Sonntag9. November 2025

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TiereBetreuung mit System: So reguliert die Stadt Esch ihre Taubenpopulation

Tiere / Betreuung mit System: So reguliert die Stadt Esch ihre Taubenpopulation
Eine Taube auf dem Escher Galgenberg Foto: Editpress-Archiv/Pierre Matgé

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Die Stadt Esch betreut ihre Tauben mit System: Statt Vertreibung setzt sie auf kontrollierte Umsiedlung.

Sie sind aus keinem Stadtbild wegzudenken, und doch betrachten viele Menschen sie als „Ratten der Lüfte“: Tauben. Überall auf der Welt tummeln sich die Vögel in Fußgängerzonen, Innenstädten oder an Bahnhöfen – so auch in Esch. Das Tageblatt hat sich erkundigt, wie die Stadt mit ihrer Taubenpopulation umgeht. Und ob der schlechte Ruf der Tiere wirklich berechtigt ist.

Jeannot Behm vom „Sercive écologique“ in Esch
Jeannot Behm vom „Sercive écologique“ in Esch Foto: Editpress/Julien Garroy

Die Stadt Esch arbeitet bei der Pflege und Regulierung ihrer Tauben mit der Organisation „Staddauwen Lëtzebuerg“ zusammen, erklärt Jeannot Behm vom „Service écologique“ im Gespräch mit dem Tageblatt. Man wisse zwar, wo die Populationen sich aufhalten, über eine genaue Zahl der Tiere verfüge die Gemeinde jedoch nicht. Derzeit gebe es drei Taubenschläge und dem „Service écologique“ stünden insgesamt rund 11.000 Euro pro Jahr für diese zur Verfügung: 4.000 Euro für Futter und 7.000 Euro für den Unterhalt.


Kim Meyer, Staddauwen Lëtzebuerg
Kim Meyer, Staddauwen Lëtzebuerg Foto: Editpress/Alain Rischard

Wo kommen die ganzen Tauben her?

„Dass wir so viele Tauben haben, ist auf den Menschen zurückzuführen“, sagt Taubenexperte Kim Meyer*. Zucht und Brutzwang führten dazu, dass die Haustaube heute sieben bis acht Gelege im Jahr haben.

Darüber hinaus sei die hohe Anzahl an Tauben in den Städten auch eine Folge der beiden Weltkriege. Damals seien die Tiere schnelle Boten für Nachrichten gewesen. „Besonders im Zweiten Weltkrieg hat das Militär in deutschen Städten viele Taubenschläge zerstört“, sagt Meyer. Dadurch seien auf einmal tausende Tiere frei gewesen – und die vielen zerstörten Gebäude ideale Nistplätze. Denn: Die heutigen Haus- und Brieftauben stammen laut dem Experten von der Felsentaube ab. Deren Heimat seien Küstengebiete, wo sie auf Felsen und in Nischen brüten – ein Instinkt, der auch den heutigen Tauben erhalten geblieben ist. 

*Kim Meyer leitet die Organisation „Staddauwen Lëtzebuerg“, die sich um die Rettung kranker und verletzter Stadttauben kümmert. 


Der Taubenturm auf dem Escher Galgenberg
Der Taubenturm auf dem Escher Galgenberg Foto: Editpress-Archiv/Pierre Matgé

Die Zusammenarbeit mit „Staddauwen“ hat laut dem Betreiber der Organisation, Kim Meyer, mit einem Versuchsprojekt im Parkhaus des Escher Krankenhauses CHEM angefangen. Danach habe er der Gemeinde vorgeschlagen, zusätzlich zum bereits vorhandenen Taubenturm auf dem Galgenberg einen richtigen Taubenschlag zu bauen. Gemeinsam mit dem „Service écologique“ sei dann das aktuelle Projekt entstanden – sogar mit eigener Quarantänestation. Denn: Der Testtaubenschlag aus dem CHEM-Parkhaus wurde für diesen Zweck neben die neue Vogelbehausung in der Gewerbezone Sommet gestellt.

Müssen irgendwo Tauben eingefangen werden, können diese dorthin umgesiedelt werden. Zuerst verbringen sie laut Meyer zwischen zwei und fünf Monaten eingesperrt im Quarantäne-Taubenschlag. Erst wenn sie sich eingenistet haben und wohlfühlen, werde die Behausung wieder geöffnet. Die Maßnahme sei aufgrund der Standorttreue dieser Vögel notwendig: „Fängt man sie nur ein und bringt sie in den Taubenschlag, fliegen sie innerhalb von ein paar Minuten wieder zurück.“ Nach und nach werde nur noch Futter im großen Taubenschlag angeboten, bis die Tiere die Quarantäne-Heimat aufgeben und sich dort niederlassen. „So gelingt uns eine tierfreundliche Umsiedlung.“

Die bestehenden Maßnahmen funktionieren dem Experten zufolge gut, sind jedoch unzureichend: „Esch ist eine große Stadt und es bräuchte mehr Taubenschläge.“

Kontrolle ist das A und O

Damit die Vögel langfristig in ihrem neuen Zuhause bleiben, ist es wichtig, sich regelmäßig um sie zu kümmern. Ehrenamtliche Mitglieder von „Staddauwen“ begeben sich mindestens jeden zweiten Tag in den Escher Taubenschlag. „Wir bieten den Tauben jeweils kleine Futterquantitäten an, nur so viel, dass sie satt werden“, sagt der Experte – damit sie lernen, dort zu bleiben, wenn sie das Futter nicht verpassen wollen. Außerdem könne er bei regelmäßiger Kontrolle bei Krankheiten sofort eingreifen. Ist ein Taubenschlag nämlich krank, könne dies zu einem Abwandern der Tauben führen. Nach Angaben von Jeannot Behm kehren 90 Prozent der im Escher Taubenschlag lebenden Tiere dorthin zurück.

 Foto: Editpress/Alain Rischard

Um das Wachstum der Population unter Kontrolle zu behalten, setzt Meyer auf das Ersetzen ihrer Eier durch solche aus Plastik: „Die Taube erkennt das nicht, brütet und gibt irgendwann ihr Nest auf.“ Zweimal wöchentlich werden dafür die Nester kontrolliert. „Tauben können ein Ei legen und 24 Stunden danach ein weiteres – wenn ich jedoch zwei Wochen mit der Kontrolle warte, dann habe ich zwei Eier, in denen sich bereits Leben befindet.“ Eine solche Regulation ist Behm zufolge wichtig, denn „reguliert man nicht, explodiert die Population“.

Entfernt man jedoch ständig die Eier, nimmt man den Tieren laut dem Taubenexperten auch den Bruterfolg. „Dann fühlen sie sich nicht mehr sicher und ziehen weg.“ Aus diesem Grund erlaube er ihnen trotzdem ab und zu eine Brut. Darüber hinaus animiere das Piepsen der Küken andere Tauben, sich im Taubenschlag niederzulassen.

Kein Gesundheitsrisiko bei normalem Kontakt

Dass Tauben schmutzig und gefährlich sein sollen, beschreibt Meyer als „Panikmache von Firmen, die mit Produkten zur Abwehr von Tauben Geld verdienen“. Tauben würden zwar Krankheitserreger in sich tragen, unter normalen Umständen bestehe jedoch kaum ein Risiko für Menschen. Auch Hunde und Katzen könnten manche Krankheiten auf den Menschen übertragen, seien jedoch deutlich besser angesehen.

Diese Exemplare kümmert das angebrachte Taubennetz nur wenig
Diese Exemplare kümmert das angebrachte Taubennetz nur wenig Foto: Editpress/Julien Garroy

Die Krankheiten, von denen Tauben typischerweise befallen sein können, seien für den Menschen für gewöhnlich nicht gefährlich. „Solange ich mir nach dem Anfassen einer Taube die Hände wasche, ist alles in Ordnung“, sagt Meyer. „Ich fasse ja auch nicht mit der Hand ins Katzenklo und stecke sie mir danach in den Mund.“

Bitte nicht füttern!

Tauben werden jedoch nicht nur mit Krankheitserregern in Verbindung gebracht, sondern auch mit Lärm und Dreck. Beschwerden über die Tiere gibt es in Esch laut dem „Service écologique“ etwa zwei bis drei pro Jahr. „2024 waren es zwei, in diesem Jahr sind es bisher auch zwei“, sagt Behm. Meistens gehe es dabei um von Tauben verursachten Dreck. „Es kommt vor, dass Leute sich melden, bei denen massenhaft Tauben sind.“ Dies liege oft daran, dass sie die Tiere füttern. Dabei sei es wichtig, genau das nicht zu tun. Denn: „Füttern lockt sie weg vom Taubenschlag.“ Eine Geldstrafe für das Füttern gibt es Behm zufolge jedoch aktuell nicht: „Es stand zur Diskussion im Rahmen der Kompetenzerweiterungen der ‚Pecherten‘.“ Derzeit spreche man jedoch lediglich mit den Betroffenen.

Am Bahnhof in Belval ist das Füttern von Tauben verboten
Am Bahnhof in Belval ist das Füttern von Tauben verboten Foto: Editpress/Julien Garroy