EU-KommissionBrüssel gründet neue Gesundheitsbehörde HERA

EU-Kommission / Brüssel gründet neue Gesundheitsbehörde HERA
Der Vize-Präsident der EU-Kommission Margaritis Schinas wollte bei der Präsentation von HERA gestern klarstellen, dass die EU in Sachen Impfungen führend sei und besser dastehe als andere große Länder in der Welt Foto: AFP/François Walschaerts

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Die EU-Kommission greift nach mehr Macht in der Gesundheitspolitik. Nachdem die Brüsseler Behörde 2020 den Start der Coronakrise verschlafen hatte, will sie nun mit einer neuen Einrichtung namens HERA gegensteuern.

Die „Health Emergency preparedness and Response Authority“ soll Pandemien und andere Gesundheitsgefahren frühzeitig erkennen und für die flächendeckende Versorgung mit Masken, Schutzkleidung und Medikamenten sorgen. Sie soll Anfang 2022 voll arbeitsfähig sein. Als Vorbild gilt die amerikanische BARDA, die auf Bioterrorismus und andere medizinische Bedrohungen spezialisiert ist. HERA werde über ähnliche Finanzmittel verfügen und eng mit der Industrie zusammenarbeiten, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Künftig werde man keine Krisenstäbe mehr einrichten und bei der Industrie um Hilfe betteln müssen, wenn eine Pandemie droht. Breton hatte 2020 den Krisenstab geleitet.

Allerdings stehen Struktur und Finanzierung auf wackligen Füßen. Die neue Behörde mit dem göttlichen Namen soll in der EU-Kommission angesiedelt werden und keine eigenständige Agentur werden. Damit verschafft sich die Kommission unter Leitung der studierten Medizinerin Ursula von der Leyen neue Kompetenzen, die ihr laut EU-Vertrag gar nicht zustehen – die Gesundheitspolitik ist Ländersache. Zudem wäre das Europaparlament außen vor.

Nach Angaben von Kommissionsvize Margaritas Schinas soll HERA bis 2027 über bis zu 50 Milliarden Euro verfügen. Sie wäre damit eine der am besten finanzierten EU-Behörden. Allerdings beträgt das Jahresbudget nur eine Milliarde Euro. Dazu sollen noch 24 Milliarden Euro aus „verwandten“ EU-Programmen abgezweigt werden. Außerdem rechnet Schinas noch großzügig nationale Gesundheits-Programme mit, die er mit 20 Milliarden Euro veranschlagt.

Gesundheitsnotstand ausrufen

Trotz dieser wackligen Konstruktion soll HERA das Recht erhalten, den Gesundheitsnotstand auszurufen und Geld aus dem EU-Budget anzuzapfen. Bis 2022 werde die Behörde „mindestens drei Gesundheitsgefahren mit potenziell weitreichenden Folgen ermitteln“, so die EU-Kommission. Dabei soll sie eng mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und die industriellen Kapazitäten stärken. Von Unabhängigkeit und Transparenz ist keine Rede.

Gestützt wird der Vorstoß von den Konservativen im Europaparlament. Sie sehen HERA als Baustein für eine neue „Gesundheitsunion“, die den Fehlstart in die Coronakrise und das Impfdebakel vergessen machen sollen. „So eine Institution brauchen wir dringend, damit wir in der nächsten Krise schneller und besser reagieren können“, erklärte der EVP-Europaabgeordnete und Gesundheitsexperte Peter Liese.

Kritik kommt dagegen von der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament. Die EU-Kommission beteilige die Industrie stärker als die Bürger, moniert der Europaabgeordnete Tiemo Wölken. Damit wiederhole sie „den Fehler, den sie bereits bei der gemeinsamen Impfstoffbeschaffung gemacht hat: Sie beteiligt das Europäische Parlament nicht“. Eine effektive Kontrolle der EU-Kommission und der Arbeit der neuen Dienststelle sei so nicht möglich.

zzz
17. September 2021 - 14.39

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