Donnerstag6. November 2025

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EnglandBei den Kommunalwahlen steht Nationalpopulist Nigel Farage vor einem Triumph

England / Bei den Kommunalwahlen steht Nationalpopulist Nigel Farage vor einem Triumph
Der Chef von „Reform UK“ Nigel Farage und der Reform-Kandidat Trevor Shonk prosten im „Wetherspoons Pub“ in Ramsgate auf das zu erwartende gute Resultat bei den Kommunalwahlen für die Nationalpopulisten Foto: Ben Stansall/AFP

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Ganz egal, wie die englischen Kommunalwahlen am Donnerstag ausgehen – ein Sieger steht schon fest.

Diese Woche hat es Nigel Farage, der Anführer der nationalpopulistischen Reform-Party, sogar auf das britische Cover des Wirtschaftsmagazins The Economist geschafft. Die erneute Prominenz des 61-jährigen früheren Brexit-Vorkämpfers, argumentiert Chefredakteurin Zanny Minton Beddoes, habe „schwerwiegende Auswirkungen für Großbritannien und seine Rolle in Europa“.

Tatsächlich beklagen europäische Diplomaten in London das Zögern der Labour-Regierung unter Premier Keir Starmer vor einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der EU. Weil potenzielle Reform-Wähler die Einwanderung regelmäßig an erster Stelle wichtiger Politikfelder platzieren, plant Starmers Innenministerium harte neue Maßnahmen gegen Wirtschaftsflüchtlinge. Der Grund fürs Zögern und für die neue Gesetzesinitiative? Die anhaltend guten Umfragewerte für Reform, bei gleichzeitigem Absturz der erst im vergangenen Juli gewählten Sozialdemokraten.

Seit Jahresbeginn liegt Reform UK gleichauf mit den altbekannten Kräften, zuletzt ergab der Durchschnitt der Umfragen sogar eine leichte Führung (25,2 Prozent) vor Labour (23,6) und den Torys (21,8). Das entspricht einem Zugewinn gegenüber dem Unterhaus-Ergebnis vom vergangenen Juli um mehr als zehn Prozent. Auch die kleineren Oppositionsparteien Liberaldemokraten (14) und Grüne (9,1) verzeichnen Zuwächse.

Farage kann, so scheint es, sagen und tun, was er will. Dass er sich öffentlich zu seiner Bewunderung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin bekannte – auf der weiterhin klar die Ukraine unterstützenden Insel eigentlich eine unpopuläre Position –, scheint die Wählerschaft ebenso wenig zu stören wie heftige interne Querelen.

Denkzettel für Labor, Nasenstüber für Torys

Vieles deutet darauf hin, dass sich in der Nacht zum Freitag die erste Reform-Mandatsträgerin zum bisher rein männlichen Unterhaus-Quartett gesellt. Sarah Pochin profitiert bei der Nachwahl im nordenglischen Runcorn von der Abneigung gegen Labour im Allgemeinen und einem lokalen Grund im Besonderen: Der bisherige Labour-Mandatsträger hatte einen ihn mit Beschwerden bedrängenden Bürger nachts niedergeschlagen und mit Fußtritten traktiert.

Erhält die Labour-Regierung nach Meinung der Demoskopen einen Denkzettel, so muss sich die konservative Partei auf einen brutalen Nasenstüber gefasst machen. Denn die jetzt zur Wahl stehenden Kommunalparlamente wurden zuletzt im Frühjahr 2021 neu bestimmt. Mitten in der phänomenal gut gelungenen Covid-Impfkampagne, angeführt von dem damals noch unbeschädigten Publikumsmagnet Boris Johnson, fuhren die Torys hervorragende Ergebnisse ein. Vier Jahre später kämpft die älteste Partei der Welt unter Führung der Ex-Ministerin Kemi Badenoch ums Überleben, dürfte in den südenglischen Grafschaften Buckingham, Cambridge und Oxford von den Liberaldemokraten überholt werden.

Anderswo liefern sich die Kandidaten von vier oder gar fünf Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen, beispielsweise in der Region um die westenglischen Städte Bristol und Bath. Für Reform kandidiert dort der Versicherungsmogul Arron Banks, wenn auch offenbar mit zwiespältigen Gefühlen. Der Times vertraute der Geschäftsmann – seine Spende von acht Millionen Pfund trug 2016 zum Sieg im Brexit-Referendum bei – an, er hoffe eigentlich auf den „ehrenvollen zweiten Platz“, schließlich sei das neue Amt eigentlich gar kein richtiger Job: „Ich habe versucht, herauszufinden, was man da machen soll. Aber das bleibt unklar.“

Wichtig sind lokal verwurzelte Figuren

Tatsächlich gibt es in der chaotischen Welt englischer Kommunalpolitik zahlreiche sich überschneidende Kompetenzen und wenig Erfahrung darin, über den Tellerrand der eigenen Kommune oder Grafschaft hinauszuschauen. Zudem hat die (damals konservative) Zentralregierung seit 2010 den Unterhalt der Gemeinden stetig gekürzt. Weil diese aber nicht nur für Straßenbau und Müllabfuhr, sondern vor allem auch für die Pflege der zunehmenden Zahl alter Menschen zuständig sind, wächst allerorten die Finanznot.

Umso wichtiger sind starke, lokal verwurzelte Figuren, die sich den Lokalstolz zu eigen machen. In Hull an der ostenglischen Nordseeküste werden bei der dort erstmals veranstalteten Bürgermeister-Wahl dem Reform-Kandidaten Luke Campbell, 37, genau deshalb gute Chancen eingeräumt: ein lokaler Junge, bekannt geworden durch seinen Olympiasieg 2012 im Boxen, engagiert in der Unterstützung von Schulen in der Stadt.

Eine Gruppe von Bürgerinnen in Hull, vom Marktforscher More in Common (MiC) befragt, zeigte sich enttäuscht von Labour, verärgert über die hohen Lebenshaltungskosten, besorgt über den anhaltenden Strom von Wirtschaftsflüchtlingen. Über Farage herrschte keine Begeisterung, berichtet MiC-Researcher Edward Hodgson, sondern: „Letztlich ging es um die persönliche Anziehungskraft des lokalen Kandidaten Campbell.“

Grober J-P.
29. April 2025 - 17.43

Freund Gregory aus Manchester hatte mal den Populisten geglaubt, vor dem Brexit. Nach dem Brexit steht er noch wie vor dem Brexit da. "Merke nothing bei meinem Geldbeutel, im Gegenteil, kann mir weniger leisten als noch vor 5 Jahren, i got the blues!"