ESCHCIPA-Direktor Claude Gerin geht in Rente: „Es war mir eine Herzensangelegenheit“

ESCH / CIPA-Direktor Claude Gerin geht in Rente: „Es war mir eine Herzensangelegenheit“
Sieben Jahre wollte er beim CIPA „Op der Léier“ bleiben, es wurden 25 Jahre. Ab dem 1. April ist Claude Gerin in Rente. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Ein Vierteljahrhundert hat Claude Gerin die Geschicke des Altersheims „Op der Léier“ in Esch geleitet. Teils mit einem lachenden, teils mit einem weinenden Auge tritt er nun am 1. April in den Ruhestand.

Einerseits konnte der beliebte Direktionsbeauftragte zahlreiche Neuerungen verwirklichen und viel Menschlichkeit in die einstmals als verstaubt geltende Institution bringen. Dies war ihm seit seinem Antritt 1997 eine Herzensangelegenheit. Andererseits bleibt ein Wermutstropfen. Zwei Jahre vor seiner Pensionierung stellte ihn die Covid-Pandemie vor schier unmenschliche Herausforderungen. Es gab zahlreiche Erkrankungen und Sterbefälle. Schwer lastete die Verantwortung, die Sorge, alles richtig zu machen auf seinen Schultern. Schwer zu verkraften war auch der Verlust vieler liebgewonnener Bewohner.

Ein Neuanfang für das Escher CIPA

Ob es seine Berufung war, mit alten Leuten zu arbeiten? „So kann man das eigentlich nicht sagen“, reflektiert Claude Gerin, „ich hatte Lust, etwas aufbauen. Im Bereich der staatlichen Altersheime bot sich mir dazu Gelegenheit“. Der diplomierte Krankenpfleger und ausgebildete Pflegedienstleiter wechselte vom CHL ins Familienministerium. Hier konnte er in einem eigens geschaffenen Ressort an einem Modernisierungsplan für die dem Staat unterstellten Seniorenresidenzen mitarbeiten. Nachdem er sieben Jahre Praxiserfahrung in der Direktion des Düdelinger Altersheims gesammelt hatte, kam er 1997 als verantwortlicher Leiter nach Esch. Er organisierte die Rückkehr der nach dem schweren Brand 1995 in alle Winde verstreuten Bewohner und stellte sich mit der Eröffnung eines zusätzlichen Neubaus der hehren Aufgabe, eine zeitgemäße Struktur zu gestalten. Hier sollte der alte Mensch mit all seinen Bedürfnissen, Wünschen und Fähigkeiten ein wohnliches Zuhause finden.

„Sieben Jahre wollte ich in Esch bleiben, 25 sind es geworden. Die Aufgabe, den alten Leuten einen bestmöglichen Lebensabend zu bieten, machte mir mit fortschreitendem Erfolg immer größere Freude“, verrät er. Als nämlich 1999 „Servior“ als öffentliche Einrichtung eine Reihe staatlicher Altersheime übernahm, darunter auch das Escher CIPA, konnte Claude Gerin seine Vorstellungen umsetzen. „Ich hatte genügend Autonomie, Flexibilität und ein angemessenes Budget. ‚Op der Léier’ sollte ein offenes Haus mit jeder Menge normalem Leben und viel Kontakt nach ‚Draußen’ werden.“ Die angepassten Gebäulichkeiten, die weitläufigen Gemeinschaftsräume, die schattige Terrasse und der großzügige Park eigneten sich dazu vorzüglich. Fortan gingen die Escher Vereine ein und aus, Konzerte und Aktivitäten aller Art wurden organisiert, regelmäßige Ausflüge sorgten für Abwechslung, die „Amicale du CIPA“ brachte neue Ideen ein und die Zusammenarbeit mit der zuständigen Gemeindekommission wurde ausgebaut. So zog Lebensfreude ins Seniorenheim ein.

Die Zufriedenheit der Pensionäre war immer eines der Hauptanliegen des Direktors. Natürlich gehörte für ihn auch ein reibungsloses Funktionieren der Verwaltung dazu. Und nicht zuletzt motiviertes und achtsames Personal. „Ein Chef ist nur so gut wie sein Team“, lautete stets seine Devise. Doch maßgebend waren schlussendlich die Bewohner. 165 haben zurzeit ihr Zuhause im integrierten Seniorenheim. Darunter eine Reihe Senioren, meist noch rüstig, die ihrem 100. Geburtstag entgegenblicken. Der Altersdurchschnitt beträgt 86 Jahre. „Unsere gewählte Bewohnervertretung ist bei vielen Sitzungen dabei. Ihre Anregungen und auch kleinste Kritiken werden sehr ernst genommen. Am Montag wird etwa unter anderem die Speisekarte besprochen. Da war zum Beispiel der ‘Kuddelfleck’ voriges Mal nicht wie üblich von den Beilagen getrennt serviert worden. Der Koch wird dieser Beanstandung in Zukunft Rechnung tragen. Wir handeln nach Möglichkeit sofort. Für mich war die Praxis immer wichtiger als die Theorie. Deshalb ging ich jedes Mal, wenn die administrativen Arbeiten mir die Zeit dazu ließen, durchs Haus, besuchte die Bewohner und fragte sie nach eventuellen Mängeln. Diese Nähe trug dazu bei, Hemmschwellen abzubauen und erlaubte mir betriebsbedingte Gewohnheitsblindheit zu vermeiden“, erzählt Gerin, hebt die heruntergerutschte Decke einer Rollstuhlfahrerin auf und streicht ihr ermutigend über den verbundenen Arm.

Emotionaler Rückblick

Was nun hat den Mann, der täglich mit Alter, Krankheit und Tod befasst ist, besonders beeindruckt? „Da sind die starken Frauen, diese Vorreiterinnen, die sich durchs Leben gekämpft haben. Etwa die rüstige Madame Finny Cazarro, die 102 Jahre alt wurde, mit über 95 Jahren drei Bücher schrieb und noch vor ein paar Jahren eine Modenschau mit selbstgemachten Hüten aufzog. Eines Tages sagte sie mir, sie genieße hier dank des motivierenden und einfühlsamen Umfelds ein zweites Leben und könne sich verwirklichen. Da wusste ich, dass meine Arbeit Sinn macht und ich meinem Ziel sehr nahegekommen bin.“

Frohe und emotionale Momente gab es in Gerins langer Laufbahn viele. Gefreut hat ihn zum Beispiel, als kürzlich, ganz ungefragt, auf Initiative der Sportkommission der Gemeinde altersgerechte Fitnessgeräte im Park aufgestellt wurden. Auch berührte ihn jedes Mal das Leuchten in den Augen eines Bewohners im Palliativstadium, wenn dieser den kleinen gedruckten Engel auf der Menükarte entdeckte. Dann wusste der Patient nämlich, dass ihm täglich ein besonderer Speisewunsch erfüllt würde. Wenn die „Biergaarbechtermusek“ anlässlich ihrer jährlichen Konzerte das Steigerlied anstimmte und sich alle Zuhörer, trotz schmerzender Knie und Hüften, erhoben, konnte er sich jeweils einer leichten Gänsehaut nicht erwehren. Und ein Lächeln umspielt seine Lippen, als er von der energischen älteren Dame erzählt, die bei ihm im Büro auch mal mit der Faust auf den Tisch schlug, um ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen. Ein weiterer Moment, den er nicht missen möchte.

Vielleicht wäre er noch drei weitere Jahre geblieben, hätte es da nicht die Pandemie gegeben. Der Druck, das Haus und seine Bewohner möglichst unbeschadet durch die sanitäre Krise zu führen, habe alles von ihm gefordert. Psychisch hätten die Einschränkungen, Maßnahmen und Ungewissheiten ihren Tribut gefordert, auch bei den Mitarbeitern. Er, der selbst zweimal am Virus erkrankte und mit einem Gefühl der Ohnmacht wochenlang zuhause bleiben musste, wisse, dass er in seiner Arbeit nie wieder den gleichen, unvoreingenommenen Einsatz wie vorher leisten könne. So fühle es sich für ihn jetzt richtig an, einen Schlussstrich zu ziehen, bilanziert Claude Gerin. Er übergebe das Haus mit einem guten Gefühl an seinen Nachfolger. Vieles habe er erreichen können, manches bleibe zu tun. „Op der Léier“ sei gut gerüstet für die Zukunft, auch hinsichtlich der sich anbahnenden Konkurrenz zweier neuer privater Altersheime in Esch.

Der vielseitig interessierte Neurentner hat sich für den anzugehenden Lebensabschnitt viel vorgenommen. So wird er sich dem Aufbau des Interessenvereins Esch-Brouch widmen, endlich wieder regelmäßig Theater spielen, seinen Hobbies Mountain-Bike und Laufen frönen, sich möglicherweise auf Anregung seiner Tochter einen Hund zulegen, die „Amicale du CIPA“ weiterhin unterstützen und vielleicht in etwas fernerer Zukunft einen Teil des Jahres mit seiner marokkanischen Ehefrau, ebenfalls Krankenpflegerin, in deren Heimatland verbringen.