Donnerstag11. Dezember 2025

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EditorialBestimmungen gegen sexualisierte Gewalt dürfen keine Mogelpackung sein

Editorial / Bestimmungen gegen sexualisierte Gewalt dürfen keine Mogelpackung sein
Yuriko Backes (DP), u.a. Ministerin für Gleichstellung und Diversität, bei ihrem Arbeitsbesuch in Spanien Foto: SatCen

Quengelnden Kindern versprechen Erwachsene zur Beruhigung eine Tüte Bonbons, Aktivist*innen gegen sexualisierte Gewalt versucht die Politik mit Konventionen und Richtlinien zu besänftigen. Die Leckermäulchen können sich bei artigem Verhalten meist schnell Karies anfuttern. Frauen- und Menschenrechtler*innen beißen sich an der Umsetzung der Verträge hingegen oft die Zähne aus.

Darüber ärgert sich die Gynäkologin und Aktivistin Monika Hauser im Interview mit dem Tageblatt: Sie gründete Anfang der Neunziger die feministische Organisation „medica mondiale“, die sich gegen sexualisierte Gewalt einsetzt. Hauser verweist in dem Gespräch auf die bekannte Istanbul-Konvention, die Luxemburg 2018 ratifiziert hat, aber auch auf die „zero tolerance policy“ der Vereinten Nationen oder auf EU-Richtlinien zum Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen. Selbst innenpolitisch würden Länder wie Deutschland mit starken Gesetzgebungen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt aufwarten. Nur würde nichts davon stringent angewandt.

In Luxemburg ist das anders? Nicht wirklich. Es reicht der Austausch mit hiesigen Sozialarbeiter*innen, Aktivist*innen und Betroffenen, um von vergleichbaren Missständen zu erfahren. Wer diese direkte Konfrontation scheut: Die Organisation „La voix des survivant(e)s“ publiziert auf ihrer Website Erfahrungsberichte – die Lektüre schockiert. In Luxemburg machen regelmäßig Horrorgeschichten die Runde, nach denen Überlebende sexualisierter Gewalt unsäglich von den Autoritäten behandelt werden – trotz zahlreicher politischer Initiativen gegen Missbrauch und für die adäquate Betreuung der Betroffenen.

Aussagekräftig ist in dem Kontext auch ein Justiz-Debakel von 2021. Damals meldete eine Frau ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung Missbrauch durch ihren Arbeitgeber bei der Polizei. Statt ihr u.a. gemäß der EU-Richtlinie „Employers Sanctions Directive“ Schutz zu gewähren, drohte man ihr zunächst mit der Rückführung. „First things first.“ Erst auf Druck nationaler Frauenrechtsorganisationen lenkten die Behörden ein. Es folgte ein peinliches Tischtennis-Match der zuständigen Ministerien, bei dem diese sich nicht den Ball zuspielten, sondern die Verantwortung für die Vorfälle zuschoben.

Nun ist das ein Fall, der an die Öffentlichkeit geriet, weil die Frau sich Unterstützung holte. Was ist mit all jenen, die auf sich allein gestellt sind? Ihnen helfen Konventionen, Direktiven und Gesetze mit wichtig klingenden Titeln nicht, wenn diese in der Schublade versinken. Die Überlebenden sind darauf angewiesen, dass bestehende Richtlinien ohne Wenn und Aber umgesetzt werden. Dafür braucht es gut ausgebildetes Personal an allen Fronten, wie es auch Hauser fordert, das die Dokumente aus dem Effeff kennt und Verständnis für diverse Traumata mitbringt. Das ist wichtiger, als eifrig und schadenfroh Knöllchen an Falschparker*innen zu verteilen. 

Yuriko Backes (DP), Ministerin für Gleichstellung und Diversität, raschelt jedenfalls schon mit der Bonbon-Packung: Bei einem Arbeitsbesuch in Spanien Ende Oktober erzählte sie Ana Redondo, der dortigen Ministerin für Gleichstellung, von dem geplanten „Centre d’accueil national pour les victimes de violence“ und dem ganzheitlichen „Plan national contre les violences basées sur le genre“. Zwei weitere Aktionen, die nur das Zetern der Aktivist*innen beenden sollen?