Mittwoch5. November 2025

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AntarktisChina und Russland überholen die USA im Rennen um den Einfluss am Südpol

Antarktis / China und Russland überholen die USA im Rennen um den Einfluss am Südpol
Die beiden chinesischen Eisbrecher Xuelong 2 (vorne) und Xuelong sind in den antarktischen Gewässern unterwegs: Auch am Südpol besetzt das Pekinger Regime zusehends Terrain. Foto: imago images/Xinhua

China plant eine sechste Forschungsstation, Russland modernisiert alte Stützpunkte – und die USA ziehen sich spürbar zurück: Die Antarktis wird zum Schauplatz eines geopolitischen Machtwechsels, der weit über den Kontinent hinausreicht.

Seit über sechs Jahrzehnten gilt die Antarktis als Ort des Friedens und der Wissenschaft – festgeschrieben im Antarktisvertrag von 1959, einem der erfolgreichsten internationalen Abkommen überhaupt. Für die unterzeichnenden Staaten ist wissenschaftliche Präsenz jedoch weit mehr als reine Forschung: Sie ist Währung und Einfluss zugleich.

Lange waren die USA unangefochtene Führungsmacht in der Antarktis – mit den größten Forschungsstationen, der stärksten logistischen Infrastruktur und der höchsten Zahl an Wissenschaftlern. Doch eine Recherche des australischen Senders ABC zeigt, wie sich das Kräfteverhältnis langsam aber stetig verschiebt. Grund: massive Kürzungen im US-Forschungsbudget.

China hat seine Aktivitäten in der Antarktis in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Peking betreibt inzwischen fünf permanente Forschungsstationen, plant eine sechste und hat im vergangenen Jahr erstmals die USA bei der Zahl der veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten überholt. Die neue Sommerforschungsstation soll in Marie-Byrd-Land in der Westantarktis entstehen – einer Region, die von keinem Staat offiziell beansprucht wird und oft als „unbeanspruchter Sektor“ gilt.

Hochmoderne Anlage in strategischer Position

Nach Angaben aus chinesischen Planungsunterlagen soll die Basis zunächst nur in den Sommermonaten betrieben werden, mit einer Kapazität für rund 80 Wissenschaftler und technisches Personal. Sie wird über ein eigenes Anlegedeck für Versorgungsschiffe, Landeflächen für Helikopter und Labore für Geowissenschaften, Ozeanografie und Atmosphärenforschung verfügen. Die Bauarbeiten sollen bis 2027 abgeschlossen sein.

Offiziell wird sie als Plattform für multidisziplinäre Klimaforschung beschrieben – Experten in Australien und den USA weisen jedoch darauf hin, dass die Ausstattung und Lage der Station auch für strategische Überwachungs- und Kommunikationszwecke nutzbar wäre. Auch Russland hat seine Präsenz in der Antarktis verstärkt, Stationen modernisiert und wiedereröffnet und eine Landebahn gebaut. Weitere Konfliktfelder sind russische seismische Untersuchungen, Geoengineering-Pläne und illegale Fischerei.

US-Rückzug gefährdet Führungsrolle

Diese Dynamik trifft auf eine Schwächephase der westlichen Forschung. Laut einer internationalen Studie erreichte die Zahl der globalen Publikationen zu Antarktis und Südlichem Ozean 2021 ihren Höhepunkt – seither sinkt sie kontinuierlich. Besonders betroffen sind Australien und die USA. Laut der Antarktisforscherin Elizabeth Leane von der University of Tasmania und Keith Larson, Direktor des Arctic Centre an der Umeå University, weist dies „auf einen gefährlichen Rückzug aus der Antarktisforschung hin“ – ausgerechnet in einer Zeit, in der sie dringender denn je gebraucht werde.

Unter der Trump-Regierung drohen den USA drastische Einschnitte. Das Budget der National Science Foundation soll 2026 um über 55 Prozent sinken. Auch die National Oceanic and Atmospheric Administration muss mit weniger Mitteln auskommen, der Vertrag für den Eisbrecher Nathaniel Palmer wird nicht verlängert. Evan Bloom, früherer US-Diplomat und langjähriger Leiter der US-Antarktispolitik, warnte gegenüber dem australischen Sender vor den Folgen: „Ein Rückzug der USA aus der Wissenschaft wird langfristig Einfluss und Führungsrolle in der Governance des Kontinents kosten.“ Im Antarktisvertragssystem, dem heute 58 Staaten angehören, haben nur 29 Mitglieder Stimmrecht – und diese Macht hängt stark von wissenschaftlicher und logistischer Leistungsfähigkeit ab.

Sorge um „Dual-Use-Technologien“

China und Russland sind zwar Vertragspartner, wurden jedoch zuletzt beschuldigt, den Schutz der Antarktis zu untergraben – etwa durch die Blockade neuer Meeresschutzgebiete oder restriktiverer Regeln für den Krillfang. Hinzu kommt die Sorge vor sogenannten „Dual-Use-Technologien“: Anlagen wie Teleskope oder Satelliten-Bodenstationen, die offiziell der Wissenschaft dienen, aber potenziell auch militärisch genutzt werden könnten. Australiens Inlandsgeheimdienst ASIO warnte zudem, dass auch Antarktisforschung zunehmend ins Visier ausländischer Nachrichtendienste rückt – weil dort Technologien entwickelt und Daten erhoben werden, die nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Wirtschaft und Militär von Bedeutung sind.

China beispielsweise weist geopolitische Motive zurück und betont, seine Arbeit diene ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken. James Chin, Asien-Experte an der University of Tasmania, zweifelt jedoch an den scheinbar selbstlosen Motiven Pekings. „Die Chinesen gehen seit den letzten Jahren nicht nur in der Antarktis, sondern auch in der Arktis so vor“, sagte er bereits Anfang des Jahres in einem Interview. Hauptziel sei es, sicherzustellen, dass sie in einer sehr starken Position seien, um von der Mineralienausbeutung in der Arktis und Antarktis zu profitieren, sobald diese erlaubt werde. Peking wolle die antarktische Präsenz aber auch als geopolitischen Vorteil für sich nutzen.

Mangelndes Interesse

Auch für Australien selbst gewinnt die Antarktis zunehmend sicherheitspolitische Dimensionen. Umweltminister Murray Watt sprach kürzlich von einem „contested space“ – einem umkämpften geopolitischen Raum, in dem Canberra seine Interessen aktiv vertreten müsse. Zwar taucht die Region in der neuen Nationalen Verteidigungsstrategie nicht auf, doch australische Think Tanks wie das Australian Strategic Policy Institute (ASPI) fordern seit Längerem ein eigenes „Southern Domain Security Program“, das die Meeresregionen zwischen Australien und Antarktis stärker in den Fokus rücken soll. Ein erster Finanzierungsantrag scheiterte zwar an der Regierung von Tasmanien, doch die Debatte zeigt, wie eng Wissenschaft, Logistik und Sicherheit inzwischen miteinander verknüpft sind.

Vor diesem Hintergrund wäre für Australien die Zusammenarbeit mit den USA nochmal wichtiger. Denn gemeinsame Logistik macht die Arbeit in den entlegenen Regionen kostengünstiger und sicherer. Sollte Washington seine Präsenz reduzieren und China oder Russland die Lücke füllen, wäre das für Canberra nicht nur eine Frage der Wissenschaft, sondern auch der nationalen Sicherheit.

Während sich die Großmächte in der Antarktis strategisch positionieren, gerät die eigentliche Dringlichkeit leicht in den Hintergrund: Die Region ist nicht nur ein geopolitisches Schachbrett, sondern auch ein entscheidender Kipppunkt im globalen Klimasystem. Schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel und bedrohte Ökosysteme machen deutlich, dass jede Verzögerung im internationalen Engagement einen hohen Preis hat.