Donnerstag30. Oktober 2025

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PorträtChantal Rossi: Die Sekretärin der Tageblatt-Redaktion geht in Rente

Porträt / Chantal Rossi: Die Sekretärin der Tageblatt-Redaktion geht in Rente
Chantal Rossi an ihrem Arbeitsplatz in der Tageblatt-Redaktion Foto: Tageblatt

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Ihr gesamtes Arbeitsleben verbrachte Chantal Rossi im Tageblatt. Heute ist Schluss, denn die Sekretärin der Redaktion geht in Rente. Rückblick auf das erfüllte Arbeitsleben eines bemerkenswerten Menschen.   

Zarte 19 Jahre alt war Chantal, als sie im Tageblatt als Schreibkraft anfing. Ein Freund, der für die Zeitung arbeitete, hatte ein paar Wochen vorher angefragt, ob keine Stelle für die junge Dame frei wäre. „Plötzlich bekam ich einen Anruf, ob ich noch immer Interesse hätte. Ja, natürlich, habe ich gesagt und anschließend sofort das Schreibmaschinenschreiben geübt. Das hatte ich zwar gelernt, aber ich war etwas außer Übung“, erinnert sich Chantal. Das Vorstellungsgespräch dauerte nicht lange. Man verlor keine Zeit und setzte die Kandidatin an eine elektrische Schreibmaschine. Sie musste zehn Minuten lang Texte tippen. Und bestand den Test. „Ich brauchte die Korrekturtaste nicht ein einziges Mal“, sagt Chantal fast 40 Jahre später nicht ohne Stolz.

Fünf Jahre verbrachte Chantal in der Abteilung der Schreibkräfte. Die Arbeit war gewöhnungsbedürftig. Denn Chantal wuchs als Einzelkind auf. Sie verbrachte den Großteil ihrer Zeit im Restaurant und der Gaststätte ihrer Eltern. Half schon früh in der elterlichen Wirtschaft aus. In einer ziemlichen Männerwelt demnach. Und nun saß sie im Tageblatt mit 15 anderen Frauen in einer Abteilung. „Die Gespräche dort waren nicht so richtig meine Welt“, drückt es Chantal wahrscheinlich noch recht diplomatisch aus. „Beschass“ war nie ihre Sache, im Gegenteil. Chantal behandelt Sachen gerne diskret. Sie muss ihrem Gegenüber in die Augen schauen können, ohne sich das Geringste vorwerfen zu müssen. Verschwiegenheit in persönlichen Dingen ist ihr wichtig. Gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst.

Erstes Arbeitsgerät für Chantal Rossi im Tageblatt: der Linoscreen 300 von Linotype
Erstes Arbeitsgerät für Chantal Rossi im Tageblatt: der Linoscreen 300 von Linotype Foto: Tageblatt

Diese Charaktereigenschaft hat ihr jedenfalls für den weiteren Werdegang im Tageblatt nicht geschadet. Fünf Jahre verbrachte Chantal als Daktylo, ehe sie als Assistentin in die Redaktion wechselte, was quasi einem Ritterschlag für die junge Frau gleichkam. „Ich kam eines Tages zur Sonntagsschicht und wurde direkt wieder nach Hause geschickt. Ich dachte, man hätte mich gefeuert, doch dann sagte der Chef: ,Du gehst jetzt, weil du morgen früh in der Redaktion anfängst.’ Das Schlimmste ist, dass es alle wussten, nur ich nicht.“ Letzteres ist etwas, was Chantal schlecht verträgt. Denn später war sie es als Redaktionssekretärin gewohnt, vieles zuerst zu erfahren. Schließlich sitzt man dort im Herzstück der Zeitung, in dem alle Informationen zusammenlaufen.

Ertragreicher Nebenjob

Erst kümmerte sich Chantal um den „Etat civil“ in der Zeitung. Es war ihr Job, in den Gemeinden anzurufen und Informationen über Todesfälle und Geburten einzuholen. Nach der Schicht im Tageblatt arbeitete sie als Serviererin. Vier Jahre lang hatte Chantal also zwei Berufe. Denn sie wollte immer ein eigenes Haus besitzen. Und geschenkt wurde Chantal im Leben nichts. Im Gegenteil, sie wollte auch nie etwas geschenkt bekommen, sondern sich alles selbst erarbeiten. In ihrem Nebenjob verdiente sie damals mehr Geld als in ihrem Hauptberuf im Tageblatt. 26.000 LUF (heute: 645 Euro) gab es damals pro Monat von der Zeitung, 27.000 LUF (heute: 670 Euro) nahm sie auch dank des Trinkgeldes als Kellnerin ein.

Doch dann kamen die 1990er Jahre und Chantal wurde innerhalb kürzester Zeit der Boden unter den Füßen weggezogen. Erst verlor sie im November 1990 ihre Mutter Nelly, im Februar 1991 verstarb ihr Vater Dante. Das Ehepaar Rossi hatte in Düdelingen das Restaurant Rossi und später das Café Rossi betrieben. Chantal half im elterlichen Betrieb ab dem Alter von elf Jahren mit. Als Mutter und Vater mit nur 50 beziehungsweise 49 Jahren verstarben, war sie urplötzlich auf sich alleine gestellt. Ihre Eltern waren stets ihre wichtigsten Bezugspersonen gewesen. Zu ihnen schaute sie hinauf. Vater Dante himmelte sie regelrecht an, obwohl er mitunter sehr streng sein konnte. Plötzlich war Chantal nicht nur in ihrer Trauer, sondern auch in ihrem Leben alleine.

Sie musste das Café abwickeln, obwohl sie wenig Ahnung vom Geschäftlichen hatte. Zudem hatte sie ein ganz praktisches Problem, denn seit Kindesalter war Chantal tierlieb. Zu dieser Zeit hatte sie einen Yorkshire-Terrier. Wenn Chantal zur Arbeit ging, blieb der Hund bei den Eltern in der Wirtschaft. „Chouchou war noch nie acht Stunden alleine“, sagte ich meiner Chefin Danièle Fonck. Und die antwortete: „Das wird Chouchou auch nicht sein, ab jetzt nehmen Sie ihn mit zur Arbeit.“  Der kleine Hund sollte etwas wie ein Maskottchen der Redaktion werden, selbst wenn ihm noch lange nicht jeder etwas abgewinnen konnte. Vor allem der damalige Sportredakteur Jos Tompers nicht. Denn dessen Ankunft kündigte sich meist bereits im Treppenhaus durch seinen Raucherhusten an. Es war das Zeichen für Chouchou, in Aktion zu treten. Und so kam es, dass der Sportjournalist die kleinen Zähne des Yorkshire-Terriers fast jeden Tag an seiner Ferse spürte.

Das Redaktionsmaskottchen

Meistens aber lag Chouchou bei Chantals Füßen. Allerdings wollte der Hund auch die Gegend erkunden. Auf die Chefin wartete er immer zur selben Zeit, denn von ihr gab es stets ein Leckerli. Und auch der damalige Lokalredakteur Marco Goetz versuchte sich mit kulinarischen Bestechungen, die Gunst des „Redaktionsmaskottchens“ zu sichern. Er erinnert sich: „Da Chouchou aber recht hartnäckig sein konnte, wenn es um Buhlen nach Aufmerksamkeit ging, musste man sich ab und an wehren und das Hundedings des Weges weisen. Chantal dachte immer, ich würde den Hund treten, ja misshandeln, aber das entsprach nicht den Tatsachen. Im Gegenteil. Ich mochte den Hund sehr. Es hieß zudem, dass andere Kollegen Chouchou das Fliegen beibringen wollten. Das dürfte aber eine Legende sein oder Chouchou war der erste fliegende Redaktionshund des Tageblatt.“ Wie auch immer, Chouchou gehörte lange Zeit zum Inventar der Tageblatt-Redaktion. Und zum Flughund wurde er glücklicherweise nie.

Auf Chouchou folgte Sally, dann kam Jacky, Chantals aktueller Yorkshire-Terrier. Doch nur Chouchou kannte das Tageblatt von innen wie kein anderer. Chantal bekleidete fortan noch weitere Posten im Medienhaus. Sie war Sekretärin der 1997 gegründeten französischsprachigen Wochenzeitung Le Jeudi und auch Sekretärin der Chefredakteurin und damals stellvertretenden Editpress-Generaldirektorin Danièle Fonck. 2006 gab sie dann ihr Comeback in der Tageblatt-Großraumredaktion, wo heute der letzte Arbeitstag ansteht. „Ich habe immer unglaublich gerne hier gearbeitet und bin froh, mein gesamtes Arbeitsleben hier verbracht zu haben. Natürlich gab es nicht nur schöne Zeiten, aber eins ist sicher: Es wurde viel viel mehr gelacht als geweint“, bilanziert Chantal Rossi. Über die schlechten Zeiten will sie nicht reden. Schmutzige Wäsche zu waschen, widerspricht ihrem Charakter. Da erzählt sie lieber, wie sie einst eine Grapsch-Attacke eines weit mehr als zwei Zentner wiegenden Schriftsetzers mit einer schallenden Ohrfeige beantwortete. Darüber kann sie auch Jahrzehnte später noch herzhaft lachen. Genau wie die Kollegen über ihren Standardsatz mitsamt typischer Handbewegung in Richtung ihres zum Markenzeichen gewordenen Ponys: „Ech si vläicht blond, mee net …“   

Was sie so richtig nervt, ist, dass sie wegen Corona keine große Sause zum Abschied geben kann. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. In ihrer Pension will sie sich zunächst einmal um ihr Haus kümmern. Ihr Lebenspartner Bruno hat noch eine Zeit bis zur Rente zu arbeiten, sodass die Reisepläne noch etwas warten müssen. Daher will sich Chantal als „Bénévole“ engagieren. Als junge Frau fuhr sie zwölf Jahre mit der Düdelinger Ambulanz mit. Auch jetzt soll es vielleicht etwas im Gesundheitsbereich sein, oder aber etwas mit Tieren. Jedoch nicht im Tierasyl, präzisiert sie, „denn wenn dort ein Tier stirbt, dann  sterbe ich immer mit“. 

Auch im Tageblatt stirbt etwas mit dem Abschied von Chantal Rossi. „Es war eine schöne Zeit. Ich habe nie bedauert, hier angefangen zu haben. Im Gegenteil, ich habe viele liebe Menschen kennengelernt. Und ich werde sie alle vermissen“, sagt Chantal. Was freilich auf Gegenseitigkeit beruht, denn jemanden wie Chantal, da ist sich die Tageblatt-Redaktion einig, gibt es nur einmal auf der Welt. Sie war nicht mehr und nicht weniger als das Herz und die gute Seele des Tageblatt

Sogar zum „Covergirl“ der Revue brachte Chantal es – zumindest überraschte sie ein Tageblatt-Grafiker mit dieser Fotomontage
Sogar zum „Covergirl“ der Revue brachte Chantal es – zumindest überraschte sie ein Tageblatt-Grafiker mit dieser Fotomontage Foto: Tageblatt
Nico Tompers
20. Juli 2020 - 20.13

Ech wenschen dem Chantal och eng schein Pensioun. NICO TOMPERS.

Clemi
20. Juli 2020 - 13.44

All Guddes Chantal, genéiss déi Zäit déi lo kënnt!!

Frank Ziegler
20. Juli 2020 - 13.36

Chantal, du wäerts eis all vill feelen! Deng Frëndlechkeet wäert eis ëmmer an Erënnerung bléiwen, mee ech sinn iwwerzeegt dass och d'Pensioun denger gudder Laun näischt kann unhunn!
Vill Spaass, genéiss et!
DECKE KUSS!

Runzelrübe alias.......
20. Juli 2020 - 12.08

Ech kennen d´Madame Rossi net, wenschen Hir eng schein Pensioun, op d´manst esou Schein wei meng, a wann Sie zoustänneg war fir d´Comments hei, da soen ech hir villmols merci das Sie den ganzen Quatsch zou gelos huet den ech hei vun mir gin hun????Prost Madame Rossi?

Tun
20. Juli 2020 - 11.46

Ich vermisse noch immer das Restaurant ihres Vaters.
Heutzutage scheint's bloß noch Chinesisch, Thai, Nepalesisch und Indisch gekocht zu werden.

en ale Sozialist
20. Juli 2020 - 8.41

Chantal Rossi, eine freundliche , zuvorkommende Redaktionssekretärin. Alles Gute für die Zukunft !