Mittwoch5. November 2025

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DeutschlandBerlin zeigt sich offen für deutlich höheres NATO-Ziel bei Verteidigungsausgaben

Deutschland / Berlin zeigt sich offen für deutlich höheres NATO-Ziel bei Verteidigungsausgaben
Der neue deutsche Außenminister Johann Wadephul spricht sich für deutlich höhere Verteidigungsausgaben aus Foto: AFP/Ozan Kose

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Der US-Präsident ruft nach immer höheren Rüstungsinvestitionen und bekommt nun Rückhalt vom deutschen Außenminister Wadephul. Hinter dessen Worten dürfte ein gemeinsames Kalkül mehrerer NATO-Partner stecken. Doch Kritik kommt auch aus der eigenen Koalition.

Deutschland schafft es derzeit gerade so, zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben. Dieses NATO-Ziel blieb lange unerreicht, sehr zum Unmut der USA. Mehrere US-Präsidenten hatten Deutschland und andere europäische NATO-Staaten dazu aufgefordert, ihre Verteidigungsausgaben in die Höhe zu schrauben und mehr Verantwortung in dem Bündnis zu übernehmen. Diese Forderungen gipfelten zuletzt im Aufruf von US-Präsident Donald Trump, dass künftig fünf Prozent aufzubringen seien.

An diesem Donnerstagmorgen überraschte nun der neue deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) mit der Aussage, dass man dies mittragen wolle. US-Präsident Trump halte die fünf Prozent für notwendig, sagte Wadephul am Rande eines informellen Treffens der NATO-Außenminister in der Türkei. „Und wir folgen ihm da.“

Letzte Woche war ein Vorschlag von NATO-Generalsekretär Mark Rutte bekannt geworden, wonach die Mitgliedsstaaten bis spätestens 2032 ihre Militärausgaben auf 3,5 Prozent des BIP und verteidigungsbezogene Ausgaben auf 1,5 Prozent des BIP steigern sollen. Zu letzteren Ausgaben könnten Investitionen in Straßen, Brücken und andere Infrastruktur hineingerechnet werden, die für das Militär relevant sind. Auch Ausgaben für den Zivilschutz oder Geheimdienste wären anrechenbar.

Eklat bei NATO-Gipfel verhindern

Dieser Vorschlag dient der Vorbereitung des NATO-Gipfels Ende Juni. Bei dem Gipfel will das Bündnis insbesondere angesichts der sich stark geänderten Sicherheitslage auf der Welt die Lastenverteilung seiner Mitglieder neu regeln. Bislang ist es so, dass die USA 50 Prozent der militärischen Fähigkeiten beisteuern. Künftig könnte dem Rutte-Vorschlag zufolge der US-Anteil auf 30 Prozent sinken, was mehr Engagement Europas und Kanadas erforderlich machen würde. Das Ziel hinter diesen Vorschlägen: US-Präsident Trump entgegenkommen und einen Eklat beim Gipfel verhindern. Schließlich hatte Trump auch immer mal wieder das US-Engagement in der NATO generell in Zweifel gezogen – was für das Bündnis und seine anderen Mitglieder einer Katastrophe gleichkäme. Insbesondere vor dem Hintergrund der stark gewachsenen Bedrohung durch Russland.

Zu diesem Vorschlag von Rutte befragt, sagte Wadephul, dies sei seines Wissens mit den USA abgestimmt gewesen. Die Außenminister würden darüber in Antalya „natürlich noch einmal beraten“, aber: „Man sollte das Ergebnis sehen. Und das Ergebnis sind in der Tat die fünf Prozent, die Präsident Trump gefordert hat.“ Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass Wadephul sich so nach einem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio äußerte.

In Summen ausgedrückt würden fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Entsprechend dem Rutte-Vorschlag müssten dann künftig statt der heute rund 50 Milliarden Euro für Verteidigung 150 Milliarden Euro ausgegeben werden. Zuzüglich von mehr als 60 Milliarden Euro für verteidigungsrelevante Ausgaben. Zur Einordnung: Die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 466 Milliarden Euro.

Scharfe Kritik von AfD, Grünen und Linken

Der NATO zufolge summierten sich die deutschen Investitionen zuletzt auf knapp 77 Milliarden Dollar (2,1 Prozent am BIP), die zweithöchste Summe im Bündnis. Die USA kamen den Angaben zufolge 2024 auf gut 754 Milliarden Dollar, Großbritannien auf 75 Milliarden. Den höchsten Anteil am BIP leistete mit 4,1 Prozent Polen bei Ausgaben in Höhe von knapp 27 Milliarden Dollar.

In der Bundesregierung verwies man am Donnerstag angesichts der Zahlen auf die Grundgesetzänderungen zugunsten eines Infrastruktur-Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro und auf die Ausnahmen von der Schuldenregel für Verteidigung. Dadurch seien große Investitionen möglich. Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) äußerte sich am Nachmittag jedoch zurückhaltend. Im Koalitionsvertrag sei verabredet, dass man sich an die NATO-Fähigkeitsziele halten werde, betonte der SPD-Chef. Die Entscheidung darüber werde auf dem NATO-Gipfel getroffen. „Und dann wird sich Deutschland an diese Verabredung halten“, sagte Klingbeil.

Während aus der Union Zustimmung für Wadephul kam, fielen die Reaktionen in der SPD-Bundestagsfraktion indes unterschiedlich aus: Der SPD-Außenpolitiker und Parteilinke Ralf Stegner lehnte den Fünf-Prozent-Vorstoß ab, SPD-Verteidigungs- und Haushaltsexperte Andreas Schwarz begrüßte die von Rutte vorgeschlagenen Ziele. Von AfD, Grünen und Linken gab es scharfe Kritik an Wadephuls Äußerungen, Lob wiederum von der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie nannte den Vorstoß „vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit auch folgerichtig“.

Für Pistorius bleibt Wehrpflicht ein Thema

Wehrpflicht Verteidigungsminister Boris Pistorius hat angesichts des Personalmangels der Bundeswehr eine Wehrpflicht weiter im Auge.
Freiwilligkeit Zwar habe man im Koalitionsvertrag vereinbart, zunächst auf einen freiwilligen Wehrdienst zu setzen, so Pistorius. Sollte es jedoch nicht genug Freiwillige geben, werde das Thema wieder aufgerufen.