Dienstag23. Dezember 2025

Demaart De Maart

Olivier Toth im Interview„Belval hat die Rockhal geprägt – und umgekehrt“

Olivier Toth im Interview / „Belval hat die Rockhal geprägt – und umgekehrt“
Olivier Toth ist Jurist und Direktor der Rockhal in Belval  Foto: Editpress/Julien Garroy

Was vor 20 Jahren auf einem ehemaligen Industriegelände begann, ist heute ein zentraler Ort der Musik in Luxemburg. Im Gespräch erklärt Rockhal-Direktor und Jurist Olivier Toth, wie sich Programm, Publikum und Arbeitsweise verändert haben – und was in Zukunft wichtig wird.

Tageblatt: Die Rockhal feierte im September ihren 20. Geburtstag. Wie haben sich Programm und Publikum in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert?

Olivier Toth: Beides ist spektakulär gewachsen. In der Anfangszeit verkauften wir knapp 100.000 Tickets pro Jahr für rund 100 Veranstaltungen. 2025 dürfte ein Rekordjahr werden – mit über 230 Events und geschätzt rund 280.000 Besuchern. Die Zeit ermöglichte es uns, uns zu beweisen und einen festen Platz in den internationalen Touring-Kreisen einzunehmen.

Welche Momente prägten die Geschichte der Rockhal?

In diesem Jahr rückte etwa der Anschlag auf das „Bataclan“ in Paris wieder in den Fokus – zehn Jahre später, aber mit nachhaltigen Folgen für den gesamten Sektor. Auch der Anschlag auf das Konzert von Ariana Grande in Manchester prägte die Branche. Anfang 2019 unterzogen wir uns einem Stresstest, der einen Terroranschlag simulierte. Das war schockierend, nahm einen emotional mit, war aber enorm wichtig für unsere Entwicklung.

Covid hinterließ ebenfalls tiefe Spuren und drohte, den gesamten Sektor zu zerstören. Wir organisierten jedoch früh erste Testkonzerte und entwickelten neue Formate wie die „Pop-Up Sessions“, mit denen wir lokalen Künstlern Sichtbarkeit geben konnten. Später folgten die „Rocklab Sessions“. Seit 2023/24 sind wir wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie.

Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf die Programmgestaltung?

Wir haben unser Programm geschärft und klarere Segmente entwickelt, etwa das „Temple of Metal“ oder die „Hip Hop Snacks“. Ziel war es, besser auf die Erwartungen unseres Publikums einzugehen und unser Profil zu stärken. Ein Rebranding vor zwei Jahren unterstützte diese Strategie.

Welche Auswirkungen hat der Standort Belval auf die Rockhal?

Wer hierherkommt, ist begeistert – einen solchen Standort gibt es kaum anderswo. Die Imagine Dragons spielten mehrfach im großen Saal und waren so angetan von Belval, dass sie 2022 beim „Belval Open Air“ auftraten. In den Anfangsjahren war viel Mut gefragt, doch ich bin überzeugt, dass es keinen besseren Standort für die Rockhal geben könnte. Dass Belval heute so belebt ist, tut dem Haus und dem Gebiet zusätzlich gut.

Für Toth ist es wichtig, dass sowohl Künstler als auch Besucher einen unvergesslichen Moment in der Rockhal erleben 
Für Toth ist es wichtig, dass sowohl Künstler als auch Besucher einen unvergesslichen Moment in der Rockhal erleben  Foto: Editpress/Julien Garroy

Welche Auswirkung hat die Zunahme großer musikalischer Events (LOA, Francofolies etc.) in Esch auf die Rockhal?

Diese Events tragen zur Attraktivität und Sichtbarkeit des Standorts bei. Man beobachtet sich gegenseitig, tritt sich auch mal auf die Füße – das gehört dazu. Insgesamt zeigt es aber, wie außergewöhnlich das musikalische Angebot hier ist.

Die Rockhal organisiert selbst Open-Air-Formate und bot zum Geburtstag u.a. das große Event „Monumental Tour“ sowie das Mini-Festival „Encore“. Welche Bedeutung haben diese?

Sie zeigen, was mit dem Haus und dem Standort möglich ist. Das „Open Air Belval“ organisieren wir, wenn wir glauben, dass Künstler und Ort besonders gut zusammenpassen. 2018 begrüßten wir Sting gemeinsam mit Shaggy, 2022 die Black Eyed Peas, Imagine Dragons und The Killers. Entscheidend ist immer die Frage: Wie schaffen wir einen Mehrwert für die Menschen, denen wir dienen?

„Encore“ brachte großes Publikum und lokale Szene zusammen. Wir wollten größer denken als bisher und realisierten eine Show, die vollständig vom Luxemburger Sektor getragen wurde. Die Künstlerauswahl war nicht leicht – unsere engste Vor-Vor-Vorauswahl umfasste rund 90 Titel.

Welche Auswirkungen hat die Professionalisierung der luxemburgischen Musikszene auf die Zusammenarbeit mit der Rockhal?

Wir haben von Beginn an versucht, den „esprit d’entreprendre“ in die lokale Szene hineinzuimpfen und Grundlagen für ein professionelles Umfeld zu vermitteln. Die Strukturierung des Sektors hat in den vergangenen 20 Jahren große Fortschritte gemacht.

Welche Rolle spielt das Rocklab dabei?

Das Rocklab verbindet die pädagogische und die musikalische Mission der Rockhal. Seit 2006 sind unsere Proberäume zugänglich – die Mischung aus großem und kleinem Saal und dem Rocklab macht einen großen Teil des Erfolgs aus. Formate wie „Sonic Visions“ sind Resultate dieser Zusammenarbeit, sie verknüpfen Konzerte und Weiterbildung: ein Ansatz, den wir weiterhin in unsere Planung integrieren.

Welche Herausforderungen warten in den kommenden 20 Jahren?

Zugänglichkeit ist ein zentrales Thema. Wir planen etwa einen Balkon, wie es ihn im Rockhal Club bereits gibt, auch im großen Saal, und möchten künftig stets eine Auswahl an Sitzplätzen anbieten. Gleichzeitig denken wir kontinuierlich über die Erfahrung von Publikum und Künstlern nach und darüber, wie wir diese verbessern können.

Auch die Umweltverantwortung bleibt eine Herausforderung. Größere Produktionen bedeuten mehr Transport, Energie und Verpflegung. Wir setzen bereits auf LED-Beleuchtung und energieeffiziente Soundtechnik und stimmen uns beim Catering zunehmend besser ab.

Wäre das Leben ein Wunschkonzert, wen würden Sie einladen?

(lacht) Ich versuche, dieser Frage immer auszuweichen, aber das hier ist bereits ein Wunschkonzert. Ich würde alle, die hier schon aufgetreten sind, noch einmal einladen. Das Privileg dabei ist, mit Menschen zu arbeiten, die ihre Arbeit gerne machen. Einen Namen kann ich jedoch nennen: Ich hätte sehr gerne die Ehre gehabt, David Bowie zu veranstalten.