Seit vielen Jahrzehnten amüsiert sich Tony Travers über die mehr oder weniger eleganten Versuche britischer Parteien, schon vorab ihre Wahlergebnisse schönzureden. An diesem Donnerstag sagen die Demoskopen den regierenden Konservativen bis zu 1.000 Mandatsverluste voraus; dementsprechend verzweifelt versuchen Tory-Sprecher, die Erwartungen für die Labour-Opposition ins Himmelhohe zu schrauben. „Dann können sie hinterher behaupten: ‚Schaut hin, Labour steht gar nicht gut da‘“, prophezeit der Politikprofessor an der Londoner School of Economics (LSE).
In allen großen Gemeinden Englands bis auf London, nicht aber in Schottland oder Wales bewerben sich mehrere Zehntausend Männer und Frauen um das Recht, in den kommenden vier Jahren über Müllabfuhr, Gewerbegebiete und Straßenreparaturen mitzubestimmen. Wie immer werden viele Wähler den Urnengang als Denkzettel für die Regierungspartei verwenden – oder als Abstimmung über das landesweit bestimmende, weit übers Kommunale hinausgehende Thema.
Vor vier Jahren war dies der damals noch unvollendete Brexit; die schlechten Ergebnisse bei der Kommunal- und der anschließenden Europawahl läuteten das Ende von Premierministerin Theresa Mays Amtszeit ein. Diesmal steht für die meisten Engländer die schwierige Wirtschaftslage und der Verlust ihrer Kaufkraft im Vordergrund. Für ihren Nach-Nach-Nachfolger Rishi Sunak stellt der Donnerstag den wichtigsten und womöglich letzten Stimmungstest dar, ehe er im kommenden Jahr – die Spekulationen konzentrieren sich auf den Herbst 2024 – zur Unterhauswahl rufen muss.
Weder Starmer noch Sunak sonderlich beliebt
Der 42-jährige Regierungschef hat nach den Chaostagen unter Boris Johnson und Liz Truss das Staatsschiff in ruhigere Gewässer gelenkt, manch schwieriges Problem aus dem Weg geräumt, nicht zuletzt ein pragmatischeres Verhältnis zur EU auf den Weg gebracht. Die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflation zu senken, sind zwei seiner Versprechen, die er dem Wahlvolk dauernd einhämmert. Freilich liegt die Teuerungsrate noch immer bei 10,1 Prozent, die Wirtschaft wuchs zuletzt nur ganz knapp um 0,1 Prozent.
Trösten kann sich Sunak vor allem damit, dass Oppositionsführer Keir Starmer die Leute auch nicht gerade in Wallung bringt. „Das sind beides keine Politiker, die für Begeisterung sorgen“, hat LSE-Professorin Sara Hobolt den Umfragen entnommen. Für den Premier und sein 60-jähriges Gegenüber liegen die Zustimmungsraten jeweils unter 30 Prozent. Starmer hat immerhin den Vorteil, dass die Menschen seiner Partei den Vorzug geben: Labour lag zuletzt bei 40, die Konservativen bei 30 Prozent.
Heftiger Streit wegen Ausweispapieren
Für heftigen Streit sorgte vorab ein neues Gesetz, wonach die Bürger bei dieser Wahl zum ersten Mal außer ihrer Wahlkarte auch ein mit Foto versehenes Ausweispapier zeigen müssen. Da es auf der Insel bis heute keine Personalausweise gibt und immerhin 13,5 Prozent der Bevölkerung keinen Reisepass besitzen, witterte die Opposition, die Konservativen wollten die ärmeren Briten von der Wahl ausschließen; die Regierungspartei hingegen behauptete, man wolle dem angeblich weitverbreiteten Wahlbetrug beikommen. Warum aber ältere Menschen ab 60 Jahren den Ausweis des örtlichen Verkehrsbetriebs vorzeigen dürfen, Studierende hingegen nicht, blieb das Geheimnis der Parlamentarier. „Das ist eindeutig politisch begründet“, glaubt Andy Burnham, Labour-Bürgermeister von Manchester.
Die Krönungsfeiern für König Charles III. an diesem Wochenende dürften die erst am Freitag zu erwartenden Ergebnisse rasch von der Tagesordnung verdrängen. In Nordirland wurde die Wahl wegen des dort geltenden Präferenzwahlsystems sogar kurzerhand um 14 Tage nach hinten geschoben. Auszählungen dauern dort oft mehrere Tage; die Planer des festlichen Spektakels in der Westminster Abbey wollten vermeiden, dass Ergebnisse aus Antrim und Armagh den royalen Burgfrieden stören.
Professor Travers hingegen freut sich schon auf die Erklärungen konservativer Parteisprecher, warum es für die Opposition ganz schlecht aussehe, viel schlechter als fürs eigene Lager. Die Vorgehensweise hat das Satiremagazin Private Eye schon vor vielen Jahren unsterblich gemacht: Nach verheerenden Verlusten für die auch damals regierenden Konservativen druckte das Blatt das Bild des untergehenden Ozeandampfers „Titanic“ und persiflierte die Einlassungen des damaligen Tory-Chairmans mit dem Satz: „Das war eine ganz schlechte Nacht für den Eisberg.“
De Maart
Freund Gregory aus Manchester hat das Kotzen, sagt er, habe wahrscheinlich immer die Falschen gewählt. Nach jeder Wahl ging es bei mir treppchenweise bergab. Nach dem Brexit sogar 2 Treppen.
Etwas ist aber positiv, der Frühling ist bald da und er braucht keine Torfbriketts mehr. Wasser kriegt er von einem Freund aus dem River Merci, oder so ähnlich, in 10 Liter Kanister.