4. Dezember 2025 - 7.09 Uhr
„Projekt Alpha“Chamber beschließt Alphabetisierung auf Französisch
Kinder, die in Klassen lernen müssen, in denen nicht ihre Muttersprache gesprochen wird, haben ihre gesamte Schulkarriere hinweg mit Nachteilen zu kämpfen. Auch etliche Mitglieder der Chamber berichten in ihren Reden zur geplanten Alphabetisierung auf Französisch von ihren Erlebnissen. Barbara Agostino (DP) eröffnet als Berichterstatterin des Bildungsausschusses die Debatte. Sie schildert, wie sie als Kind aus einer italienischen Familie in der Schule außen vor war, weil sie die Sprache nicht beherrschte. „Für mich war Sprache nicht nur ein Instrument, sondern eine Mauer“, sagt die Abgeordnete. Für sie sei die Reform eine Abrechnung mit einer Ungerechtigkeit, die sie selbst als Kind gespürt habe. Laut Agostino macht das Gesetz einen großen Schritt zur Verbesserung der Chancengleichheit im Bildungssystem.
Kinder sollen das Recht haben, in der Sprache alphabetisiert zu werden, der sie am nächsten stehen
Ricardo Marques (CSV) berichtet ebenfalls von seiner Schulzeit. Er habe immer alleine Hausaufgaben gemacht und gelernt. Seine Eltern konnten ihn nicht unterstützen, weil sie kein Deutsch konnten. „Wir müssen die Entwicklungen in den Schulen ernst nehmen“, fordert Marques. „Kinder sollen das Recht haben, in der Sprache alphabetisiert zu werden, der sie am nächsten stehen.“
Reformen „mit dem Brecheisen“
Um die Chancengleichheit zu verbessern, schließen sich auch „déi gréng“ der Reform an. „Wir kennen die Probleme seit Jahrzehnten“, sagt Meris Sehovic mit Blick auf Forderungen nach einer besseren Evaluation des Projekts. Der Preis, noch eine Generation mit der Ungerechtigkeit leben zu lassen, sei zu hoch. Die vielen Bedenken am „Projekt Alpha“ liegen laut Sehovic auch an der Methode der Regierung, Reformen „mit dem Brecheisen“ voranzutreiben. Er rät der Regierung, den Dialog zu suchen und mehr Vertrauen aufzubauen.
David Wagner („déi Lénk“), der bereits als vierter Redner an diesem Mittwoch aus einem Elternhaus stammt, in dem kein Luxemburgisch gesprochen wurde, klagt in Bezug auf seine Schulzeit von einer „Zwangsalphabetisierung auf Deutsch“. Auch er habe stark darunter gelitten. Die wissenschaftlich belegten starken Unterschiede zwischen den Schülern, die bereits im Zyklus 2 auftreten, seien darauf zurückzuführen.
Dass die Europaschulen und die traditionellen Schulen noch immer parallel laufen, ohne Konzept zur Zusammenführung, ist eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft
Bildungsminister Claude Meisch (DP) erinnert daran, dass bereits in den 60ern das Problem starker Chancenungleichheit im luxemburgischen Bildungssystem bekannt war. Es sei nicht hinnehmbar, „dass Kinder, die zu Hause kein Deutsch oder Luxemburgisch sprechen, Nachteile haben“. Im Prinzip gehe es darum, jedem Kind den passenden Weg zu ermöglichen, statt mit allen Schülern den gleichen Weg zu gehen. „Wir sind ein multilinguales, heterogenes Land“, sagt Meisch. Seine Reform sei eine notwendige Weiterentwicklung, bei der die Entscheidungsfreiheit der Eltern bestehen bleibe.
Fred Keup (ADR) greift die Alphabetisierungsreform an. Die Stärkung von Französisch bringe die luxemburgische Sprache in Gefahr, es brauche „ein Gleichgewicht“ zwischen Deutsch und Französisch, um Luxemburgisch zu erhalten. Die Chancengleichheit sei auch der ADR sehr wichtig, in Bezug auf das Gesetzesvorhaben drohe jedoch eine „Abwertung des traditionellen Schulsystems“. Der Kritik der ADR entgegnete David Wagner („déi Lénk“), dass nicht nur Französisch, sondern auch Deutsch und Luxemburgisch gestärkt werden. „Ihr lügt bewusst eure Wähler an“, so Wagner.
Dass sozioökonomische Unterschiede die Hauptursache von Bildungsungerechtigkeit sind, stellt Francine Closener (LSAP) klar. „Über ökonomische Benachteiligungen muss man sprechen“, sagt sie und stellt eine Motion, um Kinderarmut als Ursache der Bildungsungleichheit zu bekämpfen. Zudem solle die Integration auch in der Sekundarstufe verbessert werden. „Dass die Europaschulen und die traditionellen Schulen noch immer parallel laufen, ohne Konzept zur Zusammenführung, ist eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, so Closener. Eine weitere Motion der Abgeordneten fordert, dass „Projekt Alpha“ nicht zulasten der Förderschulen gehen darf. Damit ist die LSAP erfolgreich: Die Motionen zur Kinderarmut und der Integration in der Sekundarstufe werden an den Bildungsausschuss verwiesen.
Am Ende der Debatte stimmen CSV, DP, LSAP, „déi gréng“ und „déi Lénk“ für den Gesetzesentwurf. „Es werden Fakten geschaffen, ohne dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse überhaupt vorliegen“, begründet Marc Goergen die Enthaltung der Piraten. Die fünf Gegenstimmen kommen von der ADR. Die Vorwürfe mehrerer Parlamentarier, die Partei mache Identitätspolitik entgegen dem Wohle der Kinder im Land, konnte sie nicht umstimmen.
De Maart
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