Freitag24. Oktober 2025

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Chavanel profitierte vom „Drama“ um die Schlecks

Chavanel profitierte vom „Drama“ um die Schlecks

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Das „Drama“ um die Gebrüder Andy und Frank Schleck kostete Fabian Cancellara auf der 2. Tour-Etappe von Brüssel nach Spa das „Maillot Jaune“. Etappensieger und neuer Leader wurde nach einer Flucht über 180 km der Franzose Sylvain Chavanel, der kürzlich einen Schädelbruch ausgeheilt hatte.

Aus Spa berichten „T“-Redakteur Kim Hermes (khe) und „T“-Radsport-Experte Petz Lahure (P.L.)

Dieser Erfolg entbehrt nicht einer gewissen Symbolik und stellt für den Franzosen eine Revanche über einen vor fast drei Monaten erlittenen Schicksalsschlag dar. Chavanel war Ende April beim Frühjahrsklassiker Liège-Bastogne-Liège von einem Begleitwagen angestoßen und mit einem Schädelbruch in die Klinik eingeliefert worden. Der Franzose schien für den Radrennsport verloren. Dank einer phantastischen ärztlichen Betreuung, eines starken Willens und viel Trainingsfleiß aber ging es mit der Gesundheit bald wieder bergauf. Die Belohnung für die eiserne Ausdauer erhielt Chavanel gestern.

„Ich wurde über Funk informiert, dass in der Abfahrt eine Reihe Fahrer gestürzt waren, doch wusste ich nicht, dass das Peloton das Rennen scheinbar ’neutralisierte‘“, sagte Chavanel bei der Pressekonferenz. „Stürze gehören zum Radsport. Die ’Neutralisierung‘ aber tut meinem Sieg keinen Abbruch, denn ich lag während des ganzen Rennens in Front.“

Regen

Der erste Teil der Miniausgabe von Liège-Bastogne-Liège, mit der die gestrige Etappe Brüssel-Spa verglichen wurde, war geprägt von der Flucht einer Achtergruppe, die sich zusammensetzte aus dem Australier Matthew Lloyd, dem Belgier Jürgen Roelandts (beide Omega Pharma Lotto), dem Deutschen Marcus Burghardt (BMC), den Franzosen Sylvain Chavanel, Jérôme Pineau (beide Quick-Step) und Sébastian Turgot (Bbox Bouygues), dem Esten Rein Taaramae (Cofidis) sowie dem Italiener Francesco Gavazzi (Lampre).

Die Gruppe, in der Quick-Step und Omega-Pharma-Lotto mit je zwei Fahrern vertreten waren, bildete sich schon nach wenigen Kilometern und konnte sich lange vorne behaupten. So war es verständlich, dass Jérôme Pineau als Erster über die Côte de France (4. Kat., km 98) und die Côte de Filot (4. Kat., km 128,5) fuhr.

Bis in die ersten Kurven der Côte d’Aisomont (3. Kat., km 161) sank der Vorsprung der Fluchtgruppe unter die Minutengrenze. Vorne im Peloton schirmten die Saxo-Bank-Fahrer ihren Leader Fabian Cancellara sehr gut ab. Insbesondere Jens Voigt und Jakob Fuglsang verrichteten eine Heidenarbeit, während Andy und Frank Schleck an der Seite von „Canci“ fuhren.

In zeitweise strömendem Regen war das Peloton zu diesem Zeitpunkt bereits in mehrere Teile aufgeflogen. Vorne sammelte Pineau weiterhin eifrig Bergpreispunkte. Er überquerte auch die Côte d’Aisomont als Erster und war damit sicher, am Abend das Weiße Trikot mit den roten Punkten überstreifen zu dürfen.

Als es in den Col du Stockeu ging (3 km à 5,9 Prozent), übernahm Sylvain Chavanel das Kommando von seinem Quick-Step-Kameraden. Er passierte rund 50 Sekunden vor Roelandts, Monfort und Gavazzi. Zu fahren blieben 33 km bis nach Spa. Das Drama nahm seinen Lauf.

Gavazzi zuerst

In der Abfahrt stürzte zuerst Gavazzi, hinter ihm ein Kamera-Motorrad. Wenig später „knallte“ es im Peloton. Auf der regennassen Straße machten u.a. Andy und Frank Schleck, Lance Armstrong, Alberto Contador und Bradley Wiggins (um nur die Favoriten zu nennen) Bekanntschaft mit dem Boden.

Der jüngere der beiden Schlecks erhob sich, blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht am Straßenrand stehen und begutachtete seinen blutenden Arm. Es hatte den Anschein, als wäre die Tour de France für ihn vorbei.

Während Frank relativ schnell wieder auf dem Rad war und seine Fahrt fortsetzen konnte, verlor Andy viel Zeit. Später wartete Frank auf seinen Bruder. Zusammen mit Jens Voigt brachten sie es dank einer koordinierten Verfolgungsjagd fertig, 14 km vor Spa wieder zum Peloton aufzuschließen.

Allerdings muss man betonen, dass das Peloton recht sportlich reagierte und kein Kapital aus den vielen Stürzen ziehen wollte. Die Schlecks waren die letzten der Favoriten, die zum Feld stießen. Zuvor schon hatten Armstrong, Wiggins und Contador den Anschluss geschafft.

Von dem spontanen und stillschweigenden Nichtangriffspakt profitierte vor allem Sylvain Chavanel, der seinen Vorsprung an der Spitze ausbaute und als viel umjubelter Sieger in Spa einfuhr. Auf den letzten Kilometern tat „Maillot Jaune“ Fabian Cancellara dem Rennleiter Jean-François Pescheux seinen Unmut kund und teilte mit, dass das Feld geschlossen über die Ziellinie fahren würde.

Lediglich der Franzose Maxime Bouet (Ag2r) hielt sich nicht hieran und provozierte dadurch (zu Recht) den Zorn des Noch-Trägers des Gelben Trikots. Allerdings hatte Cancellara mit Pescheux zuvor abgemacht, dass außer dem Etappensieger niemand Punkte fürs „Maillot Vert“ erhalten würde.

P.L.