ReportageBis zum nächsten Mal: Die letzten Tage einer Reise durch Südostasien

Reportage / Bis zum nächsten Mal: Die letzten Tage einer Reise durch Südostasien
Laila und Anne vor der Skyline von Doha Fotos: Laila Bintner

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Es endet, wo es begonnen hat: in Hanoi. Als ich das erste Mal in der Stadt war, stand meine Reise durch Südostasien noch bevor. Vier Monate später verbringe ich meine letzten Tage in Asien hier. Zusammen mit einer Freundin aus Luxemburg werde ich von Hanoi aus über Katar nach Frankfurt fliegen. Eindrücke vom Ende einer Reise.

In den letzten Monaten hat Hanoi sich unzählige Male auf- und wieder abgebaut. Straßen wurden von Tausenden Menschen beschritten und haben sich erst tief in der Nacht geleert. Millionen Motorräder sind losgefahren und haben sich geparkt. Händler haben morgens Waren vor ihrem Geschäft ausgelegt und nachts eingepackt. Die Restaurants haben geöffnet und geschlossen. Wenn ich jetzt durch die Straßen gehe, merke ich nichts davon. Für mich sieht die Stadt noch genau so aus wie vor Monaten, als ich meine Reise durch Südostasien hier begonnen habe. Seitdem bin ich durch ganz Vietnam gereist, dann durch Kambodscha, Laos, Thailand, Malaysia und Indonesien. Die meiste Zeit war ich alleine unterwegs, aber seit einem Monat begleitet mich Anne, eine Freundin aus Luxemburg. Von Bali aus sind wir nach Hanoi geflogen und verbringen jetzt unsere letzten Tage in Asien hier.

Ich hatte eine fast schon romantische Vorstellung von der Rückkehr nach Hanoi: Es ist ein Kreis, der sich schließt, Anfang und Ende, die sich die Hand geben. Ich würde in die Cafés gehen, in denen ich bereits vor einigen Monaten saß, als ich mich noch gefragt habe, was alles vor mir liegt. Jetzt ist die Geschichte geschrieben. Ich sollte die Stadt nun mit anderen Augen sehen und reflektieren können, was ich in den letzten Monaten gelernt habe.

Ein Kreis, der sich schließt

Ich beobachte das Treiben der Stadt von der dritten Etage eines Cafés aus. Ich fühle mich nicht besonders inspiriert. Mir fallen keine großen Worte ein, mit denen ich meine letzten Monate auf den Punkt bringen könnte. Überall sehe ich mich an den Anfang meiner Reise erinnert. Die Realität, dass ich bald zurückfliegen werde, fällt auf mich wie eine Mauer. Dabei weiß ich eigentlich, dass es Zeit für mich ist, nach Europa zurückzukehren. Die Energie fehlt mir, um immer wieder weiterzuziehen und neu anzufangen. Ich will mir wieder etwas aufbauen können: An einem Ort wohnen, ein halbwegs geregeltes Leben führen und einen festen Freundeskreis haben. Ich habe es satt, mein Leben alle paar Tage wieder in einen Rucksack zu packen.

Trotzdem erfüllt der Gedanke an meine Rückkehr mich mit einem gewissen Unbehagen. Ich habe das Gefühl, aus dem Fluss der Zeit ausgestiegen zu sein. Seit Monaten ist es jeden Tag ähnlich heiß und die Sonne geht immer gegen 18 Uhr unter. Als ich Luxemburg verlassen habe, war die Landschaft noch weiß vor Kälte. Wenn ich zurückkomme, wird der Sommer bereits am Abflauen sein. Ich habe nicht gesehen, wie die Bäume aufblühen und werde verwirrt auf die Blätter starren, die bereits anfangen werden, sich orangerot zu färben. Zudem habe ich mich daran gewöhnt, in diesem Teil der Welt zu sein. Kambodscha, Taiwan, Japan und China sind nur einen Kurzstreckenflug für 50 Euro entfernt. Wenn ich anderen Reisenden begegne, erzählen sie mir davon, wie sie vor einer Woche noch auf den Philippinen getaucht sind und in wenigen Tagen einen Vulkan in Indonesien besteigen werden. Europa jedoch liegt gefühlt hinter einer Nebelwand. Alles, was dort passiert ist, kommt mir gerade ein wenig fremd vor.

Unsere letzte Nacht ist angebrochen und die Hanoier Altstadt ist so voll wie immer. Hier passiert vieles gleichzeitig: Unzählige Menschen drängeln sich aneinander vorbei, während andere auf bunten Plastikstühlen zu Abend essen. Ein Mann verkauft Luftballons in Blumenform, während ein Restaurantbesitzer versucht, uns eine Menükarte in die Hand zu drücken. Bald werden wir abreisen, und das Leben in Hanoi wird weitergehen. Ich bin etwas traurig, die Stadt zu verlassen, denn mittlerweile mag ich sie sehr. Vor vier Monaten war ich noch desorientiert und empfand sie als überfordernd. Die Straßen, die mir damals fremd erschienen, kommen mir heute vertraut vor. Hanoi ist jetzt eine Stadt, die ich kenne.

„Was machen wir, wenn wir unseren Flug nach Deutschland verpassen?“, fragte Anne noch vor wenigen Tagen am Flughafen in Indonesien. Wir saßen etwas abseits von dem Schalter, bei dem wir uns für unseren Flug einchecken sollten, und versuchten verzweifelt, ein Notfall-Visum zu erhalten. „Ihr dürft nicht mitfliegen“, hatte uns die Mitarbeiterin der Airline, die uns von Bali nach Hanoi bringen sollte, deutlich gemacht. Für Vietnam brauchen luxemburgische Staatsbürger ein digitales Visum – aber das von Anne war durch einen kleinen Fehler ungültig und meins habe ich nie erhalten. Über eine ominöse Whatsapp-Nummer bekamen wir in letzter Sekunde noch ein provisorisches Visum und schafften es knapp auf unseren Flug nach Hanoi. Umso erleichterter sind wir, als wir im Flughafen in Hanoi sitzen und auf unseren Flug nach Katar warten. Zum Abschluss essen wir noch eine überteuerte vietnamesische Nudelsuppe und versuchen erfolglos, letzte Souvenirs zu besorgen.

„Nächstes Mal planen wir unsere Reise aber wirklich besser“, meint Anne, als wir auf Bänken in einem Flughafenrestaurant in Doha liegen. Ich weiß nicht, wie viel Uhr es ist, weil wir gefühlt zwischen Zeitzonen stecken. Wir sind gerade auf unserem zwölfstündigen Layover in Katar, denn das war eben die günstigste Option. Wir haben schon eine kurze Rundfahrt durch Doha gemacht, sind leicht verloren bei 40 Grad Außentemperatur herumgelaufen und haben in einem iranischen Restaurant gegessen. Jetzt hat aber uns auch der letzte Rest Energie verlassen. Ich fühle mich schwer wie Blei vor Müdigkeit und mache mir eine mentale Notiz, nächstes Mal vor einer 30-stündigen Reise mehr als fünf Stunden zu schlafen. Morgen werde ich sie vermutlich schon wieder vergessen haben.

Die deutsche Landschaft kippt vor dem Flugzeugfenster. Ich schaue auf die Felder, die von hier oben wie geometrische Formen aussehen. „Bitte schnallen Sie sich an“, wird durch die Lautsprecher wiederholt. Das Flugzeug ist dabei, zum Landen anzusetzen. Ich wünsche mir für einen Moment, dass es für immer in einer Schwebe über dem Boden bleiben wird, damit ich keinen Gedanken je weiterspinnen muss. Nachdem wir durch einige Wolken geflogen sind, sehe ich auf die Häuser Frankfurts, die im Morgennebel liegen. Es kommt mir so vor, als würde ich nur träumen.