Flankiert von ihren neuen Lieblingspartnern im Südosten, stellte sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im fernen New York dem Blitzlichtgewitter der Fotografen. Rumänien und Bulgarien spielten eine „vitale Rolle“ bei der Absicherung der ukrainischen Exporte, verkündete sie nach dem von ihr als „sehr gut“ bezeichneten Treffen mit dem rumänischen Staatschef Klaus Johannis und der bulgarischen Außenministerin Mariya Gabriel am Rande der UN-Vollversammlung in dieser Woche: Die EU baue ihre „Solidaritätsrouten“ aus, um das ukrainische Getreide trotz der russischen Schwarzmeerblockade „in die Welt zu bringen“.
Zur Erleichterung und der etwas pathetischen Erfolgsbotschaft hat die ranghöchste EU-Würdenträgerin allen Grund. Denn eigentlich hängt an den Ost- und Südostflanken der EU der Haussegen wegen der ukrainischen Getreideexporte kräftig schief. Grenzüberschreitend klagen Landwirte zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee schon seit Monaten über den Preisverfall auf den lokalen Märkten durch ukrainischen Billigweizen.
Verstimmt reagierten die Visegrad-Partner Polen, Slowakei und Ungarn denn auch auf die EU-Aufhebung der im Mai verhängten Teilrestriktionen für ukrainische Getreideimporte in der letzten Woche mit einseitig verhängten Importstopps. Warschau drohte dunkel gar ein mögliches Waffenembargo gegen die „undankbare“ Ukraine an. Wegen des einseitigen Importbanns reichte Kiew bei der Welthandelsorganisation (WTO) empört Klagen ein, hat diese gegen die Slowakei aber in dieser Woche wieder zurückgezogen: Bratislava und Kiew haben sich auf die Schaffung eines neuen Systems von Importlizenzen verständigt.
Trotz ähnlicher Probleme mühten sich Bulgarien und Rumänien von Anfang an hingegen auffällig um gemäßigte Töne – und um den Schulterschluss mit Brüssel und Kiew: Die langjährigen Sorgenkinder scheinen sich im Ukraine-Krieg zunehmend zu den neuen EU-Musterknaben zu wandeln.
Keine Rücksicht auf populistische Konkurrenz
„Bulgarien setzt ein Beispiel der echten Solidarität“, jubilierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach der Entscheidung des Parlaments in Sofia, die Restriktionen gegen ukrainische Agrarimporte nicht zu verlängern. Rumänien laufe Polen als wichtigster Partner der Ukraine den Rang ab, warnt besorgt die Warschauer Zeitung Rzeczpospolita: „Washington sucht langsam nach einem alternativen Verbündeten für die Ukraine, weil es nicht sicher ist, inwieweit es auf Polen zählen kann.“
Zwar erfreuen sich auch im Südosten russophile Rechtsparteien wie die bulgarische „Wiedergeburt“ oder die rumänische AUR zunehmender Beliebtheit. Doch im Gegensatz zur Slowakei und Polen, wo am 30. September und 15. Oktober Parlamentswahlen anstehen, müssen die Regierungen in Bukarest und Sofia derzeit keine Rücksicht auf die populistische Konkurrenz oder die zunehmende Kriegsermattung potenzieller Wähler nehmen.
Einerseits hat der stark angezogene Getreidetransit über den rumänischen Donau- und Schwarzmeerhafen Constanta dem Karpatenstaat einen erheblichen Bedeutungszuwachs beschert. Andererseits hat sich Rumänien im Ukrainekrieg als einer der härtesten Kritiker Moskaus und besonders verlässlicher Nato-Partner profiliert. Nach Angriffen auf ukrainische Donauhäfen wurden schon drei Mal die Überreste russischer Drohnen auf rumänischem Territorium gefunden. Russland greife die kleinen Donauhäfen an, um die „Menschen zu erschrecken und den Getreidetransit zu stoppen“, klagt Staatschef Johannis.
Dennoch Hintertüren offen gelassen
Wegen starker prorussischer Kräfte im Parlament und im Präsidentenpalast galt Bulgarien in NATO-Kreisen zwar lange als etwas unsicherer Kantonist. Doch seit im Juni eine prowestliche Zweckkoalition der konservativen Gerb-Partei mit dem Antikorruptionsbündnis PP-DB die Amtsgeschäfte übernommen hat, segelt Sofia klar auf Westkurs. So stimmte Bulgariens Parlament zu Wochenbeginn für einen Importstopp für russisches Rohöl. Am Donnerstag wurden drei russisch-orthodoxe Geistliche „aus Sicherheitsgründen“ des Landes verwiesen.
Die ukrainischen Getreideexporte sorgen jedoch auch in Bulgarien und Rumänien für Proteste. Und trotz vollmundiger Solidaritätsbekundungen mit Kiew haben sich die Schwarzmeeranrainer durchaus Hintertüren für Importbegrenzungen offengelassen. Rumänien hat die Entscheidung darüber mit Verweis auf einen mit Kiew auszuarbeitenden „Aktionsplan“ lediglich vertagt. Bulgariens Bauernverbände wiederum haben in dieser Woche die geplante Traktorblockade der Sofioter Innenstadt nur deswegen abgeblasen, weil die Regierung einen Importstopp für ukrainische Sonnenblumenkerne zusagte.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können