstag6. Dezember 2025

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US-MedienCNN-Zuschauer können künftig während Nachrichtensendungen auf Kriegsereignisse wetten

US-Medien / CNN-Zuschauer können künftig während Nachrichtensendungen auf Kriegsereignisse wetten
Palästinenser drängen sich um gespendete Lebensmittel in einer Gemeinschaftsküche in Nuseirat im zentralen Gazastreifen Foto: Abdel Kareem Hana/AP/dpa

Klingt nach Hunger Games, ist aber Realität: In Zukunft sollen Zuschauer im US-Fernsehen zu den Nachrichten Wetten abschließen können. Unter anderem über Hungersnöte in Gaza.

Die amerikanischen Nachrichtensender CNN und CNBC wollen künftig in Zusammenarbeit mit der Wettplattform Kalshi Live-Wettquoten zu Nachrichtenereignissen in ihren Programmen zeigen. Das geht aus einem Bericht des US-Onlinemagazins Truthout hervor. Zuerst hatte Axios darüber berichtet.

Demnach sollen die Wettmöglichkeiten von Kalshi quer über alle CNN-Kanäle laufen – im TV-Ticker, auf der Website und auf dem neuen Streaming-Portal. Kurz darauf kündigte auch der Wirtschaftssender CNBC eine exklusive Partnerschaft mit Kalshi ab 2026 an. Zuschauer sollen in Echtzeit per Smartphone Geld darauf setzen können, wie sich Wahlen, Wirtschaftsdaten, Wetterereignisse oder Unternehmensmeldungen entwickeln.

Besonders umstritten sind jedoch Wetten zu Kriegs- und Krisensituationen. Truthout verweist auf eine frühere Wette bei Kalshi:  Dort wurde gewettet, ob die Einstufungskommission IPC den Gazastreifen im Jahr 2025 offiziell als von Hunger betroffen einstuft – was später eintrat. Der Konkurrenzdienst Polymarket, unterstützt von Tech-Investor Peter Thiel, lässt Nutzer unter anderem darauf wetten, ob es 2025 zu einer „Massenumsiedlung“ der Bevölkerung im Gazastreifen kommt oder wann Israel bestimmte Gebiete bombardiert. Thiel, der Mitgründer von Paypal, gilt als Förderer von Donald Trump und hat sich in der Vergangenheit für die Abschaffung der Demokratie ausgesprochen.

Brisante Eigentümerstruktur

Kritiker sprechen von einer Dehumanisierung der Opfer, wenn Hunger und Krieg zu spekulativen Finanzprodukten werden. Zusätzlich sehen Medienethiker erhebliche Interessenkonflikte: Nachrichtensender könnten an den Wetteinsätzen mitverdienen und zugleich die Berichterstattung so zuschneiden, dass Themen mit hohem „Spekulationspotenzial“ bevorzugt werden. Auch stellt sich die Frage, ob Mitarbeitende von CNN und CNBC selbst wetten dürfen. Hinzu kommt die Frage, ob ihre Analysen indirekt die Märkte beeinflussen. Bereits heute prägen Umfragen und Prognosen politische Wahrnehmungen. Wettquoten zu aktuellen Ereignissen wie Wahlen, die nicht von der Berichterstattung losgekoppelt sind, könnten diesen Effekt noch verstärken.

Brisant ist laut Truthout auch die Eigentümerstruktur: Große Kalshi-Investoren wie Andreessen Horowitz und Sequoia Capital sind zugleich im israelischen Rüstungs- und Techsektor engagiert. Ein prominenter Sequoia-Partner wirbt offen für den Einsatz von KI in der „Informationskriegsführung“ zugunsten Israels. Zudem fungiert Donald Trump Jr. als „strategischer Berater“ von Kalshi.

Für Europa ist die Entwicklung aus mehreren Gründen relevant: US-Medienformate werden häufig von europäischen Sendern adaptiert – zuletzt hat der deutsche Milliardär Frank Gotthardt mit dem Sender Nius ein Pendant zu Fox News in Deutschland geschaffen, während CNews das Format in Frankreich kopiert. Gleichzeitig versucht die EU zurzeit, Online-Glücksspiel, Desinformation und Plattformökonomie stärker zu regulieren. Sollten Wettmärkte Teil von Nachrichtensendungen werden, stellt sich auch in Europa die Frage, ob öffentliche Information und demokratischer Diskurs mit spekulativen Finanzprodukten Hand in Hand gehen dürfen. Insbesondere, wenn es um Krieg, Armut und Menschenrechte geht. (hat)