Auf der Regierungsbank sitzen Sozialdemokraten und Grüne an diesem Donnerstag noch eng nebeneinander. Gegenüber, in den Reihen der Fraktionen, ist diese Zweisamkeit bereits Geschichte. Denn da machen nun Union und SPD gemeinsame Sache – und wollen bei einer Sondersitzung des alten Bundestages die Grünen zur Zustimmung für ihre Milliardenpläne für die kommende Wahlperiode bewegen.
Es geht um nicht weniger als drei Grundgesetzänderungen für ein Infrastruktur-Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro, eine Lockerung der Schuldenbremse für die Länder und ein Umgehen der Schuldenbremse für künftig ungedeckelte Verteidigungsausgaben. Doch die Fronten sind verhärtet, die Grünen wollen noch nicht für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit sorgen.
Den Anfang in der Debatte macht dann der neue SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil. „Wir müssen unsere eigene Verteidigungsfähigkeit so stark machen, dass wir nie wieder Krieg führen müssen“, begründet Klingbeil noch einmal die Milliardenpläne. Zugleich sei es notwendig, „dass wir unser Land auf Vordermann bringen“, sagt er und pocht darauf, die Milliardenpakete nicht zu trennen, wie es die Grünen-Fraktionsführung vorschlägt. Doch dann geht er auf die Grünen zu: „Wir haben angeboten, das Sondervermögen Infrastruktur um den Aspekt Klimaschutz zu erweitern“, sagt Klingbeil zu einer zentralen Grünen-Forderung. Und es gebe die feste Zusage von Union und SPD, das Geld wirklich für neue Investitionen verwenden zu wollen, betont er.
Was bei dem SPD-Fraktionschef bereits anklingt: Noch am Morgen arbeiten hinter den Kulissen Fraktionsmanager und Fachpolitiker von Union und SPD unter Hochdruck an einem Änderungsantrag, um Schritte auf die Grünen zuzugehen. Den bringen sie dann am Mittag in die laufende Debatte ein, um den Termin für die geplante Abstimmung im Bundestag am kommenden Dienstag halten zu können.
Der Antrag sieht vor, dass zusätzliche Ausgaben für die Verteidigung auch dem Zivil- und Bevölkerungsschutz zugutekommen sollen, zudem den Nachrichtendiensten. Außerdem sollen aus dem 500-Milliarden-Sondervermögen bis zu 50 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Die Länder sollen 100 der 500 Milliarden Euro aus dem Sondertopf bekommen.
Merz verschärft den Ton gegenüber den Grünen
Als dann Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) als Zweiter ans Rednerpult tritt, versucht auch er sich zunächst in einem freundlichen Ton gegenüber den Grünen, dankt ihnen für die Gespräche. Er tritt dem Vorwurf des Wahlbetrugs entgegen und betont mit Blick auf die neue Sicherheitslage, im Bereich Verteidigung sei eine „große nationale Kraftanstrengung“ nötig. Jeder Aufschub wäre unverantwortlich, mahnt er. Merz macht deutlich, dass die Infrastruktur-Finanzmittel für eine umfassende Modernisierung des Landes gebraucht würden. „Wir wollen das eingebettet sehen in eine umfassende Reformagenda für unser Land.“ Doch dann verschärft Merz den Ton gegenüber den Grünen plötzlich mit Blick auf die Zugeständnisse: „Was wollen Sie eigentlich noch mehr?“, ruft er den Mitgliedern der Grünen-Fraktion entgegen, die daraufhin aufgebracht reagieren, Köpfe schütteln, entgeistert lachen. Auch einigen Sozialdemokraten entgleiten bei Merz‘ Satz die Gesichtszüge. Sie ahnen: Solche Worte können alle Einigungsversuche zunichtemachen.
Entsprechend scharf fällt dann die Antwort von der Co-Fraktionschefin der Grünen, Katharina Dröge, aus. Sie macht Merz schwere Vorwürfe: Die Grünen stimmten der Vorlage von CDU/CSU und SPD zur Änderung des Grundgesetzes nicht zu, „weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen können“, sagt sie. Man habe mehrfach angeboten, die Schuldenbremse zu reformieren, dies sei immer abgelehnt worden. Dass Merz nun auch die Schuldenbremse reformieren wolle, sei entgegen anderslautender Aussagen schon klar gewesen, sagt Dröge. „Es war ein Drehbuch, das geschrieben war.“
Auch die FDP arbeitet sich an Merz ab. Der frühere Parteichef und Ex-Finanzminister Christian Lindner fragt Merz: „Sie hier vorne in der ersten Reihe: Wer sind Sie? Und was haben Sie mit Friedrich Merz gemacht?“
Einer Einigung nicht näher gekommen
AfD-Chefin Alice Weidel wirft Merz einen „finanzpolitischen Staatsstreich“ vor. „Sie werden in die Geschichte eingehen als der Totengräber der Schuldenbremse, die Sie im Wahlkampf noch so vehement wie verlogen verteidigt haben“, sagt sie.
Während der Debatte kommt die Eilmeldung, dass Russland die von der Ukraine und den USA vorgeschlagene Waffenruhe ablehnt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wirbt daher noch einmal für Zustimmung der Grünen. Nun zeige sich, „wie leistungsfähig und entscheidungsfähig die demokratische Mitte in diesem Land sein kann“, betont er. Man weiß bei Union und SPD, dass ein Scheitern der Milliardenpläne eine Katastrophe für die weitere Regierungsbeteiligung wäre – es würde wohl das vorläufige Aus der Verhandlungen bedeuten.
Allerdings sieht es nicht danach aus, als hätte die Debatte eine Einigung näher gebracht. Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann formuliert es so: Die Zustimmung der Grünen stehe nach wie vor aus, „und das ist mit dem heutigen Tag nicht besser geworden“. Sie zweifele manchmal am Verhandlungsgeschick mancher Kollegen. „Angebote an unzureichende Gesetzentwürfe macht man weder über die Mailbox noch im Plenum, wenn man will, dass sie Erfolg haben“, stichelt Haßelmann.
De Maart
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