Sonntag26. Oktober 2025

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EUBudapest reagiert verhalten auf Aktivierung des Rechtsstaatsmechanismus

EU / Budapest reagiert verhalten auf Aktivierung des Rechtsstaatsmechanismus
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban wird vorgeworfen, in den vergangenen Jahren Familienangehörige und Freunde mit EU-Geldern versorgt zu haben Foto: AP/dpa/ Petr David Josek

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Ungewohnt verhalten hat Ungarns rechtspopulistische Regierung bislang auf die Auslösung des EU-Rechtsstaatsmechanismus reagiert. Ungarns Opposition begrüßt die Entscheidung als wichtigen Schritt im Kampf gegen die Korruption.

Zumindest Ungarns gebeutelte Opposition kann der drohenden Kürzung des Brüsseler Geldsegens auch positive Seiten abgewinnen. „Europa ist stark, Orban hat verloren“, so die Reaktion der linksliberalen Europa-Abgeordneten Klara Dobrev (DK) auf die offizielle Einleitung des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus der EU, die Ungarn die Aussetzung oder Kürzung von EU-Mitteln in Milliardenhöhe bescheren könnte.

Das nun eingeleitete Verfahren bestätigt nach Ansicht der Opposition die „zügellose Korruption“ im von Premier Viktor Orban und seiner Fidesz-Partei dominierten Donau-Staat. Orban und seine Leute sollten „bestraft“ werden, weil sie „schamlos ihre Taschen mit den Subventionen füllen, die den anständigen Ungarn zustehen“, so Dobrev.

Wenn Orban wirklich am Wohl Ungarns gelegen sei, müsste er „alles tun, um die EU-Mittel zu erhalten und nicht weiter auf dem Rechtsstaat herumtrampeln“, so die liberale Europaparlamentarierin Katalin Cseh (Momentum). Für die „einzige Chance“ Budapests, die Kürzung der Mittel zu vermeiden, hält der sozialistische Europaparlamentarier Istvan Ujhelyi (MSZP) die von Ungarn bisher verweigerte Unterstützung der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft: Seit vergangenem Juni ermittelt die von 22 Mitgliedsstaaten gegründete EU-Behörde in Luxemburg gegen den Missbrauch von EU-Geldern.

Auf den auch vom Europäischen Rechnungshof untermauerten Vorwurf, dass EU-Mittel ohne transparente Ausschreibung in die Taschen von parteinahen Unternehmern und von Orbans Familienangehörigen fließen, hatte Budapest bislang stets mit Attacken gegen die „Brüssler Bürokraten“ reagiert. In ein ähnliches Horn bläst nun auch Außenminister Peter Szijjarto, der Brüssel „falsche Vorwürfe“ und „Erpressung“ vorwirft. Die EU sei über Orbans „Erdrutschssieg“ bei der Parlamentswahl am 3. April enttäuscht: „Aber das ungarische Volk unterstützt, was wir tun. Das ist eine klare und echte Demokratie.“

Wesentlich verhaltenere Töne schlug in seiner ersten Reaktion hingegen Orbans Kabinettschef Gergely Gulyas an. Zwar erinnerte auch er an die „klare Entscheidung“ der ungarischen Wähler. Doch beteuerte er, dass es kein Thema gebe, „bei dem wir keine Lösung finden könnten, das sowohl für unsere Regierung als auch die EU-Kommission akzeptabel ist“.

Schon jetzt liegen Milliarden Euro auf Eis

Tatsächlich ist Ungarn als einer der größten Netto-Empfänger der EU auf deren Hilfsgelder angewiesen: Die jährlich knapp 5 Milliarden Euro, die Ungarn von Brüssel erhält, entsprechen rund 3,5 Prozent des Sozialprodukts. Schon jetzt liegen 7,2 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds wegen Ungarns mangelhaften Kampf gegen die Korruption auf Eis. Seine im Stimmenstreit großzügig gewährten Wahlkampfgaben hatte Orban noch mit vermehrten Kreditaufnahmen finanziert. Doch wegen des Ukraine-Kriegs droht nun auch Ungarn in die Krise zu schlittern.

Auch politisch ist Orban seit dem faktischen Rauswurf seiner Fidesz-Partei aus der christdemokratischen EVP im letzten Jahr in der EU zunehmend isoliert. Sein Schmusekurs mit Putin hat seine langen, sehr engen Bande zum Visegrad-Partner Polen völlig zerrüttet. Am Wochenende haben mit Sloweniens abgewählten Premier Janez Jansa sowie Frankreichs gescheiterter Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen gleich zwei seiner Gesinnungsfreunde peinliche Wahlniederlagen erlitten. Einstimmigkeit ist bei in neun Monaten zu erwartenden Ende des Rechtsstaatsverfahrens ohnehin nicht nötig: Wenn sich mindestens 15 Mitgliedsstaaten mit 65 Prozent der EU-Bevölkerung dafür aussprechen, kann der EU-Rat Ungarn die EU-Mittel kürzen – oder deren Zahlung aussetzen.