Sonntag28. Dezember 2025

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EU-KommissionBrüssel macht Rückzieher beim Lieferketten-Gesetz

EU-Kommission / Brüssel macht Rückzieher beim Lieferketten-Gesetz
EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis gibt Erklärungen zur Lieferketten-Richtlinie Foto: Europäische Union, 2025/Claudio Centonze

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Die EU-Kommission korrigiert sich selbst: Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise in Europa und harter Konkurrenz aus den USA und China will die Brüsseler Behörde ihren „Green Deal“ zur Klimapolitik überarbeiten und vier Nachhaltigkeits-Gesetze lockern. Außerdem möchte sie die Industrie fördern und die Energiepreise senken.

Die am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Maßnahmen gehen deutlich über die bisherigen Planungen hinaus. So will sie eine klimafreundliche Industrie mit einem 100-Milliarden-Euro-Paket fördern. Um die Energiekosten für die Industrie zu senken, sollen Wind- und Solarbranche künftig eine größere Rolle spielen.

Außerdem soll die Anwendung der europäischen Lieferketten-Richtlinie verschoben werden. Sie war im Mai 2024 verabschiedet worden und sollte eigentlich Mitte 2027 in Kraft treten. Nun ist von Juni 2028 die Rede, vier Jahre nach dem EU-Beschluss. Ob die Richtlinie so lange Bestand hat, bleibt abzuwarten.

„Wir können kein Business as usual mehr machen“, begründete Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis den Vorstoß. Angesichts der Annäherung zwischen den USA und Russland beim geplanten Ukraine-Deal könne sich die EU nicht mehr auf ihren amerikanischen Partner verlassen. Auch China müsse man etwas entgegensetzen.

Die Lieferketten-Richtlinie ist dabei nur eines von vier Nachhaltigkeits-Gesetzen, die die EU-Kommission radikal „entschlacken“ will. Betroffen sind auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD, die sogenannte Taxonomie sowie der Grenzausgleichsmechanismus CBAM. Sie werden im so genannten „Omnibus“-Verfahren überarbeitet.

Berichtspflicht nur noch für große Konzerne

Vom CO2-Grenzausgleich CBAM werden jetzt 90 Prozent der europäischen Unternehmen ausgenommen. Trotzdem würden immer noch 99 Prozent der schädlichen Treibhausgas-Emissionen erfasst, sagte Klimakommissar Wopke Hoekstra. Man wolle die Meldepflichten vereinfachen, der Kern der politischen Ziele werde jedoch nicht berührt.

Von den Berichtspflichten für Unternehmen (CSRD) sollen nur noch große Konzerne betroffen sein, kleine und mittlere Unternehmen werden ausgenommen. Die verbleibenden Betriebe – nur noch 20 Prozent der ursprünglich angepeilten Zahl – sollen zudem erst zwei Jahre später als vorgesehen die Berichte liefern müssen.

Weitere Details dürften erst nach und nach bekannt werden, da die Kommission ihre Vorschläge am Mittwoch erst in allerletzter Minute vorgelegt hat. Die sonst üblichen Konsultationen mit den „Stakeholdern“ wurden ebenso gestrichen wie eine Folgeabschätzung. Auch das Europaparlament, das den nun revidierten Gesetzen zugestimmt hatte, wurde übergangen.

Die EU-Behörde versuchte, ihr Vorgehen gegen Kritik zu verteidigen. „Europa kann sich reformieren, und zwar ohne Kettensäge“, sagte Industriekommissar Stéphane Séjourné. Dabei spielte er auf Argentiniens rechtsradikalen Präsidenten Javier Milei an, der sein Land mit der „Kettensäge“ und sozialem Kahlschlag umbauen will.

Entbürokratisierung und Vereinfachung

„Noch haben wir die Chance, die Industrie erfolgreich zu modernisieren“, betonte Klimakommissarin Teresa Ribera. Sie will eine Milliarde Euro aus dem laufenden EU-Haushalt für „saubere“ Technologien bereitstellen. Außerdem sollen europäische Unternehmen künftig den Vorzug in öffentlichen Ausschreibungen erhalten.

Ob das reichen wird, um den Rückstand gegenüber den USA und China aufzuholen, ist allerdings fraglich. Brüssel orientiert sich zwar an einem Bericht des früheren Zentralbankchefs Mario Draghi, der Entbürokratisierung und Vereinfachung empfohlen hatte. Draghi hat jedoch auch einen „Marshall-Plan“ für Investitionen gefordert.

Hier bleibe die EU-Kommission eine Antwort schuldig, kritisieren Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften unisono. Die angekündigten 100 Milliarden Euro reichten nicht aus. Draghi hatte zusätzliche jährliche Investitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro gefordert.

Ansonsten gehen die Meinungen aber weit auseinander. Während Umweltverbände von einem „Angriff auf den Green Deal“ reden, spricht der Industrieverband „Business Europe“ dagegen von einem „Meilenstein“, der Europa wieder attraktiver für Unternehmen machen könne.