SerieChanel und Dior vereint: „The New Look“

Serie / Chanel und Dior vereint: „The New Look“
Sie stehen im Mittelpunkt der Serie „The New Look“: Juliette Binoche (l.) als Coco Chanel und Ben Mendelsohn als Christian Dior (2.v.r.) Foto: Apple TV+

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Die Namen zweier Modeschöpfer stehen noch bis heute für Eleganz und Virtuosität: Coco Chanel und Christian Dior. Ihre jeweiligen Geschichten der sozialen Ächtung und des Ruhms, ihr Niedergang und Aufstieg aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs sind der Gegenstand der zehnteiligen Serie „The New Look“, die auf Apple TV+ zu sehen ist.

Allein die Titelsequenz jeder Folge parallelisiert äußerst raffiniert, über die Technik des „match-cuts“, Einstellungen des künstlerischen Schöpfungsaktes von Mode mit jenen aus dem ikonisch gewordenen Bildreservoirs des Krieges: Nähte werden so zu Absperrungszäunen, rote Fäden zu Blutspuren. Die im Vorspann aufgeworfene Programmatik durchdringt die gesamte Serie: „The New Look“ von Todd A. Kessler erzählt in jeder seiner Folgen von den Widersprüchlichkeiten im Menschen, von seiner Fähigkeit, die Augen vor dem Bösen zu verschließen und doch das moralisch und ethisch Gute in einer allumfassenden Totalität des Bösen zu finden. Damit haben beide Protagonisten der Serie, Coco Chanel (Juliette Binoche) Christian Dior (Ben Mendelsohn), jeweils auf unterschiedliche Weise zu kämpfen.

Modeschöpfung und Krieg

Das Leben der Modeikone Coco Chanel war bereits mehrfach Grundlage für fiktionalisierte Aneignungen durch den Film: Da gibt es „Coco avant Chanel“ (2009) von Anne Fontaine mit Audrey Tautou in der Hauptrolle. Ein Vorwurf, den die filmkritische Diskussion dieser fiktionalisierten Biografie machte, sei die bewusste Ausblendung der vermeintlich dunklen Kapitel im Leben der Modeschöpferin, besonders Chanels Versuch, unter Rückgriff auf die antisemitischen Arier-Paragrafe, die Oberhand über ihre Parfümproduktion zu gewinnen. Bis heute wird dieser Vorwurf rund um Chanel umstritten diskutiert. Einen späteren Lebensabschnitt fokussierte im selben Jahr ein weiterer französischer Film: „Coco Chanel & Igor Stravinsky“ von Jan Kounen – hier steht mehr die Beziehung zu dem virtuosen Komponisten (Mads Mikkelsen) im Vordergrund zu einer Zeit der Aufrechterhaltung der mondänen Fassade. Das Leben Diors wurde weniger filmisch beleuchtet: „Dior et moi“ (2014) interessiert sich mehr für Diors Nachfolger, den belgischen Modedesigner Raf Simons, als für den Gründer des berühmten Modehauses.

„The New Look“ hingegen unternimmt den Versuch, unter der Zuhilfenahme der epischen Erzählform der Serie ebenjene Schattenseiten im Leben der Hauptfiguren nicht zu ignorieren, sie indes stärker in einen sehr schwierigen zeitlichen und politischen Kontext zu setzen und aus diesem heraus begreiflicher zu machen. In diesem Zuge freilich soll nun auch ausführlicher Diors Lebensweg erzählt werden. So sehr die Serie um die Zwischentöne, die Grauzonen bemüht ist, so sehr ist sie indes auf eine klare Spannungsdramaturgie angewiesen, um den Ansprüchen der publikumswirksamen Unterhaltung gerecht zu werden: Diese Leitlinie orientiert sich zuvorderst an der klaren Gegenüberstellung der beiden Modedesigner – Chanel und Dior –, deren Lebenssituationen während der Besatzung Frankreichs durch die Nazis und in der unmittelbaren Nachkriegszeit konträrer nicht sein könnten.

Die Grauzonen

Chanel hat zu dem Zeitpunkt den Zenit ihres Ruhmes bereits überschritten, sie ist den Vorwürfen der Kollaboration mit den Nazis ausgesetzt, die große Karriere steht Dior erst noch bevor. Gerade sein persönlich erlebtes Leid, das Zerreißen seiner Familie, wird als der eigentliche Ausgangspunkt seiner schöpferischen Kraft gelesen, sie nährt sich an diesem biografischen Einschnitt, einer Narbe aus Schmerz und Verdrängung. Der künstlerische Schöpfungsakt als Therapie, Kreation zur Bekämpfung der tief sitzenden inneren Dämonen. Seine schöpferische Gabe macht aus ihm gleichsam eine Art Heilsbringer, dessen neue modische Kreationen gerade den Frauen die Möglichkeit bot, ein neues Lebensgefühl von Freiheit und Unbeschwertheit qua Kleidung atmen zu dürfen. „Creation was survival“, heißt es an einer Stelle.

Bis in das unmittelbare Schauspiel der jeweiligen Hauptdarsteller hinein – die Extravaganz und Exzentrik bei Juliette Binoche, die Zurücknahme und zögerliche Demut bei Mendelsohn – ist die Figurenzeichnung überaus konträr angelegt. Dies geschieht mit einem klaren Sympathiezuspruch für Dior und einer tendenziellen Distanz zulasten Chanels. Dieser Umstand mag mitunter auf einige in der Vergangenheit erschienenen eindimensionalen und sensationalistischen Chanel-Biografien zurückzuführen sein, die ihren vermeintlichen Opportunismus zur Nazi-Zeit und darüber hinaus gewichteten. Es ist freilich sinnlos, von einer fiktionalisierten Serie die objektive Geschichtsschreibung zu erwarten und zu erfahren, indes muss man mit dem Stoff und dessen Hintergründen sehr vertraut sein, um besonnen abwägen zu können, inwiefern diese Figurenzeichnung zutreffend ist. Chanels Mode wurde gerne als Ausdruck einer feministischen Emanzipationsbewegung – die Befreiung der Frau aus steif sitzenden Kleidern – gesehen, Diors Designs demgegenüber dann eher als ein Rückschritt – sein Erfolg, gewonnen aus günstigen Umständen. Eine weitere Betrachtungsweise, die in der Serie zwar erwähnt, aber nicht weiterverfolgt wird.

Was aber in all diesen Gegenüberstellungen und der Konzentration auf die persönlichen Schicksalsschläge – im Sinne einer Darstellung der Schwierigkeiten einer moralisch aufrichtigen Haltung inmitten der Wirren des Krieges und eines totalitären Regimes – nahezu ganzheitlich verloren geht, ist die Mode selbst. Es wird zwar viel über die Schöpfung und den kreativen Geist geredet, wirklich spürbar wird davon allerdings nichts. Erst gegen Ende der Serie, wenn Dior sich mit seiner ersten Kollektion dem Laufsteg stellt, wird der Serientitel zumindest ansatzweise thematisiert. Es ist denkbar, dass dieses inhaltliche Versprechen – eine Beschreibung der Mode selbst, die neuartigen Designs, die formvollendeten Schnitte, die innovativen Farben – all das, was man gemeinhin als das „Pariser Chic“ der Moderne bezeichnet, erst mit einer zweiten Ausgabe tatsächlich erfüllt wird.

„The New Look“, auf Apple TV+