Dienstag21. Oktober 2025

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PolenBei Präsidentschaftswahl steht die Rückkehr nach Europa auf der Kippe

Polen / Bei Präsidentschaftswahl steht die Rückkehr nach Europa auf der Kippe
Der Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski führt in den Meinungsumfragen Foto: AFP/Wojtek Radwanski

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Der Liberale Rafal Trzaskowski und der Rechtsnationalist Karol Nawrocki sind die Favoriten bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag in Polen. Ein Sieg Trzaskowskis würde den Weg frei machen für Reformen der pro-europäischen Regierung von Donald Tusk. Mit Nawrocki indes wäre eine Fortsetzung der Blockadepolitik des scheidenden Staatschefs Andrzej Duda zu erwarten.

„Faschismus ist, wenn es 47 Geschlechter statt Mann und Frau gibt“, schreit Slawomir Mentzen in die Menge. Doch Geschichte interessiert an diesem warmen Nachmittag im Mai im hinterpommerschen 35.000-Einwohner-Städtchen Lebork (dt. Lauenburg) nur, wenn sie „blutrot wie die polnische Flagge“ ist, „rot, wie das Blut der polnischen Helden“. So erklärt es Polens aufstrebender Politstar Mentzen seinen jungen Zuhörern.
Der Rechtsaußenpolitiker wettert gegen Bürokratie, komplizierte und zu hohe Steuern, inkompetente Beamte und den EU-Migrationspakt. „Wir sind gegen Ausländer-Integrationszentren, dafür hat Polen kein Geld“, erklärt der mitreißende Schnellsprecher. Vor allem greift er immer wieder Donald Tusks Präsidentschaftskandidaten Rafal Trzaskowski an, den die Umstehenden spöttisch den „LGBT-Rafal“ nennen.

Mentzen weiß eins: Das Hickhack zwischen der alten Regierungspartei PiS, die ihre Abwahl vom Herbst 2023 noch immer nicht verkraftet hat, und der von Donald Tusk angeführten links-liberalen Reformregierung hat wochenlang in Polen den Wahlkampf um das wichtige Präsidentenamt beherrscht. Der national-konservative Karol Nawrocki (PiS) und der liberale Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski von Tusks Bürgerplattform (PO) rissen dabei Wahldebatten in ihren beiden nur von ihren jeweiligen Anhängern verfolgten TV-Netzwerken an – und vermieden möglichst die direkte Konfrontation.

Das Ziel der beiden Wahlstäbe war eine Fokussierung auf den 20 Jahre alten Bruderzwist zwischen konservativer PiS und liberaler PO bereits in der ersten Wahlrunde. Beide Parteien entstammen dem Lager anti-kommunistischer Solidarnosc-Dissidenten.

Doch viele Polen sind diesen Zweikampf satt und suchen etwas Neues. Und dies ist die Chance von neuen National-Konservativen wie Mentzen, die es nicht in die Stichwahl vom 1. Juni schaffen, aber viele Stimmen an den PiS-Kandiaten weiterreichen können. Dies ist für Nawrocki umso wichtiger geworden, denn just auf der Zielgeraden macht ihm ein Skandal um einen Wohnungskauf gegen die offenbar unterbliebene Fürsorge eines Rentners in Danzig zu schaffen. Nawrocki verliert sich dabei in immer neuen Erklärungen, die dem christlich-sozialen Gewissen der PiS entgegenlaufen. Das kommt gar bei beinharten Kaczynski-Fans nicht gut an.

Tusks Reformpläne stehen auf dem Spiel

Inbegriff der weltoffenen, pro-europäischen Ausrichtung ist der Hauptstadt-Bürgermeister Trzaskowski (PO), der LGBT-Initiativen unterstützt, die Kruzifixe aus den Warschauer Amtsstuben entfernen ließ und bei der hoch kontroversen Abtreibungsfrage eine Fristenlösung will.

Von Trzaskowskis Erfolg hängen die Reformpläne von Tusks Mitte-links-Regierung ab, die heute oft von Staatspräsident Andrzej Duda torpediert werden, der sich erklärtermaßen als Nachlassverwalter der PiS-Politik von 2015 bis 2023 sieht. Duda, der im August nach zehn Jahren abtreten muss, stoppt Re-Demokratisierung, Entflechtung von Kirche und Staat, sowie die Entpolitisierung der von PiS-Richtern beherrschten Justiz meist mit Vetos oder Anrufung des PiS-hörigen Verfassungsgerichts.

Beide fast gleichaltrigen Oppositionspolitiker Nawrocki und Mentzen geben sich EU-skeptisch und entstammen einem weltanschaulich sehr konservativem Milieu. Mentzen jedoch ködert Polens Jungwähler mit libertären Versatzstücken à la Javier Milei in Argentinien. So wirbt er für möglichst geringe Steuern und Cannabis-Legalisierung. Gleichzeitig will er Abreibungen total verbieten, selbst im Vergewaltigungsfall. Auch schlägt Mentzen anti-ukrainische Töne an, die sich vorerst vor allem gegen die 1,5 Millionen Flüchtlinge und Gastarbeiter richten. Mit Sprüchen wie „Wir wollen keine Juden, Homosexuellen, Abtreibung, Steuern und EU“, startete Mentzen vor sechs Jahren seine politische Karriere am rechten Rand Polens.

Regierungskandidat in Umfragen vorn

Den heute 42-jährigen PiS-Kandidaten Karol Nawrocki kannte damals in Polen praktisch niemand. Anstelle eines bekannten PiS-Politikers und möglichen Konkurrenten wollte PiS-Gründer Kaczynski mit Nawrocki den Erfolg des 2015 unbekannten Andrzej Duda wiederholen, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten kann. Aber bisher konnte der im Unterschied zu Duda hölzern wirkende Nawrocki nicht einmal die Herzen aller PiS-Anhänger gewinnen. Dies vermochte nicht einmal ein Überraschungsbesuch Nawrockis bei Donald Trump Anfang Mai zu ändern. „Der Besuch im Weißen Haus ist eine Vorbereitung auf die Stichwahl“, sagt der einstige Nawrocki-Historikerkollege Antoni Dudek, „denn PiS kann dann argumentieren, dass nur Nawrocki in der Lage sei, Trump um Hilfe gegen Putin zu bitten“.

Im hinterpommerschen Städtchen Lebork hat Slawomir Mentzen inzwischen seinen Blitz-Auftritt nach knapp 30 Minuten beendet. Noch warten zwei weitere Wählermeetings auf ihn. Das junge Elternpaar Sylwia und Jacek R. schieben ihren Kinderwagen langsam vom „Platz des Friedens“. Die beiden wollen am Sonntag für Mentzen einlegen. „Nawrocki würde mir auch passen, aber mit Blick auf die Zukunft will ich etwas Neues probieren“, sagt Sylwia. Ihr Partner Jacek ist den Zweikampf zwischen PiS und PO satt: „20 Jahre politischer Kampf bedeutet für uns kleinen Leute 20 Jahre Preissteigerungen“.

Bei der letzten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRiS führte Trzaskowski (34 Prozent) mit Abstand vor dem wegen des Wohnungsskandals abgesackten Nawrocki (22 Prozent), während Mentzen nur noch auf 12 Prozent kommt. Dabei gibt es zu bedenken, dass viele rechts wählende Polen dies nicht offen zugeben. 

JJ
17. Mai 2025 - 11.17

Grenzen dicht und den Sloty wieder einführen?
Die Polen müssten wissen was das bedeuten würde. Nationalismen war gestern.Es geht nur mit der Union.