Dienstag23. Dezember 2025

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Im KinoBlinde Ambition: „Joika“ erzählt die Geschichte der ersten Amerikanerin im Bolschoi

Im Kino / Blinde Ambition: „Joika“ erzählt die Geschichte der ersten Amerikanerin im Bolschoi
Diane Kruger (l.) und Talia Ryder in „Joika“ Foto: Robert Palka

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Talia Ryder spielt in „Joika“ die Balletttänzerin Joy Womack, die als erste Amerikanerin in das russische Bolschoi-Theater zugelassen wurde. Die Filmbiografie verwendet das Aufsteiger-Narrativ mit den Elementen des psychologischen Thrillers, um eine konventionelle Geschichte über Ehrgeiz, Konkurrenzkampf und innere Dämonen zu erzählen.

„Perfektion im Ballett ist nie erreichbar – aber darin liegt seine Schönheit“, das soll die US-amerikanische Tänzerin Joy Womack einmal gesagt haben, die erste Amerikanerin, die in das renommierte russische Bolschoi-Theater zugelassen wurde, ein historisch sehr geschlossenes, russisch geprägtes Ensemble, in dem Ausländer und Ausländerinnen – vor allem aus dem Westen – nur äußerst selten langfristige Verträge erhalten, besonders nicht in führenden Rollen. Von diesem außergewöhnlichen Werdegang erzählt die neue Filmbiografie „Joika“ von James Napier. Im Mittelpunkt steht Joy, gespielt vom Talia Ryder, eine junge, vom Ehrgeiz angetriebene Tänzerin, für die im Leben nichts wichtiger ist, als im berühmten Bolschoi-Ballett in Moskau aufgenommen zu werden. Als Teenager zieht sie 2009 allein nach Russland, um an einer der renommiertesten Ballettschulen der Welt zu studieren. Diane Kruger spielt ihre Lehrerin Tatiyana Volkova, die das Talent der jungen Frau zwar erkennt, aber ihre Nationalität wird ihr zum Problem.

Das Streben nach der absoluten Kunst

Napiers Film beginnt zunächst als die konventionelle Geschichte von der verletzlichen, aber überaus zielstrebigen Studentin, die auf die strenge Mentorin trifft, deren hohe Ansprüche auch Ausdruck der eigenen verfehlten Karriereträume und Desillusionen sind. Tatsächlich wollte die Schauspielerin Diane Kruger ursprünglich Balletttänzerin werden – und sie hat schon früh jahrelang intensiv dafür trainiert – bevor eine Verletzung die Karriere vorzeitig beendete. Diane Kruger spielt die Figur der Tatiyana mit steinharten Blicken und ganz streng fixierter Körperhaltung; sie strapaziert die Tanzklasse und offenbart damit das Bild einer ganz ambivalenten Frau, deren Drang zur Perfektion bewundernswert und fragwürdig zugleich ist und in der sich Joy immer mehr gespiegelt sieht. Joy, die von ihren russischen Kolleginnen und Kollegen nur Joika genannt wird, verliert sich zusehends in ihrer Zielstrebigkeit, sodass die Grenzen zwischen Ambition und Obsession immer mehr verschwimmen – Damien Chazelles „Whiplash“ (2014) oder noch Darren Aronofskys „Black Swan“ (2010) sind populäre Beispiele aus den letzten Jahren, die diesen schmalen Grat aus Leistungsdruck und Realitätsverlust schilderten. An deren Konzentration kann „Joika“ aber nur schwerlich anknüpfen. Gerade Aronofskys Film fokussierte über Tschaikowskis „Schwanensee“ die dunklen Seiten des Balletts.

Das Streben nach der absoluten Kunst muss denn auch in „Joika“ zur inneren Einsamkeit führen. Das ist wohl als kritischer Kommentar auf eine Leistungsgesellschaft zu verstehen, die sich durch den vollkommenen Perfektionsdrang selbst isoliert und dennoch an den kulturellen Differenzen scheitern muss. Es ist die konventionelle Geschichte, dessen Spannungsverhältnis, wenig überraschend, aus dem unbedingten Siegerwillen und den wohlbehüteten Verhältnissen des gutbürgerlichen Elternhauses gestiftet wird. Auch der Regisseur Napier nutzt die Aufsteigergeschichte über Ehrgeiz, Konkurrenzkampf und innere Dämonen, um die Schattenseiten dieser Kunstform zu beleuchten und setzt dafür auf eine formale Strenge, die das Publikum bewusst auf Distanz halten soll.

Je mehr die junge Tänzerin aufsteigt, desto mehr offenbart sich das Porträt einer Frau, die ein Leben von Selbstansprüchen führt, die auch Selbsttäuschungen sind. In all diesen aufgezwungenen Strapazen, dem Fordern nach Perfektion steckt mithin der eigene Selbstzweifel, die Angst zu versagen. Da wird ein Konkurrenzdenken freigesetzt, das in das Ausstechen der Gegnerinnen mündet, in das Umwandeln der Liebe in ein Zweckbündnis, in die Bereitschaft zu sexuellen Gefälligkeiten – alles zum Zwecke der eigenen Karriere.