26. November 2025 - 6.42 Uhr
SpanienBischof wegen sexuellen Missbrauchs abgesetzt
Die Aussage des Mannes steht im Zentrum eines Missbrauchsskandals, der die katholische Kirche Spaniens und auch den Vatikan erschüttert – und nun erstmals in der Geschichte des Landes zur Absetzung eines amtierenden Bischofs wegen Missbrauchsvorwürfen geführt hat.
Der Vatikan teilte knapp mit, Papst Leo XIV. habe eine Rücktrittserklärung des 76-jährigen Bischofs Rafael Zornoza angenommen. Nach offizieller Lesart handelt es sich also um einen Amtsverzicht. Doch in Kirchenkreisen wird der Schritt als Absetzung gewertet.
Die Entscheidung erfolgte wenige Tage, nachdem öffentlich bekannt wurde, dass im Vatikan schon seit Längerem eine kirchenrechtliche Untersuchung gegen Zornoza läuft – wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs in den 1990er-Jahren, als Zornoza Priester in Getafe bei Madrid war. Zudem soll er als Bischof Missbrauchsfälle durch andere Geistliche gedeckt haben.
In der Anzeige, die das mutmaßliche Opfer in diesem Sommer an die zuständige Vatikanbehörde sandte, ist von jahrelangen Übergriffen die Rede. Der Missbrauch habe begonnen, als er 14 Jahre alt gewesen sei. Zunächst seien die Übergriffe in der Kirchengemeinde und in Ferienlagern geschehen. Später, als der junge Mann ins Priesterseminar – eine Ausbildungsstätte für angehende Geistliche – eintrat, sei Zornoza regelmäßig in seinem Zimmer erschienen.
Zusätzlich habe Zornoza – so steht es in der schriftlichen Anzeige – Beichtgespräche benutzt, um Schuldgefühle zu verstärken. Der Missbrauch im Zusammenhang mit der Beichte gilt im Kirchenrecht als besonders schweres Vergehen. Brisant ist die Frage, warum Zornoza trotz der bereits seit Monaten laufenden Untersuchung bis zuletzt im Amt blieb und weiterhin Kontakte zu Minderjährigen haben durfte.
Immer neue Fälle sexualisierter Gewalt
Die Kirchenoberen reagierten nur zögerlich: Die spanische Bischofskonferenz sprach sich zunächst für die „Unschuldsvermutung“ aus und vermied eine klare Stellungnahme. Der Vatikan verwies auf die im Gange befindliche Prüfung des Falles und erklärte, man müsse „die Ermittlungen abwarten“. Erst als der öffentliche Druck immer größer wurde, griff Papst Leo XIV. durch und zwang den Bischof zum Rücktritt.
Der Fall erschüttert die Kirche in Spanien zu einem Zeitpunkt, an dem sie ohnehin in der Kritik steht. Seit Jahren decken spanische Medien immer neue Fälle sexualisierter Gewalt im kirchlichen Umfeld auf. Die große nationale Zeitung El País führt die bislang umfassendste unabhängige Datenbank und nennt mehr als 1.500 mutmaßliche Täter sowie rund 3.000 identifizierte Opfer.
Die offiziellen Zahlen der Kirche bleiben dagegen vage. Noch 2019 erklärte der damalige Sprecher der Bischofskonferenz, es gebe „keine oder kaum Fälle“. Erst als das spanische Parlament eine offizielle Untersuchung einleitete, musste die Kirche ihre Abwehrhaltung aufgeben und begann, sich mit den Missbrauchsfällen ernsthafter zu befassen.
Ein Bericht des vom Parlament eingesetzten Bürgerbeauftragten zeigte 2023 erstmals das mögliche Ausmaß der Missbrauchsfälle: In einer repräsentativen Befragung des Ombudsmannes gaben 1,13 Prozent der Spanierinnen und Spanier an, in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt im Umfeld der katholischen Kirche erlebt zu haben. Weil die Kirche bis heute keine verlässliche Gesamtstatistik vorlegt, musste der Bürgerbeauftragte auf diese landesweite Umfragestudie zurückgreifen.
Gewaltige Zahl ungelöster Fälle
Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung ergibt sich daraus eine Zahl von mehreren Hunderttausend mutmaßlich Betroffenen. Die Bischofskonferenz beauftragte daraufhin selbst eine externe Untersuchung, veröffentlichte deren Ergebnisse jedoch später nur teilweise. Danach sind 1.383 Missbrauchsfälle mit 2.056 Opfern festgestellt worden – doch dies sei nur die Spitze des Eisbergs, hieß es.
Der Fall Zornoza zeigt, wie schwer sich die katholische Kirche Spaniens weiterhin tut, Missbrauch konsequent aufzuklären. Zögerliches Handeln, fehlende Transparenz und widersprüchliche Signale prägen das Bild. Dass nun erstmals ein Bischof wegen Missbrauchsvorwürfen aus dem Amt entfernt wurde, ist ein Einschnitt – doch viele Betroffene bezweifeln, dass er mehr ist als ein symbolischer Schritt.
Ob die Kirche in Spanien tatsächlich einen neuen Weg der Aufarbeitung einschlägt, bleibt offen. Fest steht nur: Der Druck wächst, und die Zahl der ungelösten Fälle ist gewaltig.
De Maart
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